24 August 2018

Lovecraft Country von Matt Ruff - mein Tipp



https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/lovecraft-country/978-3-446-25820-4/
Die Geschichte spielt Mitte der 50er Jahre in den USA. Obwohl sich die Schwarzen im Bürgerkrieg ihre Freiheit  erkämpft haben, sind sie auch Jahrzehnte später nicht frei. Sie werden benachteiligt, schikaniert, ihrer Rechte, wenn sie denn welche haben, beraubt und ihnen wird grundlos Gewalt angetan. In dieser Welt wächst Atticus Turner auf. Obwohl ein Veteran des Koreakrieges, erhält er von den Weißen weder Respekt noch Achtung. Seine Flucht  vor dem Alltag sind die Bücher. Wie sein Onkel George, liest auch Atticus gerne Science Fiction, auch wenn sie von weißen Autoren geschrieben wurde. Das ist einer der Punkte, die ihn mit seinem Vater Montrose entzweien. Vater und Sohn stehen sich nicht nahe, doch als Montrose spurlos verschwindet, machen sich Atticus, George und Cousine Letitia auf den Weg, um den alten Mann zu finden.  


Die Reise gestaltet sich einfacher als gedacht, denn George ist der Herausgeber des Reiseführers "Safe Negro Travel Guide" und kennt somit alle Orte, an denen Schwarze ungefährdet anhalten, tanken oder übernachten  können.
Erst als sie im Lovecraft Country ankommen, einem Teil der Staaten, wo die Rassengesetze in Ehren gehalten werden, wird es brenzlig. Und als sie Montrose tatsächlich finden, überschlagen sich die Ereignisse. Mysteriöse Orden, Zauberer, Weltherrschaft, Geheimlogen. magische Rituale. Atticus und seinen Begleitern offenbart sich eine Welt, von der sie nie etwas erfahren wollte und aus der es scheinbar kein Entkommen gibt.
Kommentar:
Das erste Drittel des Buches habe ich verschlungen, das zweite Drittel hat mich irritiert und etwas verwirrt und als sich am Ende alles zusammenfügt, bleibt man einfach nur atemlos zurück. Während des Lesens mache ich mir nebenher immer Notizen, was ich in eine Rezension einfließen lassen möchte. Auf Seite 30 hatte ich schon drei Zitate aus dem Buch notiert, Sätze, die mich gefangen nahmen.

Seite 15:
"Dann nahm er sich die Bücher vor und kippte die Schachtel in den Kofferraum aus. Atticus versuchte, nicht hinzusehen, sagte sich, Taschenbücher seien ja da, um schlecht behandelt zu werden. Aber e war schlimm, wie, wenn man mit ansehen musste, wenn Freunde zusammengeschlagen wurden."

Seite 20:
"aber mit Geschichten ist es wie mit Menschen. Sie werden nicht deshalb perfekt, weil man sie liebt. Du willst ihre Vorzüge hervorheben und ihre Mängel übersehen. Und trotzdem gibt es die."
Horace, der Sohn von George ist ein begnadeter Zeichner und möchte später Comiczeichner werden. Er bebildert den Reiseführer seines Vaters wie folgt:

Seite 28:
"Gegenden, in denen viele Schwarze lebten, wie die Southside von Chicago, waren als strahlende Festung dargestellt. Kleinere Viertel waren mit Türmen oder als Oasen eingezeichnet. Abgelegene Motels oder Hotels waren Gasthäuser lächelnden Gastwirten. Unterkünfte von Privatpersonen, die Zimmer an schwarze Reisende vermieteten, waren mit Bauernhütten, Baumhäusern oder Hobbithöhlen versehen.  Weniger gastfreundliche Landesteile waren von Ogern, Trollen, Vampiren, Werwölfen, wilden Bestien, Geistern, bösen Zauberern und vermummten weißen Rittern bevölkert. 

