13 März 2021

Die Gentlemen vom Sebastian Club von Sophie Oliver

Der Sebastian Club in London ist ein sehr vornehmer Herrenclub, zu dem nur sorgfältig ausgesuchte Mitglieder Zutritt haben. Lord Philip Dabinott, begehrter Junggeselle aus angesehener Familie, führt seinen Neffen Freddie Westbrook in dieses vornehme Etablissement ein, das nur eine Fassade für eine sehr außergewöhnliche Detektei ist. Niemand ahnt, dass auch »Neffe Freddie« lediglich eine Fassade ist und sich dahinter die junge Frederique verbirgt, die Nichte des Lords. 
Jung zur Waise geworden und aufgewachsen und Hongkong, fühlt sich die junge Frau durch die strengen Konventionen in London stark eingeschränkt. Früher rannte sie mit ihrem Freund Zhen durch die Straßen der großen Metropole, frei und ungebunden, in London kann sie als junge Frau kaum einen Schritt ohne Begleitung unternehmen. 
Ihr Onkel Philipp, kaum zehn Jahre älter als sie, erkennt das Potenzial seiner Nichte, die über eine rasche Auffassungsgabe und logisches Denken verfügt und kommt auf die Idee mit der Maskerade. 
Zum Glück für den Sebastian Club, wie sich zeigt, denn einer neuer Fall verlangt ihre Aufmerksamkeit, bei denen die Opfer durch mittelalterliche Foltermethoden zu Tode kommen. 
 
Kommentar: 
Ein Londoner Herrenclub - eigentlich sakrosankt. Keine Frau darf im viktorianischen London diesen geheimnisvollen Rückzugsort der Männer betreten. Es ist daher nicht erstaunlich, dass dieses Tabu durch eine Autorin gebrochen wird. Sophie Oliver wagt das undenkbare und lässt eine junge Frau, verkleidet als Mann, Mitglied dieses Clubs werden. Und das mit Wissen ihres Vormundes und Onkels. Das zeigt, wie unkonventionell die beiden Verwandten miteinander umgehen. Lord Philipp beugt sich nach außen hin den Anforderungen der Gesellschaft, ebenso, wie die anderen Mitglieder des Clubs. Doch Verbrechen aufklären, an den Scotland Yard scheitert oder denen die Polizei zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, ist die Leidenschaft der Männer. 
Neben Lord Philipp und Freddie gehören noch Professor Brown, ein emeritierter Professor der Anthropologie, Doktor Wallace Pebsworth und Crispin Fox dazu, ein junger, aufstrebender Anwalt. 
Als die Mordserie beginnt, behandelt sie Scotland Yard als einzelne Fälle, ohne einen Zusammenhang zu sehen. Die Opfer entstammten unterschiedlichen Milieus und wohnten in verschiedenen Bezirken der Stadt. Sie untersuchen den Fall lediglich, weil eines der Opfer zur gehobenen Gesellschaftsschicht gehörte. Die Mitglieder des Sebastian Clubs erkennen aber durchaus einen Zusammenhang, denn die Opfer wurden zuerst gefoltert und erst anschließend getötet. Der Mörder scheint etwas zu suchen, doch was können die Opfer, die so unterschiedliche Lebenswege hinter sich haben, gemeinsam haben? Schnell stellt sich heraus, dass Freddie ein besonderes Talent dafür hat, Zeugen zu befragen. Ihr Einfühlungsvermögen ist wesentlich ausgeprägter als das der Männer und auch ihre weibliche Intuition hilft ihr bei den Nachforschungen. 
Aufgelockert wird dieser doch sehr bedrückende Kriminalfall immer wieder durch die wechselnden Szenarien, in denen Freddie aus ihrer Verkleidung schlüpfen muss, um ihren gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen. Ihre Freundin Mabel ahnt nichts von dem Doppelleben Freddies, sie hat nur Augen für Lord Philipp, den sie zu umgarnen hofft. Die Autorin beschreibt hier das London des ausgehenden 19. Jahrhunderts sehr detailliert, sowohl die noble, als auch die arme Seite. Sie hat sehr gut recherchiert und ihre Schilderungen klingen glaubhaft. 
Kompliziert wird es, als Crispin Fox die junge Frau eines Tages in natura sieht und eine frappierende Ähnlichkeit zwischen Freddie Westbrook und Frederique feststellt. Also wird ein Zwillingsbruder erfunden. 
Der Krimi ist leicht und locker zu lesen, teilweise habe ich mich sehr amüsiert. Immer, wenn das Verbrechen einem zu Nahe geht, lockert eine amüsante Nebenhandlung das Ganze wieder auf. 
Die Charaktere sind gut beschrieben und glaubhaft. Aus unserer heutigen Sicht ist es unvorstellbar, dass eine Frau damals nicht die Freiheit hatte, nach ihren Vorstellungen zu leben und glücklich zu werden. Der Kniff, den die Autorin anwendet, um Frederique einige Freiheiten zu gewähren, ist sicherlich nicht neu aber sehr amüsant. 
Das Buch stammt aus dem Dryas Verlag, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, wunderschön gestaltete viktorianische Krimis zu veröffentlichen. Und es sind erfreulicherweise viele AutorInnen in diesem Programm vertreten. Die Cover sehen aus wie aus einem Guss und der Schnitt ist farblich. Hier in einem dunklen grün. Ein richtiger »eyecatcher«. Mittlerweile habe ich sechs viktorianische Krimis aus diesen Verlag und sie alle sind lesenswert und spannend.
 
Fazit: 
Wer viktorianische Krimis mag, dem kann ich diesen leichten, lockeren, amüsanten aber durchaus auch spannenden Roman durchaus empfehlen. Very British.
 
Titel: Die Gentlemen vom Sebastian Club 
Autor: Sophie Oliver 
Verlag: Dryas Verlag, TB, 278 Seiten 
ISBN: 9783940855756

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