Hinfahren. Sich durchfragen.
Eine Botschaft ausrichten. Es klingt nach einem einfachen Auftrag.
Könnte Jeremy Parker mit Menschen nur annähernd so gut umgehen wie mit Büchern.
Wäre sein Reisegefährte nicht der mürrischste Mann weit und breit.
Und hätte Parker nicht den Verdacht, dass sein Begleiter ihm mehr über jene
Sache erzählen könnte.
Fragt sich bloß: Wie bringt ein wortkarger Eigenbrötler ausgerechnet einen
Menschenfeind zum Reden?
Kommentar:
Dieser Klappentext gibt nicht
im Entferntesten wieder, was dieses Buch ausmacht. Es wurde von einer Buchliebhaberin
für Buchnerds geschrieben. Jedes Kapitel ist mit einem Buchtitel überschrieben,
der aber genau zu diesem Kapitel passt. Da die Geschichte 1891 spielt, habe ich
dann tatsächlich gegoogelt, ob es diese Bücher damals überhaupt schon gab. Und
ich war erstaunt, wie alt manche der Geschichten sind, die wir heute noch
lesen. Unter anderem die drei Musketiere, Alice im Wunderland oder auch
Gullivers Reisen. Jermey Parker ist ein
Einzelgänger. Er mag Menschen nur in Büchern, vorzugsweise Helden oder
Abenteurer. Er hatte bisher nie einen
festen Job und hangelt sich so durch das Leben. Anders sein Cousin Ronald, der
ein angesehener Anwalt ist. Um eine Erbschaftsangelegenheit zu regeln, beauftragt
Ronald seinen Cousin, die Erben im Westen des Landes ausfindig zu machen. Ronald
hält nicht viel von Jermey, der in den Tag hineinlebt. Aber was kann der Träumer
bei dem Auftrag schon verkehrt machen? Man fährt mit dem Zug vier Tage ins
Land, findet die Erben, richtet die Nachricht aus und kommt zurück. Lächerlich
einfach.
Die Reise in das Städtchen Brackwall
gestaltet sich relativ einfach aber langweilig. Dort angekommen, treten
allerdings die ersten Probleme auf. Die Familie Buckley, die das Erbe antreten
soll ist so gut wie ausgelöscht. Die Mutter ist verstorben, der Vater wurde
erschossen, ebenso Jules, die Tochter. Und der Sohn Daniel, versteckt sich in
den Bergen bei einer Bande.
Jeremy tritt auf den alten
Mac, einem Büchernarren wie er selber einer ist, der früher mit der Familie Buckley
befreundet war. Mac gibt Jeremy Hinweise auf den Aufenthaltsort von Daniel und
stellt dem unbedarften Städter einen Begleiter zur Seite. Paul Morgan ist ein
Einzelgänger. Eigenbrötler und Menschenfeind. Doch er scheint ein Geheimnis zu
verbergen, das Jermey herausfinden will. Doch wie? Er, der bisher nur in und
mit seinen Büchern gelebt hat, er, der
nie Freunde hatte und keine Lebenserfahrung, er soll diesen sturen, unfreundlichen
Mann zum Reden bringen?
Je weiter die Reise geht,
desto faszinierender wird dieses Buch. Als Jeremy Daniel findet (nein, das ist
kein Spoiler, das ist erst der Beginn), denkt man, die Geschichte müsste zu
Ende sein. Aber weit gefehlt. Es folgt ein weiterer Handlungsstrang und noch
einer. Alles wunderbar miteinander verwoben und heraus kommt eine Geschichte,
die dem Lesenden richtig ans Herz wächst.
Ich könnte das ganze Buch zitieren,
so wunderbare Sätze finden sich darin. Vor allem der alte und weise Mac gibt
Jermey immer wieder gute Ratschläge.
Zitat Seite 67 nach einem
Versuch Jermeys, ein Gespräch zu beginnen:
„Ich gebe mir redlich Mühe damit!, erwiderte
ich, in dem Versuch, die Stimmung aufzulockern. „Man tut was man kann.“
„Anfängerfehler. Ein Fachmann
kann, was er tut.!
So würgt Morgan jeden Versuch
einer Unterhaltung ab und wiest Jermey stets in seine Schranken
Und Seite 75 ein Konter von
Morgan, der vielleicht eigenbrötlerisch aber nicht dumm ist:
„Sie wollen keinen Menschen um
sich, weil sie sich dann damit auseinandersetzen müssen. Und mit sich selbst.
Sie lassen niemanden an sich heran, weil Sie fürchten, was dabei herauskommt. Sie
spielen nicht mit, das ist eine Strategie aber kein Standpunkt. Leben heißt
Entscheidungen zu treffen. Zu wissen, wer man ist und zuzulassen, dass andere
es herausfinden. Sie sind zufrieden mit sich, aber ohne Begriff davon, was
Glück eigentlich bedeutet.
