11 April 2025

Ein geschwind listig wib von Dorothe Zürcher

Agnes von Habsburg ist die Tochter von Herzog Albrecht und Elisabeth von Görz und Tirol. Sie sieht, wie ihre Eltern sich die Aufgabe des Regierens teilen und als sie mit dem König von Ungarn verheiratet wird, geht sie davon aus, dass auch sie an der Herrschaft teilhaben wird. Das sieht Andreas jedoch anders. Für ihn besteht die Aufgabe seiner neuen Frau darin, ihm einen Erben zu gebären. Doch Agnes ist findig und schafft es immer wieder, in kleinen mühsamen Schritten, Veränderungen in Ungarn herbeizuführen. Sie wurde zu einer Königin erzogen und ist bereit, ihr Wissen und ihre Bildung zum Wohle Ungarns einzubringen, entgegen den Wünschen ihres Gatten und der Oligarchen.

Kommentar:
Ich habe bisher alle Bücher von Dorothe Zürcher gelesen. Viele befassen sich mit starken, durchsetzungsfähigen Frauen, die ihrem Weg folgen. Frauen, die  Pläne oder Visionen haben und sich davon nicht abbringen lassen. Frauen, die in einer Welt leben, die von Männern dominiert wird, in der Männer herrschen und Entscheidungen treffen. Umso beeindruckender und prägender sind die Frauen, die es geschafft haben, sich über  gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen und einen Platz in der Geschichte zu finden.
Agnes wird 1280 geboren und stirbt 1364. In ihrem Leben hat sie viele Frauenklöster gegründet oder ihre Gründung ermöglicht. Sie ist stets dafür eingetreten, dass Frauen ihre eigenen Klöster führen, unabhängig von denen der Männern. Durch kluges Wirtschaften gelang es ihr, stets Gelder für diese Pläne abzuzweigen und so den Frauen einen sicheren Hort zu geben. Agnes von Ungarn besaß die landesherrschaftlichen Rechte und war somit finanziell unabhängig und sie stiftete vieles aus ihrem Besitz den Klöstern.
Als ihr Mann, König Andreas, unerwartet stirbt, flieht Agnes mit ihrer Stieftochter Elisabeth aus Ungarn und geht zurück nach Wien. Ihr Ziel ist es, ihre Stieftochter zur Königin von Ungarn zu machen. Während sie am Hofe weilt, steht sie ihrem Bruder Albrecht zur Seite und reist für ihn durch die Lande um Bündnisse zu schließen oder Frieden zu stiften. Auch hier geht sie nicht den üblichen Weg einer Witwe der da wäre: entweder erneut zu heiraten oder in ein Kloster einzutreten.
Das Buch ist eine Romanbiografie und daher auch für Laien wie mich sehr leicht zu lesen. Aus der heutigen Sicht heraus ist es bedrückend zu lesen, wie eingeengt die Frauen im 13. Jahrhundert lebten. Sie wurden zu Frömmigkeit und Gehorsam erzogen. Wurden aus politischen Gründen verheiratet und ihre Aufgabe war es, Erben zu zeugen. Gelang dies nicht, wurden sie oft verstoßen oder in ein Kloster gesteckt.
Hier wird oft beschrieben, wie Agnes vor dem Hausaltar betet, dass sie ihr Hab und Gut der Kirche spenden möchte, für das Seelenheil ihres Gatten und ihrer Familie. Sie gilt als ehr fromme Frau, nichtsdestotrotz hat sie einen eigenen Willen, eigene Wünsche und Ziele und versucht, diese umzusetzen. In Katarina von Dissenhofen hat sie eine Wegbegleiterin, die ihr zur Seite steht und sie in den finanziellen Fragen unterstützt. Katarina bleibt mit Agnes in Ungarn, während die meisten aus Agnes Hofstaat zurück nach Wien geschickt werden. Andreas verlangt von Agnes, einen ungarischen Hof zu führen, so muss die junge Frau Vertraute finden und ruft die Oligarchen dazu auf, ihre Töchter oder unverheirateten Schwestern an den königlichen Hof zu schicken, um ihr als Hofdamen zu dienen. Sie lehrt sie lesen und schreiben, höfisches Benehmen und Politik. Katharina und Agnes Beichtvater Heinrich führen Agnes Bücher und gehen Veruntreuungen nach. Auch hier ist Fingerspitzengefühl und politisches Geschick gefragt.
Die Ereignisse in Wien und Ungarn werden durch die fiktive Figur des Salzhändlers Lajos verknüpft, der als Salzhändler viel zwischen den beiden Orten hin und her reist und somit leicht Botschaften überbringen kann. Zumal der junge Mann sein Herz an Katharina verloren hat. Allerdings lassen Standesunterschiede keinerlei Beziehungen zwischen Adel und Bürger zu.
Nach stabilitas loci und imSchatten der Krone ist dies meine dritte Romanbiografie der Autorin. Dazu kommen die beiden Byzanz Romane, in denen ebenfalls eine starke Frau eine Rolle spielt und die mit ihren köstlichen Gerichten die Männer verzaubert.
Ich mag die Bücher der Autorin, weil sie perfekt recherchiert sind und man sowohl unterhalten wird als auch einen Einblick in die damalige Zeit bekommt.  Die Geschichte spielt teilweise hier in meinem Umland und einige Städte waren mir durchaus ein Begriff. Viele der Burgen und Klöster sind heute noch erhalten und zu besichtigen, eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich wusste zum Beispiel auch nicht, dass die Habsburger teilweise im Dom zu Speyer begraben sind. Bei meinem nächsten Besuch dort werde ich mir den Dom genauer anschauen.
Am Ende des Buches findet sich ein Personenregister, ein Ortsverzeichnis, eine Zeittafel und eine Liste mit Worterklärungen. Dazu ein Bild der Klosterkirche Königsfelden in der Agnes bestattet wurde. Im vorderen Teil des Buches befindet sich eine Karte der damaligen Zeit, so dass man einen Überblick über die Habsburger Lande bekommt.
Ich bedanke mich bei Dorothe Zürcher, dass ich wieder an einer Reise in die Vergangenheit teilhaben durfte. Ein schön gestaltetes Buch mit einem schönen Cover. Im Anhang erklärt die Autorin, um welches Kirchenfenster es sich handelt.
 
Fazit:
Eine spannende, lehrreiche und unterhaltsame Reise in die Vergangenheit, bei der wir eine Frau kennenlernen, ein geschwind listig wib, die sich ihren Platz in der Geschichte erobert. 

Titel: Ein geschwind listig wib
Autorin: Dorothe Zürcher
Verlag: Südverlag, HC, 300 Seiten plus Anhänge
ISBN: 9783878009870

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Achtung Datenschutz! Mit dem Abschicken des Kommentars nehme ich zur Kenntnis und bin einverstanden, dass meine Daten von Blogspot gespeichert und weiterverarbeitet werden!