Der Sebastian Club in London ist ein sehr vornehmer Herrenclub, zu dem nur sorgfältig ausgesuchte Mitglieder Zutritt haben. Lord Philip Dabinott, begehrter Junggeselle aus angesehener Familie, führt seinen Neffen Freddie Westbrook in dieses vornehme Etablissement ein, das nur eine Fassade für eine sehr außergewöhnliche Detektei ist. Niemand ahnt, dass auch »Neffe Freddie« lediglich eine Fassade ist und sich dahinter die junge Frederique verbirgt, die Nichte des Lords.
Jung zur Waise geworden und aufgewachsen
und Hongkong, fühlt sich die junge Frau durch die strengen Konventionen in
London stark eingeschränkt. Früher rannte sie mit ihrem Freund Zhen durch die
Straßen der großen Metropole, frei und ungebunden, in London kann sie als junge
Frau kaum einen Schritt ohne Begleitung unternehmen.
Ihr Onkel Philipp, kaum zehn Jahre älter
als sie, erkennt das Potenzial seiner Nichte, die über eine rasche
Auffassungsgabe und logisches Denken verfügt und kommt auf die Idee mit der
Maskerade.
Zum Glück für den Sebastian Club, wie
sich zeigt, denn einer neuer Fall verlangt ihre Aufmerksamkeit, bei denen die
Opfer durch mittelalterliche Foltermethoden zu Tode kommen.
Kommentar:
Ein Londoner Herrenclub - eigentlich sakrosankt.
Keine Frau darf im viktorianischen London diesen geheimnisvollen Rückzugsort
der Männer betreten. Es ist daher nicht erstaunlich, dass dieses Tabu durch
eine Autorin gebrochen wird. Sophie Oliver wagt das undenkbare und lässt eine
junge Frau, verkleidet als Mann, Mitglied dieses Clubs werden. Und das mit
Wissen ihres Vormundes und Onkels. Das zeigt, wie unkonventionell die beiden Verwandten
miteinander umgehen. Lord Philipp beugt sich nach außen hin den Anforderungen
der Gesellschaft, ebenso, wie die anderen Mitglieder des Clubs. Doch Verbrechen
aufklären, an den Scotland Yard scheitert oder denen die Polizei zu wenig
Aufmerksamkeit schenkt, ist die Leidenschaft der Männer.
Neben Lord Philipp und Freddie gehören
noch Professor Brown, ein emeritierter Professor der Anthropologie, Doktor
Wallace Pebsworth und Crispin Fox dazu, ein junger, aufstrebender Anwalt.
Als die Mordserie beginnt, behandelt sie
Scotland Yard als einzelne Fälle, ohne einen Zusammenhang zu sehen. Die Opfer entstammten
unterschiedlichen Milieus und wohnten in verschiedenen Bezirken der Stadt. Sie
untersuchen den Fall lediglich, weil eines der Opfer zur gehobenen
Gesellschaftsschicht gehörte. Die Mitglieder des Sebastian Clubs erkennen aber
durchaus einen Zusammenhang, denn die Opfer wurden zuerst gefoltert und erst
anschließend getötet. Der Mörder scheint etwas zu suchen, doch was können die
Opfer, die so unterschiedliche Lebenswege hinter sich haben, gemeinsam haben? Schnell
stellt sich heraus, dass Freddie ein besonderes Talent dafür hat, Zeugen zu
befragen. Ihr Einfühlungsvermögen ist wesentlich ausgeprägter als das der
Männer und auch ihre weibliche Intuition hilft ihr bei den Nachforschungen.
Aufgelockert wird dieser doch sehr
bedrückende Kriminalfall immer wieder durch die wechselnden Szenarien, in denen
Freddie aus ihrer Verkleidung schlüpfen muss, um ihren gesellschaftlichen
Pflichten nachzukommen. Ihre Freundin Mabel ahnt nichts von dem Doppelleben
Freddies, sie hat nur Augen für Lord Philipp, den sie zu umgarnen hofft. Die
Autorin beschreibt hier das London des ausgehenden 19. Jahrhunderts sehr detailliert,
sowohl die noble, als auch die arme Seite. Sie hat sehr gut recherchiert und
ihre Schilderungen klingen glaubhaft.
Kompliziert wird es, als Crispin Fox die
junge Frau eines Tages in natura sieht und eine frappierende Ähnlichkeit
zwischen Freddie Westbrook und Frederique feststellt. Also wird ein
Zwillingsbruder erfunden.
Der Krimi ist leicht und locker zu
lesen, teilweise habe ich mich sehr amüsiert. Immer, wenn das Verbrechen einem
zu Nahe geht, lockert eine amüsante Nebenhandlung das Ganze wieder auf.
Die Charaktere sind gut beschrieben und
glaubhaft. Aus unserer heutigen Sicht ist es unvorstellbar, dass eine Frau
damals nicht die Freiheit hatte, nach ihren Vorstellungen zu leben und
glücklich zu werden. Der Kniff, den die Autorin anwendet, um Frederique einige
Freiheiten zu gewähren, ist sicherlich nicht neu aber sehr amüsant.
Das Buch stammt aus dem Dryas Verlag,
der es sich zur Aufgabe gemacht hat, wunderschön gestaltete viktorianische
Krimis zu veröffentlichen. Und es sind erfreulicherweise viele AutorInnen in
diesem Programm vertreten. Die Cover sehen aus wie aus einem Guss und der
Schnitt ist farblich. Hier in einem dunklen grün. Ein richtiger »eyecatcher«.
Mittlerweile habe ich sechs viktorianische Krimis aus diesen Verlag und sie
alle sind lesenswert und spannend.
Fazit:
Wer viktorianische Krimis mag, dem kann
ich diesen leichten, lockeren, amüsanten aber durchaus auch spannenden Roman
durchaus empfehlen. Very British.
Titel: Die Gentlemen vom Sebastian Club
Autor: Sophie Oliver
Verlag:
Dryas Verlag, TB, 278 Seiten
ISBN: 9783940855756
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