Sandmagier
gibt es nicht und gab es auch nie. Sie gehören in das Reich der Legenden und
Märchen. Ein Traum alter Männern, die ihre Hoffnung auf eine bessere Welt schon
lange begraben haben.
Azir
ist der Heerführer Vardors, des mächtigsten Königs von Elismere. In seinen
Namen hat Azir viele Städte erobert, Menschen abgeschlachtet und den Ruhm und
Reichtum seines Königs vermehrt. Nun kehrt er nach zehn Jahren erfolgreicher
Schlachten in seine Heimat zurück und hofft, sich zur Ruhe setzen zu können.
Das Mädchen
Lian ist die letzte Überlebende der Stadt Ravan. Dieser Hort der Gelehrsamkeit
und Demokratie war die letzte Stadt, die Azir auf seinem Eroberungsfeldzug
vernichtet und geschliffen hat. An ihr wurde ein Exempel statuiert und kein
Stein blieb auf dem anderen, alle Bewohner wurden ermordet. Lian schafft es, in
den Trümmern zu überleben, sie stromert durch die Stadt, immer auf der Suche
nach Nahrung. Dabei zeigt sich ihr herausragendes Talent, stets den richtigen
Weg zu finden.
Beide,
sehr unterschiedliche Menschen erleben ein grausames Schicksal. Azir wird verraten
und als tot geltend wie Abfall in der Wüste entsorgt. Lian wird entführt und
ihrer Heimat entrissen. Wie das
Schicksal das Mädchen und den Mann zusammenführt ist eine Geschichte, die ihr
euch selber erlesen müsst.
Kommentar:
Ich
vergleiche nicht gerne neue Bücher oder Geschichten mit Klassikern. Man könnte
dann den Eindruck bekommen, der Autor hätte abgekupfert, was hier keineswegs
der Fall ist. Die Geschichte ist wunderschön, in einer beeindruckenden Sprache
erzählt und sie vermochte mich vom Prolog an zu fesseln. Nichtsdestotrotz
möchte ich einen Vergleich ziehen, damit jeder, der diese Rezension liest, sich
ein ungefähres Bild machen kann, was ihn in etwa erwartet. Als ich über das
Schicksal Azirs gelesen habe, musste ich unweigerlich an Maximus Decimus
Meridius (Gladiator) denken, der auf eine ähnliche Weise verraten wird und nur
noch ein Ziel im Leben kennt: RACHE. Oder auch Judah Ben Hur, der ebenfalls
einen Verrat überlebt.
Für
Azir ist der Verrat und sein Überleben aber auch eine Chance, sein Leben neu zu
beginnen und gestalten. Sein Name war legendär, er wurde zwar respektiert aber
auch gefürchtet. Durch die Schleifung der Stadt Ravan, erwachen in ihm aber
auch so etwas wie Zweifel. Nun kennt ihn niemand mehr, er ist lediglich ein
Sklave unter vielen und er muss sich überlegen, was für ein Mensch er sein
will. Er bekommt einen zweite Chance. Nicht für Rache sondern auch für
Veränderungen. Und ich finde diese Wandlung faszinierend und glaubhaft.
Lian
war wohl schon immer ein Wirbelwind, ein Quell der Sorge aber auch des Stolzes
ihres Vaters. Hier wendet der Autor eine andere Art der Erzählung an, in dem er
Lian ihr bisheriges Leben reflektieren lässt. Dadurch, dass sie sich an Gespräche, Lehren und
Weisheiten ihres Vaters erinnert und versucht, sich an diese zu halten. Sie hat
mein Herz im Sturm erobert, eine freche Göre, die sich alleine durchschlagen
muss, die sich um eine Verletzte kümmert und für sie sorgt, die wenige Nahrung
mit ihr teilt. Ein Herz aus Gold und eine Zunge aus Stahl. Das muss auch Talna
erfahren, der Lian entführt, nicht ahnend, was er sich für einen Ärger
einhandelt. Die Dialoge sind schlagkräftig und teilweise amüsant, für mich sind
sie das Herz dieser Geschichte.
