Das Buch von Martin Schörle umfasst zwei
Theaterstücke:
"Nichtalltägliches aus dem Leben eines
Beamten" und "Einladung zum Klassentreffen".
Hans Fredenbek ist das personifizierte Beamtentum.
Er ist kleinlich, penibel, überaus korrekt, fast schon pedantisch. Er hält dem
Leser/Publikum einen scheinbar endlosen Vortrag und kommt dabei von Hölzchen
auf Stöckchen. Als Leser ( und sicher aus als Zuschauer) bekommt man das Gefühl,
dass er ohne Punkt und Komma redet. Nachdem er über vier Seiten einen Monolog über das Radiergummi gehalten hat, kann man
diesem Mann die Liebe zu seinem Beruf nicht mehr absprechen.
Die Bandbreite der angeschnittenen
Themen ist vielfältig. Manche Dinge, die dieser Beamte anspricht, sind durchaus
bedenkenswert. Auch wenn man stellenweise schallend lacht, liegt dem Ganzen ein
gewisse Tragik zu Grunde. Wenn er über das Auswahlverfahren für Bewerber des
mittleren Dienstes referiert und deren
Allgemeinwissen bemängelt.
"
Was ist Expressionismus?" "Herstellung
von Kaffee mit hohen Koffeingehalt"
Oder auch, wenn er bei bestimmten
Aktenzeichen erhebliche Mängel und Defizite aufdeckt.
§6 Absatz 1: Ab einer Wassertiefe von
mehr als einem Meter setzen volljährige Erwachsene mit Schwimmbewegungen ein.
Ich sage Ihnen was: Die Formulierung "volljährige Erwachsene" ist
dilettantisch. Tautologie. Das eine bedingt das andere. In der Sache selbst wird man den Liliputanern
nicht gerecht. Wenn die sich
bestimmungsgemäß veralten, überleben sie nicht."
Man mag über Hans Fredenbek denken, was
man will, er sieht auf den Grund der Dinge.
Das erste Theaterstück spricht meines
Erachtens eher ein älteres Publikum an. Die Auswahl der Musik und die Beispiele
aus Film und Fernsehen ( Inge Meysel, das Boot, Harry, hol' den Wagen, Klaus
Kinski, Rocks, ELP) sind alle älteren
Datums. Ich wollte noch Seite 37 zitieren aber das würde den Rahmen der
Rezension sprengen. Die Passage ist verstörend, beeindruckend, faszinierend und
ermöglicht eine völlig neue Sicht auf das Wesen der Frau. Obwohl das Stück nur
aus knapp 52 besteht, beinhaltet es eine Tiefe und einen Umfang, der
beeindruckt. Die Sprache ist intellektuell,
die Sätze sind teilweise sehr
verschachtelt und ich habe einige Seiten gebraucht, um mit Herrn Fredenbek warm
zu werden. ich kann nur jedem raten, nicht nach den ersten Seiten aufzugeben,
denn nur dann erfährt der Leser/Zuschauer, was der Eintrag SHz im Wandkalender
bedeutet
Im zweiten Theaterstück sind die
Protagonisten zwar auch schon 40, doch es wirkt lebendiger, jünger, frischer,
an ein modernes, zeitgemäßes Publikum gerichtet.
Das zweite Stück scheint etwas länger,
doch das täuscht. Es handelt sich um einen Dialog zwischen Carsten und Marina. Sie
haben zusammen Abitur gemacht, sich danach aber aus den Augen verloren. Da die
Abiturfeier nun 20 Jahre zurück liegt, ist ein Klassentreffen geplant.
Das Gespräch beginnt harmlos, ein
Geplänkel zwischen alten Bekannten, die lange nicht miteinander geredet haben.
Man lästert über ehemalige Klassenkameraden und lacht zusammen. Doch bald dreht
sich um persönliche Dinge, über das gelebte Leben, über die Erfahrungen, die
man gesammelt hat. Was man erreicht hat und an welchem Punkt man nun ist. Über
verpasste Chancen, über vergessene Träume, über gescheiterte Pläne und über die
Liebe.
Während die erste Geschichte den Leser/Zuschauer
zum Lachen und Kopf schütteln bringt, beginnen wir hier, über unser eigenes
Leben nachzudenken. Man identifiziert sich mit Carsten und Marina, durchaus
auch mit Holger und zieht ein Resümee über sein eigenes Leben. Nicht nur wir sind gebannt, auch de Mitreisenden
bei Marina im Zug möchten wissen, wie die Geschichte endet.
Fazit:
Das Buch wirkt teilweise wie das
Programmheft eines Theaterstücks. Das Szenario, das Bühnenbild wird beschrieben
und die Protagonisten werden kurz vorgestellt. Martin Schörle bedient sich
einer lebhaften aber auch bildhaften Sprache, welche die visuelle
Vorstellungskraft anregt. Ich las nicht
nur ein Buch, nein ich "sah" auch die Bühne und das Publikum, war teilweise
in der Handlung gefangen. Mehr kann ein Autor sicher nicht erwarten.
Für mich ein neuartiges Lesevergnügen
und sollte eines der beiden Stücke tatsächlich aufgeführt werden, bin ich
sicher dabei.Ein Danke geht an den Autor, der mir dieses Buch zur Verfügung gestellt hat.
Titel: Zwei Theaterstücke
Autor: Martin Schörle
Verlag: Engelsdorfer, TB, 119 Seiten
ISBN: 9783960084082
einen wundervollen guten Abend:)
AntwortenLöschenIch durfte auch das Buch schon lesen und bin genauso begeistert gewesen wie Du.
Eine ganz neue Art des Schreibens- welches mich sichtlich mitgerissen hat.
Der Autor selbst ist auch super sympathisch, er müsste eigentlich mit dem Buch noch bekannter werden:)
Liebe Grüße
Andrea ♥
Danke für den netten Kommentar. Mein Lebensgefährte ist Beamter und er nimmt das Buch heute mit ins Büro :)
AntwortenLöschen@ Andrea: Auch ich bedanke mich! Stimmt, gemessen an der Qualität des Buches bin ich echt viel zu unbekannt! Und "super sympathisch" stimmt auch ... :-D
AntwortenLöschen@ Petra: Hoffentlich hat das für deinen Freund keine dienstrechtlichen Konsequenzen ;-)