21 Oktober 2018

Zwei Theaterstücke von Martin Schörle


http://www.engelsdorfer-verlag.de/db/shop/details.php?autor_id=2103&werk_id=4509&suchart=kategorie&k_nr=K03
Das Buch von Martin Schörle umfasst zwei Theaterstücke:
"Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" und "Einladung zum Klassentreffen".
Hans Fredenbek ist das personifizierte Beamtentum. Er ist kleinlich, penibel, überaus korrekt, fast schon pedantisch. Er hält dem Leser/Publikum einen scheinbar endlosen Vortrag und kommt dabei von Hölzchen auf Stöckchen. Als Leser ( und sicher aus als Zuschauer) bekommt man das Gefühl, dass er ohne Punkt und Komma redet. Nachdem er über vier Seiten einen Monolog  über das Radiergummi gehalten hat, kann man diesem Mann die Liebe zu seinem Beruf nicht mehr absprechen.
Die Bandbreite der angeschnittenen Themen ist vielfältig. Manche Dinge, die dieser Beamte anspricht, sind durchaus bedenkenswert. Auch wenn man stellenweise schallend lacht, liegt dem Ganzen ein gewisse Tragik zu Grunde. Wenn er über das Auswahlverfahren für Bewerber des mittleren Dienstes referiert  und deren Allgemeinwissen bemängelt.  


 " Was ist Expressionismus?"  "Herstellung von Kaffee mit hohen Koffeingehalt"
Oder auch, wenn er bei bestimmten Aktenzeichen erhebliche Mängel und Defizite aufdeckt.
§6 Absatz 1: Ab einer Wassertiefe von mehr als einem Meter setzen volljährige Erwachsene mit Schwimmbewegungen ein. Ich sage Ihnen was: Die Formulierung "volljährige Erwachsene" ist dilettantisch. Tautologie. Das eine bedingt das andere.  In der Sache selbst wird man den Liliputanern nicht gerecht.  Wenn die sich bestimmungsgemäß veralten, überleben sie nicht."
Man mag über Hans Fredenbek denken, was man will, er sieht auf den Grund der Dinge.
Das erste Theaterstück spricht meines Erachtens eher ein älteres Publikum an. Die Auswahl der Musik und die Beispiele aus Film und Fernsehen ( Inge Meysel, das Boot, Harry, hol' den Wagen, Klaus Kinski, Rocks, ELP)  sind alle älteren Datums. Ich wollte noch Seite 37 zitieren aber das würde den Rahmen der Rezension sprengen. Die Passage ist verstörend, beeindruckend, faszinierend und ermöglicht eine völlig neue Sicht auf das Wesen der Frau. Obwohl das Stück nur aus knapp 52 besteht, beinhaltet es eine Tiefe und einen Umfang, der beeindruckt. Die Sprache ist  intellektuell, die Sätze  sind teilweise sehr verschachtelt und ich habe einige Seiten gebraucht, um mit Herrn Fredenbek warm zu werden. ich kann nur jedem raten, nicht nach den ersten Seiten aufzugeben, denn nur dann erfährt der Leser/Zuschauer, was der Eintrag SHz im Wandkalender bedeutet
Im zweiten Theaterstück sind die Protagonisten zwar auch schon 40, doch es wirkt lebendiger, jünger, frischer, an ein modernes, zeitgemäßes Publikum gerichtet.
Das zweite Stück scheint etwas länger, doch das täuscht. Es handelt sich um einen Dialog zwischen Carsten und Marina. Sie haben zusammen Abitur gemacht, sich danach aber aus den Augen verloren. Da die Abiturfeier nun 20 Jahre zurück liegt, ist ein Klassentreffen geplant.
Das Gespräch beginnt harmlos, ein Geplänkel zwischen alten Bekannten, die lange nicht miteinander geredet haben. Man lästert über ehemalige Klassenkameraden und lacht zusammen. Doch bald dreht sich um persönliche Dinge, über das gelebte Leben, über die Erfahrungen, die man gesammelt hat. Was man erreicht hat und an welchem Punkt man nun ist. Über verpasste Chancen, über vergessene Träume, über gescheiterte Pläne und über die Liebe.
Während die erste Geschichte den Leser/Zuschauer zum Lachen und Kopf schütteln bringt, beginnen wir hier, über unser eigenes Leben nachzudenken. Man identifiziert sich mit Carsten und Marina, durchaus auch mit Holger und zieht ein Resümee über sein eigenes Leben.  Nicht nur wir sind gebannt, auch de Mitreisenden bei Marina im Zug möchten wissen, wie die Geschichte endet.
Fazit:
Das Buch wirkt teilweise wie das Programmheft eines Theaterstücks. Das Szenario, das Bühnenbild wird beschrieben und die Protagonisten werden kurz vorgestellt. Martin Schörle bedient sich einer lebhaften aber auch bildhaften Sprache, welche die visuelle Vorstellungskraft anregt.  Ich las nicht nur ein Buch, nein ich "sah" auch die Bühne und das Publikum, war teilweise in der Handlung gefangen. Mehr kann ein Autor sicher nicht erwarten.
Für mich ein neuartiges Lesevergnügen und sollte eines der beiden Stücke tatsächlich aufgeführt werden, bin ich sicher dabei.Ein Danke geht an den Autor, der mir dieses Buch zur Verfügung gestellt hat.
Titel: Zwei Theaterstücke
Verlag: Engelsdorfer, TB, 119 Seiten
ISBN: 9783960084082

3 Kommentare:

  1. einen wundervollen guten Abend:)
    Ich durfte auch das Buch schon lesen und bin genauso begeistert gewesen wie Du.
    Eine ganz neue Art des Schreibens- welches mich sichtlich mitgerissen hat.
    Der Autor selbst ist auch super sympathisch, er müsste eigentlich mit dem Buch noch bekannter werden:)
    Liebe Grüße
    Andrea ♥

    AntwortenLöschen
  2. Danke für den netten Kommentar. Mein Lebensgefährte ist Beamter und er nimmt das Buch heute mit ins Büro :)

    AntwortenLöschen
  3. @ Andrea: Auch ich bedanke mich! Stimmt, gemessen an der Qualität des Buches bin ich echt viel zu unbekannt! Und "super sympathisch" stimmt auch ... :-D
    @ Petra: Hoffentlich hat das für deinen Freund keine dienstrechtlichen Konsequenzen ;-)

    AntwortenLöschen

Achtung Datenschutz! Mit dem Abschicken des Kommentars nehme ich zur Kenntnis und bin einverstanden, dass meine Daten von Blogspot gespeichert und weiterverarbeitet werden!