Und
noch ein Vergleich: Die Verschlinger haben mich an die Sandwürmer auf Arrakis
erinnert.
Die
Sprache des Autors hat mir sehr gut gefallen, seine Metaphern sind fast
beispiellos und ich bin der Meinung, die Wüste kann nur jemand mit solchen
Worten beschreiben, der sie auch erlebt hat und man glaubt Pascal Wokan jedes
Wort. Seine Geschichte ist wie ein langsamer, ruhiger Fluss, der einen mitnimmt
auf eine Reise, dies jeder unternehmen sollte. Hier finden wir keine maßlosen
Übertreibungen der Schlachten, keine brutalen, teilweise überflüssigen Details
verstümmelter Leichen, obwohl all dies Teil der Erzählung ist. Aber ist wirkt
gedämpft, ehrlich, glaubhaft und sehr überzeugend. Mir kam beim Lesen dieser
Geschichte die Farbe »ocker« in den Sinn.
Neben
Lian und Azir gibt es durchaus noch mehr Charaktere, die mich überzeugen
konnten. Kalak, der alte, desillusionierte Kämpfer, der sich an seinen alten,
verblassenden Ruhm festklammert und der hofft, durch Azir seinen Niedergang aufzuhalten.
Oder auch Elu, der etwas schüchtern und ängstlich
wirkende junge Mann, der Azir zuerst einfach nur auf die Nerven geht, der es
aber schafft, dass der ehemalige Heerführer beginnt, an eine Zukunft zu denken,
die nicht nur aus Rache besteht. Jede Figur in diesem Roman ist einzigartig und
überzeugend, keine ist einfach oder vorhersehbar und das macht auch eine Teil
des Charmes dieses Buch aus. Auch die Tiere und Völker, die Politik, Religion
und Magie, die Pascal Wokan hier einführt, sind in meinen Augen einzigartig.
Hier weicht er völlig von Klischees ab und betritt Neuland. Natürlich gibt es
den machtgierigen Herrscher, der die Nase nicht voll genug bekommen kann aber
davon abgesehen, betritt der Autor neue Wege, die dem Leser in eine packende Welt
führen.
Ich
liebe Geschichten, die im Orient spielen, die den Leser in eine traumhafte Welt
entführen, die mit nichts zu vergleichen ist. Die Hitze des Tages, die Kälte
der Nacht, die Kargheit aber auch Schönheit
dieses Teils der Erde, verknüpft mit Märchen und Legenden. Ich kenne nicht sehr
viele Bücher, die an solchen Orten spielen. »Flammenwüste von Akram El-Bahay«, »die
Löwen von Al Rassan von Guy Gavriel Kay«, »das Schwert der Dämmerung von Saladin
Ahmed«, »Omar, der Geschichtenhändler von Dave Duncan« oder auch »der Wüstenplanet von Frank Herbert«.
Jedes dieser Bücher ist für mich einzigartig und der Sandmagier darf sich jetzt
in diese Reihe sehr schöner Bücher einreihen.
Das
Cover passt wunderbar zu der Geschichte, am Ende des Buches gibt es noch ein
Personenregister und eine Liste mit Begriffserklärung. Und natürlich gibt es eine Karte. Ich liebe Karten! Über den einzelnen Kapitel
befinden sich kleine Illustrationen, die das Ganze merklich auflockern. Und für
ein SP Buch ist dieses von sehr guter Qualität.
Fazit:
Für
mich eines der schönsten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe. Eine
mitreißende Geschichte, die in einer Welt spielt, die fremd aber auch
faszinierend ist. Erzählt in wunderbaren Worten, die bezaubern. Wer Fantasy
abseits des Mainstream lesen möchte, der sollte nicht zögern, dieses Buch zu
lesen. ( Und nein, es war kein Rezensionsexemplar und nein, meine Meinung wird
nicht bezahlt.)
Titel:
Der Ruf der Wüste
Reihe:
Die Sandmagier
Autor:
Pascal Wokan
Verlag:
Selfpublisher, TB 572 Seiten
ISBN:
9783753481371
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