Hans-Peter Grießau führt eine kleine
Kanzlei im Norden Deutschlands und arbeitet als Anwalt und Notar am
Oberlandesgericht seiner Heimatstadt. Er ist ein gemütlicher Norddeutscher, wie
er im Buche steht. Verheiratet mit seiner Frau Sabine, keine Kinder, dafür
einen Hund, der dafür sorgt, dass er als Büromensch etwas Bewegung bekommt. Am
12. August 2014 ändert sich sein beschauliches Leben auf drastische Weise als
Harm Meesters sein Büro betritt. Er ist in Begleitung eines jungen Mannes und
sie möchten den Kauf eines Grundstückes bei dem Notar abwickeln. Es handelt
sich um ein Sumpfgebiet außerhalb der Stadt und die horrende Summe, die für die
Transaktion über den Tisch wandert, schockiert den Notar etwas. Nicht nur der
Kauf des Grundstücks, auch Herrn Meesters Verhalten wirkt auf Hans-Peter
Grießau etwas befremdlich, scheinen sie sich doch zu kennen, ohne dass er sich an
eine Begegnung mit dem charismatischen Mann erinnern kann. Als Meesters
erklärt, dass er aus der Zukunft kommt und Grießau als Temporalanwalt
verpflichten möchte, ist dessen Erstaunen unermesslich.
Mehr möchte ich zu dem Inhalt nicht
schreiben. Das Buch ist mit 185 sehr dünn, die Geschichte beginnt langsam,
steigert sich aber schnell, ohne überflüssige Abweichungen.
Nachdem ich dieses Buch beendet
hatte, war ich von dem Thema Zeitreisen gefangen und habe anschließend die
Chroniken der Zeitpatrouille von Poul Anderson gelesen. Beide Bücher befassen
sich mit dem Thema, was passiert, wenn der Mensch an entscheidenden Punkten in
die Geschichte eingreift und die Vergangenheit ändert.
Wenn man zu einem Science Fiction
Buch greift, erwartet der Leser außergewöhnliche Welten, bevölkert von fremden
Spezies, große Raumschiffe und Raumschlachten und vieles mehr. Nichts davon
findet sich in diesem Roman. Die Geschichte spielt im Norden Deutschlands und
könnte so jedem von uns genauso passieren. In einfachen, klaren, verständlichen
Worten, ohne Technogebabbel, erzählt der Autor hier eine ruhige Geschichte, die
erst nach und nach ihre Tiefe entfaltet. Seine harmlosen Worte, die Idylle der
Landschaft und das beschauliche Szenario lullen uns ein und wir Leser sind uns
nicht bewusst, wie der Handlungsfaden immer mehr seinem Höhepunkt zustrebt.
Sabine und Hans-Peter, Harm Meesters und auch Josepha wirken wie die
liebenswerten Nachbarn von nebenan. Leise still und heimlich schleicht sich das
Unglaubliche in die Handlung und wie dem Ehepaar, wird auch uns langsam
bewusst, dass nicht alles mit rechten Dingen zugehen kann. Ich empfinde es
als großes Können, derartig subtil und schleichend eine Spannung aufzubauen,
ohne den Roman endlos in die Länge zu ziehen. Die Begriffe, die Herr Boldt
verwendet, um uns das Thema Zeitreisen näher zu bringen, sind sehr
aussagekräftig: Zeitreiseterminal, Zeiteinheimische oder Zeiteingeborene. Die temporale
Aufrisslinien erinnern in ihrer Beschreibungen an die Ley Linien, die in vielen
Romanen Verwendung finden.
Die Geschichte wird begleitet von
stimmungsvollen Bildern von Lothar Bauer, der die norddeutsche, teilweise beklemmende
Stimmung sehr gut eingefangen hat. Ich
finde es schön, wenn sich Autor und Illustrator so gut ergänzen und das Buch
als perfektes Ganzes erscheint. Sehr gut gefallen haben mir auch die
Erklärungen auf Seite 51 zu dem Thema Zeit. Es braucht nicht immer so
bombastische Erklärungen wie in Star Trek um etwas spannend zu beschreiben.
Ich habe mich die letzten Monate auf
neue deutsche, bisher eher unbekannte Autoren beschränkt und finde immer wieder
bisher unentdeckte Perlen darunter. Dieses Buch gehört eindeutig dazu. Wer
allerdings rasante Action erwartet, wird hier enttäuscht sein. Der Focus liegt
auf der Geschichte.
Natürlich kann dieser Roman nicht mit
den ganz großen mithalten, trotzdem gebe ich die volle Punktzahl.
Titel: Der Temporalanwalt
Autor: Ralf Boldt
Umschlag und Illustration: Lothar
Bauer
Verlag: p.machinery
ISBN: 9783957650160
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