Seite 80 auf die Frage
Morgans, warum Jeremy Bücher mag:
„Niemals ohne Buch,“ murmelte Morgan.
Sie wären eher ohne Proviant losgeritten als ohne was zum Lesen, stimmts?“
„Was für eine Frage, ich wäre
lieber ohne Hose aufgebrochen als ohne Buch.“ Bücher sind für mich wie
Freunde, eine Schatztruhe voller Glücksmomente, so wie die beruhigende
Versicherung, dass ich mich niemals verloren
oder einsam fühlen musste.“
Und er erzählt Morgen die
Geschichte der drei Musketiere.
Ich habe mir die Szene
wirklich bildlich vorgestellt. Die Geschichte fängt sehr ruhig an und auch die
Reise von Morgan und Jeremy verläuft ohne groß Komplikationen. Vier Tage auf
einem Pferd durch die Wildnis, da muss es doch klappen, dass sich Morgan
endlich etwas öffnet. Es ist faszinierend zu lesen, wie zwei Männer, die stets
für sich waren, sich langsam etwas annähern. Es geht unter die Haut, denn es
werden Themen angesprochen, die und auch heute beschäftigen. Vielleicht noch
mehr als 1891. Denn im Zeitalter von Internet, TikTok und Co ist es schwer,
echte Freunde zu finden. Mobbing in der Schule, am Arbeitsplatz, ungezügelte
Gewalt auf den Straßen, wo niemand mehr sicher ist. Echte Freundschaft entsteht
durch offenen und ehrlichen Gedankenaustausch, man öffnet seine Seele. Heute
ist das kaum noch möglich aber damals konnte eine Unterhaltung noch ungeahnte Türen
öffnen. Und noch ein Zitat:
Seite 83:
Märchen hören auf, wenn es am
schönsten ist. Aber was kommt danach?“
„Märchen haben kein danach
deshalb können sie gut ausgehen.“
„Eben. Also müssten sie im
richtigen Leben sterben, wenn sie am glücklichsten sind.
Morgans frustrierende und deprimierende
Antworten und Einsichten fordern Jeremy heraus, dem sturen Bock die Schönheit
der Bücher näherzubringen. Er weiß, dass Morgan ein zutiefst unglücklicher
Mensch ist und versucht, die Ursache für diese tiefe Verzweiflung und
Traurigkeit zu finden. Aber wie soll er das schaffen? Ein Mann, der selbst nie
wirklich gelebt hat und sein Leben mit und in Büchern verbracht hat?
Seite 216
„Hass schadet dem am meisten,
der ihn empfindet. Wie ein Schuss, der nach hinten losgeht.“
Ein wahrer Satz, der ebenfalls
heute noch aktuell ist. Während der Hass damals noch gerade heraus war, findet
er heute im Internet statt. Man ist anonym und schreibt Dinge, die man im
realen Leben nicht sagen würde. Hetzkampagnen, Ausländer feindliche Parolen, Hetze
gegen alle, die anders sind. Damals sah man seinem Feind ins Angesicht und
besiegt ihn auch so. Heute sind es eingebildete Feinde, Menschen, die man nicht
kennt aber verurteilt.
Und ein letztes Zitat von
Seite 320:
„Bücher sind wie Freunde. Sie
begleiten uns durch das Leben, stehen mir Rat zur Seite, oder sie bringen uns
auf neue Ideen. Und umgekehrt sind Freunde wie Bücher. Es geht nicht darum, so
viele wie möglich zu haben, sondern die richtigen. Was in ihnen steckt, zählt.
Dann kann ein gutes Buch mehr wert sein als eine ganze Bibliothek. Und ein
guter Freund auch.“
Ich könnte das ganze Buch
zitieren. Ich habe auf Lovelybooks nach der Autorin geschaut und ihr Profil
dort sagt wirklich alles aus. Eine Frau, die niemals ohne Buch aus dem Haus
geht. Welcher Büchernarr kennt das nicht? Mir ist als erstes der Flyer aufgefallen, weil ich das Cover sehr snsprechend finde. Zwei Reiter, voneinander getrennt und eine absolut tolle Farbkombination, die die Weite der Landschaft widergibt. Sprachlich gibt es nichts zu meckern, Manche Sätze wirken charmant, da sie Wörter enthalten, die wir im deutschen nicht so benutzen.
Fazit:
Für mich ist dieses Buch ein
Highlight 2025. Ich hatte einen Flyer auf der LBM dazu gesehen und da ich gerne
Western lese, habe ich es bestellt. Aber dieses Buch ist soviel mehr. Eine Ode
an Bücher, an Liebe, Freundschaft und Vertrauen. Ich habe es von der ersten bis
zur vorletzten Seite geliebt. Wer Longmire mag oder die Bücher von Tony
Hillerman, sollte auf jeden Fall zugreifen.
Titel: Solitario
ISBN: 9783991390121
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