Matt Ruff verfügt über eine meisterliche, bildhafte Sprache und man merkt ihn seine Liebe zu Science Fiction und Fantasy an. Trotzdem habe ich nachgeschlagen, wann Herr der Ringe erschienen ist und Horace schon wissen konnte, was eine Hobbithöhle ist.
Das ganze Buch durchziehen solche Satzperlen, es ist ein Genuss, es zu lesen. Das erste Drittel des Buches habe ich regelrecht verschlungen. Dann wurde es etwas unübersichtlich, da die Geschichte sich auf viele Handlungsstränge aufgeteilt hat, die erst am Ende wieder zusammenfinden. Dreh-und Angelpunkt dieser Stränge ist Caleb Braithwhite, er ist auch derjenige, der Montrose dazu überredet hat, Chicago zu verlassen. Er ist ein charismatischer, attraktiver Mann, doch schnell stellt sich heraus, dass er ein wahrer Teufel in Menschengestalt ist. Er hat mich an Lucas Black erinnert, hinter dessen Fassade man ebenfalls nicht schauen konnte. Er taucht bei einem Familienmitglied der Turners nach dem anderen auf. Zieht die Fäden im Hintergrund, lügt, verführt, umgarnt, erfüllt die Träume und Wünsche eines jeden, um dann die Rechnung zu präsentieren.
Mich hat zu Beginn des Buches irritiert, dass für die Bezeichnung von Atticus und seiner Familie das Wort Neger benutz wurde. Heutzutage ist dieses Wort ja politisch nicht korrekt ist und es gilt  als Beleidigung. Aber gerade die Benutzung des Begriffs verdeutlicht den Rassismus, die Vorurteile, Ignoranz und die Gewalt, der Atticus und seine Familie ausgesetzt sind. Es macht klar, wie schwer es ihnen fällt, die täglichen Schikanen und Ungerechtigkeiten zu ertragen und trotzdem ein halbwegs zufriedenes Leben zu führen. George und Montrose sind hier zwei Figuren, die den Gegensatz zwischen Akzeptanz und Auflehnung verkörpern.
Und Ruby ist die wohl tragischste Figur in diesem Roman, ihre Geschichte hat mich erschüttert. Lovecraft Country, dass Land der Weißen, erweckt tiefe Furcht in den Reisenden, doch sie müssen sich dem Horror stellen.
Das Cover des Originals verdeutlicht wesentlich besser, um was es in dem Buch geht. Die Tentakel erinnern an H.P. Lovecrafts Geschichten und verdeutlicht den Horror, der in diesem Roman zu finden ist. Auch wenn es der alltägliche Horror ist, den ein Schwarzer im Jahre 1954 in den USA täglich erleiden muss. Das Cover der deutschen Ausgabe zeigt schattige Figuren im Hintergrund, die als Mitglieder des Klu-Klux Clan zu erkennen sind, vor einem einsam stehenden Haus. Die Vergleiche, die hinten auf dem Cover gezogen werden, sind teilweise abstrus. Was dieses Buch mit Matrix zu tun haben soll ist mir schleierhaft. Und Pynchon fehlt der Humor und der Charme eines Matt Ruff. Obwohl ich auch gerne Vergleiche zwischen Autoren ziehe, fällt es mir sehr schwer, hier Namen zu nennen, die ähnliche fesselnde und faszinierende Geschichten schreiben, In seiner leichten, humorvollen und doch intensiven Art, Ernsthaftes mit Fantasie zu mischen, ist  Matt Ruff wohl einmalig.
Was mir persönlich gefehlt hat war eine Legende der Familie Turner, um das Beziehungsgeflecht stets vor Augen zu haben, eine Kapitelübersicht so wie das Nachwort des Autors.

Den Satz habe ich gerade auf der Autorenseite gefunden:

Autor: Matt Ruff
Übersetzer: Anna und Wolf Heinrich Leube
Verlag: Carl Hanser, HC, 432 Seiten
ISBN: 9783446258204

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