24 Mai 2025

Solitario von K.H. Lawaty - mein Tipp

Klappentext:
Hinfahren. Sich durchfragen. Eine Botschaft ausrichten. Es klingt nach einem einfachen Auftrag.
Könnte Jeremy Parker mit Menschen nur annähernd so gut umgehen wie mit Büchern.
Wäre sein Reisegefährte nicht der mürrischste Mann weit und breit.
Und hätte Parker nicht den Verdacht, dass sein Begleiter ihm mehr über jene Sache erzählen könnte.
Fragt sich bloß: Wie bringt ein wortkarger Eigenbrötler ausgerechnet einen Menschenfeind zum Reden?
 
Kommentar:
Dieser Klappentext gibt nicht im Entferntesten wieder, was dieses Buch ausmacht. Es wurde von einer Buchliebhaberin für Buchnerds geschrieben. Jedes Kapitel ist mit einem Buchtitel überschrieben, der aber genau zu diesem Kapitel passt. Da die Geschichte 1891 spielt, habe ich dann tatsächlich gegoogelt, ob es diese Bücher damals überhaupt schon gab. Und ich war erstaunt, wie alt manche der Geschichten sind, die wir heute noch lesen. Unter anderem die drei Musketiere, Alice im Wunderland oder auch Gullivers Reisen.
Jermey Parker ist ein Einzelgänger. Er mag Menschen nur in Büchern, vorzugsweise Helden oder Abenteurer. Er hatte bisher  nie einen festen Job und hangelt sich so durch das Leben. Anders sein Cousin Ronald, der ein angesehener Anwalt ist. Um eine Erbschaftsangelegenheit zu regeln, beauftragt Ronald seinen Cousin, die Erben im Westen des Landes ausfindig zu machen. Ronald hält nicht viel von Jermey, der in den Tag hineinlebt. Aber was kann der Träumer bei dem Auftrag schon verkehrt machen? Man fährt mit dem Zug vier Tage ins Land, findet die Erben, richtet die Nachricht aus und kommt zurück. Lächerlich einfach.
Die Reise in das Städtchen Brackwall gestaltet sich relativ einfach aber langweilig. Dort angekommen, treten allerdings die ersten Probleme auf. Die Familie Buckley, die das Erbe antreten soll ist so gut wie ausgelöscht. Die Mutter ist verstorben, der Vater wurde erschossen, ebenso Jules, die Tochter. Und der Sohn Daniel, versteckt sich in den Bergen bei einer Bande.
Jeremy tritt auf den alten Mac, einem Büchernarren wie er selber einer ist, der früher mit der Familie Buckley befreundet war. Mac gibt Jeremy Hinweise auf den Aufenthaltsort von Daniel und stellt dem unbedarften Städter einen Begleiter zur Seite. Paul Morgan ist ein Einzelgänger. Eigenbrötler und Menschenfeind. Doch er scheint ein Geheimnis zu verbergen, das Jermey herausfinden will. Doch wie? Er, der bisher nur in und mit  seinen Büchern gelebt hat, er, der nie Freunde hatte und keine Lebenserfahrung, er soll diesen sturen, unfreundlichen Mann zum Reden bringen?
Je weiter die Reise geht, desto faszinierender wird dieses Buch. Als Jeremy Daniel findet (nein, das ist kein Spoiler, das ist erst der Beginn), denkt man, die Geschichte müsste zu Ende sein. Aber weit gefehlt. Es folgt ein weiterer Handlungsstrang und noch einer. Alles wunderbar miteinander verwoben und heraus kommt eine Geschichte, die dem Lesenden richtig ans Herz wächst.
Ich könnte das ganze Buch zitieren, so wunderbare Sätze finden sich darin. Vor allem der alte und weise Mac gibt Jermey immer wieder gute Ratschläge.  

Zitat Seite 67 nach einem Versuch Jermeys, ein Gespräch zu beginnen:
 „Ich gebe mir redlich Mühe damit!, erwiderte ich, in dem Versuch, die Stimmung aufzulockern. „Man tut was man kann.“
„Anfängerfehler. Ein Fachmann kann, was er tut.!

So würgt Morgan jeden Versuch einer Unterhaltung ab und wiest Jermey stets in seine Schranken

Und Seite 75 ein Konter von Morgan, der vielleicht eigenbrötlerisch aber nicht dumm ist:

„Sie wollen keinen Menschen um sich, weil sie sich dann damit auseinandersetzen müssen. Und mit sich selbst. Sie lassen niemanden an sich heran, weil Sie fürchten, was dabei herauskommt. Sie spielen nicht mit, das ist eine Strategie aber kein Standpunkt. Leben heißt Entscheidungen zu treffen. Zu wissen, wer man ist und zuzulassen, dass andere es herausfinden. Sie sind zufrieden mit sich, aber ohne Begriff davon, was Glück eigentlich bedeutet.

