Ich beginne
die Rezension mit einem Zitat von Seite eins: » Als Witwe darf ich mich nicht
mehr vermählen«, erklärte Richenza spitz. Ein Kaiser hatte die Witwenheirat
verboten, das wusste sie von ihrer Mutter.
»Ich
handelte mit Graf Arnold aus, dass du keine richtige Witwe bist«, antworte er.
Da du vom Nellenburger keine Frucht getragen hast ist eure vielleicht gar nie
ausgeübt worden«.
So
beginnt die Geschichte der Richenza, die im Alter von 19 Jahren mit Ulrich von
Lenceburg verheiratet wird. Es ist ihre zweite Zwangsheirat und nachdem die
erste sehr unglücklich und brutal verlaufen ist, erhofft sie sich von der
zweiten Ehe keine Besserung. Ulrich von Lenceburg sollte ursprünglich Bischoff
werden, wird aber von seinem Bruder, dem Grafen von Lenceburg, aus dem Kloster geholt und
verheiratet. Ulrich ist um einiges jünger als seine zukünftige Frau aber im 11.
Jahrhundert galt man mit 14 Jahren schon durchaus als Mann.
Nach
einer sehr zögerlichen Annäherung kommen sich die zwei sehr unterschiedlichen
Eheleute näher. Sie gehen respektvoll miteinander um und es keimt sogar
Zuneigung auf. Ulrich von Lenceburg ist ein aufrechter Mann, der König Heinrich
IV. treu zu Seite steht. Und obwohl Richenza keine Gräfin ist, schaltet und
waltet sie auf der Lenzburg bald nach eigenem Gutdünken.
Kommentar:
Dies
ist ein Buch, das nicht in mein übliches Genre passt. Aber ich habe von Dorothe
Zürcher mittlerweile vier Bücher aus sehr
unterschiedlichen Genre gelesen und ihre Art eine Geschichte zu erzählen
fasziniert mich immer wieder.
Das
11. Jahrhundert ist eine Zeit des Umbruchs. Während Kirche und Papst immer mehr
an Einfluss gewinnen, spielt auch der Aberglaube noch eine große Rolle. (Seite
228 …dunkle Wälder, Hort von Kobolden und Geistern...)
Die
Autorin hat wunderbar recherchiert und sich zwei Personen als Charaktere
ausgesucht, die für ihre Zeit sicher außergewöhnlich waren.
Persönliche
Belange und Wünsche spielen in dieser Zeit keine Rolle. Kinder sind politische Werkzeuge,
die gewinnbringend verschachert werden. Egal ob Junge oder Mädchen. Jeder muss
seinen Beitrag leisten, um das Haus zu stärken und der Familie Gewinn zu bringen.
Als
Richenza auf der Lenceburg ankommt, empfindet sie sofort eine heftige Abneigung
gegen den Grafen Arnold, Ulrichs Bruder.
Dieser hat nie geheiratet und er überlässt seiner Schwägerin nach und nach den
Haushalt. Die Burg blüht auf, denn Richenza regiert zwar mit harter Hand aber
auch gerecht. Ulrich versteht die Abneigung zwischen seinem Bruder und seiner
Frau nicht. Bis zum Tode von Arnold bleibt er ahnungslos. Erst als sein
Erstgeborener, ebenfalls Arnold mit Namen, die gleichen Anzeichen wie sein Onkel
zeigt, klärt Richenza ihren Gatten auf. Hier zeigt sich besonders deutlich,
dass, trotz aller religiösen und
politischen Belange, Eltern sehr viel Liebe für ihre Kinder empfinden können
und sich um ihr Wohl sorgen.
Mir hat es besonders gefallen, wie die Autorin
auf die kleinen Alltäglichkeiten eingeht, die man im Schulunterricht nicht erfährt.
Solche Dinge wie, dass man in der Fastenzeit Biber essen darf, weil er im Wasser
lebt und somit zu den Wassertieren wie Fisch gezählt wird.
Auch
die Diskrepanz zwischen Aberglaube und Glaube ist erstaunlich. Richenza geht
zum Kaplan der Burg um ihn zu bitten, den Burgbewohnern die Beichte abzunehmen
und Absolution zu erteilen und während des Gesprächs denkt sie schon darüber
nach, dass sie zur Zauberin gehen muss um Schutzamulette gegen den bösen Blick
zu bestellen.
Die
Geschichte umfasst über 30 Jahre und spiegelt sowohl das gesellschaftliche als auch
das politische Bild der damaligen Zeit wieder. König Heinrich IV. ist uns
hauptsächlich durch den »Gang nach Canossa« bekannt. Während er beim Papst
weilt und Abbitte leistet, wird in der Heimat ein Gegenkönig ernannt und Ulrich
muss sich entscheiden, für welche Seite er sich entscheidet. Niemand weiß, ob
Heinrich Absolution gewährt wird, jede Entscheidung kann die falsche sein. Doch
Ulrich ist ehrlich und treu, er zweifelt keine Sekunde an seiner Entscheidung,
auch wenn er weiß, dass Richenza diese kaum akzeptieren kann.
Dorothe
Zürcher erzählt die Lebensgeschichte der beiden Charaktere sehr eindringlich
und intensiv, ihre Art Sprache vermittelt ein genaues Bild der damaligen Zeit,
man ist als Leser mittendrin. Die Eheleute haben vier gemeinsame Kinder und Ulrich
zeugt noch einen Bastard, der auf der Burg lebt. Eheliche Treu galt damals bei
den Männern wenig, wenn aber eine Ehefrau der Untreue verdächtigte wurde,
konnte man sie verstoßen.
Am
Ende des Buches hat die Autorin noch eine Zeittafel und ein Verzeichnis der
Orte und Personen hinzugefügt, das ichzum Schluß des Romans ebenfalls gelesen
habe. Die Geschichte spielt teilweise hier in meinem Umland und einige Städte
waren mir durchaus ein Begriff. Viele der Burgen und Klöster sind heute noch erhalten
und zu besichtigen, eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich
habe einige der erwähnten Orte nachgeschlagen, weil ich durch die bildhaften
Beschreibungen sehr neugierig wurde, was aus den genannten Burgen und Klöstern
wurde. Also durchaus auch ein lehrreiches Buch.
Fazit:
Ein
faszinierender, sehr gut recherchierter Roman, der zu fesseln weiß. Ich hätte gerne ein
paar Seiten mehr gelesen, weil zum Ende hin doch einiges zu schnell abgehandelt
wurde. Gerade weil das Buch sehr intensiv und langsam begann, viel mir das als
Leserin zum Ende hin etwas auf. Aber es spricht ja für die Autorin, wenn man
noch mehr von ihr lesen möchte.
Ich bedanke
mich für das Rezensionsexemplar und freue mich auf weitere Bücher von Dorothe
Zürcher.
Titel:
Im Schatten der Krone – die Grafen von Lenzburg
Autorin:
Dorothe Zürcher
Verlag:
ILV , TB, 345 Seiten
ISBN:
9783907237342
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