Theo ist Anfang 30, ein Waschlappen, ein
Looser, ein Typ, der seinen Weg noch nicht gefunden hat. Einer, der anders sein
möchte als seine Eltern aber im Endeffekt nicht weiß, was er eigentlich will.
Kein Studium, kein fester Job, eine Beziehung, die nicht den Stellenwert für
ihn hat, die für eine glückliche Beziehung angebracht wäre. Und Musikerfreunde mit
denen er abhängt, alle ohne
Perspektiven. Als Theos Freundin ihr gemeinsames Kind verliert, schmeißt sie
Theo raus, denn sie gesteht sich endlich ein, was sie schon lange fühlt: Nichts
ist für diesen Mann wichtig, außer der Musik.
Theo zieht wieder zu seiner Mutter
zurück, zu der er nie eine herzliche Bindung hatte. Doch als sie an Krebs
erkrankt, pflegt er sie und begleitet sie bis zu ihrem Tod. In dieser kurzen
Zeit kommen sie sich näher als jemals zuvor und ihr Tod hinterlässt eine Leere
in ihm. Er verkauft das Haus seiner Eltern und zieht sich für ein Jahr von der
Welt zurück, um endlich herauszufinden, was in seinem Leben schief läuft und
wohin sein Weg ihn führen soll. Dazu mietet er sich eine abgelegen Berghütte,
doch bald stellt er fest, dass sie Einsamkeit nicht so sein Ding ist. Er fühlt
sich beobachtet und verfolgt und Alpträume plagen ihn. Um sich abzulenken liest er das Tagebuch
seines unbekannten Großonkels, das von einer märchenhaften Welt erzählt,
teilweise unserer ähnlich, teilweise grotesk und andersartig. Bevor er sich noch richtig entschieden hat ob
er diese Erzählungen für bare Münze nehmen oder als Phantasien eines Irren
abtun soll, befindet sich Theo plötzlich selbst in dieser Welt. Vor einem
Monster gerettet von einer scharfzüngigen Minifee, wird er herüber gezerrt in eine andere Welt. Er,
der Tagträumer und ohne Perspektiven, der sich in seiner eigenen Welt kaum
zurecht findet, muss plötzlich Partei ergreifen in einem Kampf, den er nicht
versteht, in einer Welt, die er nicht
versteht. Das ihm dabei jeder nach dem
Leben trachtet, macht die Sache für ihn nicht einfacher. Zum Glück hat er
Apfelgriebs an seiner Seite, die trotz ihrer nur 15 cm Körpergröße, dem
uncoolen Antihelden eine große Hilfe ist.
Kommentar:
Nach Osten Ard und Otherland ist man als
Leser zuerst bestürzt zu erfahren, dass es sich hier um ein einbändiges Werk
handelt. Doch der Autor schafft es, auf 800 Seiten alles aufzubieten, was ein
erstklassiges Fantasywerk braucht. Und er widerlegt hier alle gängigen
Klischees, die in der Fantasy so verbreitet sind. Elfen sind edel, Goblins sind
hirnlose Trottel, Oger sind Bösewichter. Nicht so hier, nicht in Elfien, wie
dieses Land genannt wird. Hier dominieren despotische, arrogante und intrigante
Elfen über den Rest des Landes. Es herrscht eine Mehrklassengesellschaft, in
der die Goblins ausgebeutet und die Armen unterdrückt werden. Wie im indischen
Kastensystem ist es kaum möglich, die Gesellschaftsschicht zu verlassen, in die
man hineingeboren wurde. Viele Unterdrückte arbeiten für wenige Reiche. Theo
ist entsetzt, als er den sagenumwobenen Elfen in Natura begegnet. Nichts
gleicht den Erzählungen über Elfen in seiner Welt. Nichts ist hier märchenhaft,
außer die seltsamen Wesen, denen er begegnet, die Welt steht kurz vor einem
Krieg. Allerdings ist ihm schleierhaft, was er damit zu schaffen hat und warum
er verfolgt und bedroht wird. Er ist und bleibt über weite Längen des Buches ein
Waschlappen und Angsthase, der nur in seine eigene Welt zurück möchte.
Apfelgriebs nennt ihn flach, er verfügt über keinen Charakter und befasst sich
nur mit sich und seinem eigenen Elend. Die Fee findet sehr deutliche Worte für
den oberflächlichen jungen Mann, denen wir als Leser nur zustimmen können. Er
ist es auch nicht, der den Leser in seinen Bann hält. Es sind die Bewohner
Elfiens, die den Charme des Buches ausmachen, allen voran Apfelgriebs, Wuschel
und Knopf. Die legendären, menschenähnlichen Elfen dagegen sind durchweg unsympathisch. Die Jugend ist dekadent, verdorben und
verzogen, die Älteren sind gierig und Macht besessen. Die sieben reichen und
mächtigen Adelsgeschlechter herrschen über das ganze Land. Obwohl Fürst Narziss
die Menschen verachtet und als minderwertig ansieht, geht er den gleichen Weg,
wie die Menschen. Die Elfen bedienen sich der Erfindungen der Menschen, die
hier allerdings eher durch Magie betrieben werden. Doch diese Magie, welche aus
der Kraft des Landes gezogen wird, ist nicht unendlich. Um dies zu vertuschen,
unterdrücken die herrschenden Adelshäuser die anderen Rassen mehr und mehr und
beuten sie aus. Ein Krieg ist unvermeidlich.
Der Autor findet sehr deutliche Worte und hält uns teilweise einen
Spiegel vor. Man könnte diese Geschichte durchaus sozialkritisch nennen. Dazu
passt es auch, dass der Held eben kein Held ist. Er ist ein Mensch, der keine
Ziele im Leben hat und nichts mit sich anzufangen weiß. Er ist ein Vertreter der Generation ohne
Ziele. Die Eltern, die hart geschuftet haben, damit ihre Kinder es besser
haben, die den Kindern aber somit keine Perspektiven mitgegeben haben. Eine Generation,
die sich treiben lässt.
Während Tad Williams wunderbar mit der
Sprache umgehen kann, besitzt der Übersetzer Hans-Ulrich Möhring dieses Talent
nicht unbedingt. Wie soll man sich als Leser ansonsten die sich wiederholende
Wortkombination „ als wie“ erklären? Man mag es vielleicht einem heimischen
Dialekt des Übersetzers zuschreiben, als Leser empfindet man diesen Satzbau jedoch als absolut störend. Da hat er seine
Sache bei Otherland wesentlich besser gemacht.
Fazit:
Ich mochte schon fool on hill und Elfen
in New York. Dieses Buch reiht sich nahtlos an diese außergewöhnlichen und
andersartigen Fantasygeschichten an und bereitet dem mutigen Leser unendliches
Vergnügen. Wer allerdings Elben a la
Hennen und Tolkien bevorzugt, wird eher enttäuscht werden.
10 von 10 Sternen
Titel: Der Blumenkrieg (war of the
flowers)
Autor: Tad Williams
Übersetzer: Hans-Ulrich Möhring
Verlag: Heyne, TB, 958 Seiten ( Die Rezension
bezieht sich auf die HC Ausgabe)
ISBN:9783563532748
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