Seite 80 auf die Frage Morgans, warum Jeremy Bücher mag:

„Niemals ohne Buch,“ murmelte Morgan. Sie wären eher ohne Proviant losgeritten als ohne was zum Lesen, stimmts?“
„Was für eine Frage, ich wäre lieber ohne Hose aufgebrochen als ohne Buch.“ Bücher sind für mich wie Freunde, eine Schatztruhe voller Glücksmomente, so wie die beruhigende Versicherung, dass ich mich niemals verloren  oder einsam fühlen musste.“
 
Und er erzählt Morgen die Geschichte der drei Musketiere.
Ich habe mir die Szene wirklich bildlich vorgestellt. Die Geschichte fängt sehr ruhig an und auch die Reise von Morgan und Jeremy verläuft ohne groß Komplikationen. Vier Tage auf einem Pferd durch die Wildnis, da muss es doch klappen, dass sich Morgan endlich etwas öffnet. Es ist faszinierend zu lesen, wie zwei Männer, die stets für sich waren, sich langsam etwas annähern. Es geht unter die Haut, denn es werden Themen angesprochen, die und auch heute beschäftigen. Vielleicht noch mehr als 1891. Denn im Zeitalter von Internet, TikTok und Co ist es schwer, echte Freunde zu finden. Mobbing in der Schule, am Arbeitsplatz, ungezügelte Gewalt auf den Straßen, wo niemand mehr sicher ist. Echte Freundschaft entsteht durch offenen und ehrlichen Gedankenaustausch, man öffnet seine Seele. Heute ist das kaum noch möglich aber damals konnte eine Unterhaltung noch ungeahnte Türen öffnen.  Und noch ein Zitat:
 
Seite 83:
Märchen hören auf, wenn es am schönsten ist. Aber was kommt danach?“
„Märchen haben kein danach deshalb können sie gut ausgehen.“
„Eben. Also müssten sie im richtigen Leben sterben, wenn sie am glücklichsten sind.

Morgans frustrierende und deprimierende Antworten und Einsichten fordern Jeremy heraus, dem sturen Bock die Schönheit der Bücher näherzubringen. Er weiß, dass Morgan ein zutiefst unglücklicher Mensch ist und versucht, die Ursache für diese tiefe Verzweiflung und Traurigkeit zu finden. Aber wie soll er das schaffen? Ein Mann, der selbst nie wirklich gelebt hat und sein Leben mit und in Büchern verbracht hat? 

 Seite 216

„Hass schadet dem am meisten, der ihn empfindet. Wie ein Schuss, der nach hinten losgeht.“

Ein wahrer Satz, der ebenfalls heute noch aktuell ist. Während der Hass damals noch gerade heraus war, findet er heute im Internet statt. Man ist anonym und schreibt Dinge, die man im realen Leben nicht sagen würde. Hetzkampagnen, Ausländer feindliche Parolen, Hetze gegen alle, die anders sind. Damals sah man seinem Feind ins Angesicht und besiegt ihn auch so. Heute sind es eingebildete Feinde, Menschen, die man nicht kennt aber verurteilt.

 Und ein letztes Zitat von Seite 320:

„Bücher sind wie Freunde. Sie begleiten uns durch das Leben, stehen mir Rat zur Seite, oder sie bringen uns auf neue Ideen. Und umgekehrt sind Freunde wie Bücher. Es geht nicht darum, so viele wie möglich zu haben, sondern die richtigen. Was in ihnen steckt, zählt. Dann kann ein gutes Buch mehr wert sein als eine ganze Bibliothek. Und ein guter Freund auch.“

Ich könnte das ganze Buch zitieren. Ich habe auf Lovelybooks nach der Autorin geschaut und ihr Profil dort sagt wirklich alles aus. Eine Frau, die niemals ohne Buch aus dem Haus geht. Welcher Büchernarr kennt das nicht? Mir ist als erstes der Flyer aufgefallen, weil ich das Cover sehr snsprechend finde. Zwei Reiter, voneinander getrennt und eine absolut tolle Farbkombination, die die Weite der Landschaft widergibt. Sprachlich gibt es nichts zu meckern, Manche Sätze wirken charmant, da sie Wörter enthalten, die wir im deutschen nicht so benutzen.

 

Fazit:
Für mich ist dieses Buch ein Highlight 2025. Ich hatte einen Flyer auf der LBM dazu gesehen und da ich gerne Western lese, habe ich es bestellt. Aber dieses Buch ist soviel mehr. Eine Ode an Bücher, an Liebe, Freundschaft und Vertrauen. Ich habe es von der ersten bis zur vorletzten Seite geliebt. Wer Longmire mag oder die Bücher von Tony Hillerman, sollte auf jeden Fall zugreifen. 
 
Titel: Solitario
Autorin: K.H. Lawaty
Verlag: über die Bücherschmiede Wien, TB, 437 Seiten
ISBN: 9783991390121

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