Fünf Jahre sind nach den
Ereignissen aus dem Uhrmacher in der Filigree Street vergangen. Nathaniel und
Keita Mori leben zusammen in dessen Haus. Sie haben Zuwachs bekommen, denn die 9-jährige
Six ist bei ihnen eingezogen und Nathaniel hat sie adoptiert. Six kommt aus
einem Arbeiterhaus und hat viel schreckliches erlebt, mal ist sie Kind, dann
wieder altklug und erwachsener als die beiden Männer.
Als die Mitarbeiter der britischen
Botschaft in Tokio streiken, weil sie immer wieder Geister sehen, wird Nathaniel
gebeten, nach Tokio zu reisen und die Angelegenheit zu klären. Er ist der
einzige Mitarbeiter, der japanisch spricht. Da Nathaniel an einer
Lungenkrankheit leidet und ihm das industrielle London schwer zu schaffen
macht, sagt er schweren Herzens zu. Schweren Herzens, denn er hat Keita mehrere
Monate nicht gesehen und hat keine Möglichkeit, ihn zu erreichen und ihn über
die Reise nach Tokio zu informieren.
Doch kurz vor der Abreise steht
Keita vor der Tür, hat schon Schiffspassagen gebucht und er begleitet Nathaniel
und Six nach Japan, da er dort selbst auch dringende Angelegenheiten zu klären hat.
Bevor sich Nathaniel nach
Tokio begibt, verbringen sie einige Tage auf dem Landsitz der Familie Mori. Erst
da wird Nathaniel bewusst, dass Keita zu einer alten und mächtigen Adelsfamilie
gehört. Und ihm wird bewusst, dass Keita Angst hat. Er verändert sich,
schwindet immer mehr und ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Teilweise
scheint er nicht einmal mehr Nathaniel zu erkennen. Die Zukunftsvisionen, die
der Uhrmacher sieht, verwirren ihn, lappen übereinander und er kann das Jetzt nicht
mehr von dem Morgen unterscheiden. Für
Nathaniel eine unerträgliche Situation, denn er scheint in der Zukunft keine
Rolle mehr zu spielen.
Er nimmt Six und reist mir ihr
nach Tokio, um die Angelegenheit der Geister zu klären. Und muss dort erfahren,
dass Keita spurlos verschwunden ist.
Kommentar:
Ich habe Band eins um Keita
und Nathaniel regelrecht verschlungen. Dieser Band ist wesentlich komplexer als
der Uhrmacher aber auch er konnte mich begeistern. Mit Six hat Natasha Pulley
eine Figur geschaffen, die den Lesern sofort an Herz wächst. Sie hat einen Faible
für Maschinen und Elektrizität und versteht mehr über deren Funktion als die
meisten Erwachsenen. Sie ist das Bindeglied zwischen Keita und Nathaniel, die
beide nicht in der Lage sind, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Die Unfähigkeit,
miteinander zu reden und ehrlich zu sein, zieht sich durch das ganze Buch und
führt zu vielen Missverständnissen.
Auf dem Landsitz der Familie Mori
treffen sie auf Premierminister Kuroda und Takiko Pepperharrow, die beide eine
besondere Rolle in Keitas Leben spielen. Takiko ist eine Figur, die mir
ebenfalls sehr gut gefallen hat. Sie ist eine sehr ambivalente Figur, die nie
so recht weiß, ob sie für oder gegen Keita ist. Durch Rückblicke in die
Vergangenheit erfahren wir, sie wie zu dem Japaner steht und was sie verbindet.
Nathaniel ist teilweise eifersüchtig auf die Verbindung der beiden, sie haben
eine gemeinsame Vergangenheit während er noch nicht einmal weiß, ob er und
Keita eine gemeinsame Zukunft haben werden.
Nachdem die beiden Männer und
Six in Japan gelandet sind, teilt sich das Buch in zwei Hälften auf und es wird
schwer zu erkennen, wie alles zusammenhängt. Nathaniel untersucht die
Geistererscheinungen in der Botschaft, arbeitet als Dolmetscher und sieht schon
bald selbst Geister. Er wird in politische Ereignisse hineingezogen, die er
kaum versteht.
Währenddessen ist Keita
spurlos verschwunden und Pepperharrow begibt sich, auf Wunsch von Keita, auf
eine Reise zu einer abgelegenen Gefängnisinsel. Dort kommt es ebenfalls zu
Geistererscheinungen und sehr seltsamen Vorkommnissen.
Ich gebe zu, dass ich einige
Ereignisse zu Beginn etwas verwirrend fand. Letztendlich führt die Autorin jeden
Pfad und jedes Ereignis zu einem wunderbaren Abschluss. Hier geht mein Lob auch
an den Übersetzer Jochen Schwarzer, der diese besondere Geschichte so
übersetzt hat, dass kein Hauch davon verloren ging.
Die Autorin verfügt über eine
sehr intensive und bildhafte Sprache, wir reisen mit den Figuren nach Japan,
erleben die Ereignisse auf dem Stammsitz der Familie Mori mit und begleiten
Nathaniel und auch Takiko auf ihren Reisen. Die Gefühle der beiden sind sehr
verwirrend aber auch eindringlich und intensiv, niemand steht Keita Mori
neutral gegenüber. Man liebt ihn aus tiefstem Herzen, man hasst ihn aber man
respektiert ihn stets. Es schmerzt einen zu lesen, wie sich die Zukünfte
verwirrend auf ihn auswirken und wie er und Nathaniel sich scheinbar immer mehr
entfernen. Wie Keita einmal zu Nathaniel sagt: Ich weiß nie, was ich Dir schon
erzählt habe oder nicht. Und so verschließt er sich immer mehr seinem Freund
gegenüber. Er sieht Gefahren, in die er weder Takiko noch Nathaniel
hineinziehen möchte.
Die Autorin nimmt sich viel Zeit
für ihre Geschichte, durch Sprünge in die Vergangenheit knüpft sie Fäden in die
Zukunft. Es ist kein Roman für eilige oder oberflächliche Leser, man muss sich
auf die Geschichte einlassen und Geduld haben. Der Roman spielt Ende des 19.
Jahrhunderts, in einer Ära des Aufbruchs und der Veränderungen, hier durch
einen Hauch Steampunk vertreten. Die Ehre der alten Samurai gegen das Moderne,
Fremdenhass und Traditionalismus gegenüber Fortschritt und Öffnung.
Fazit:
Obwohl die Gefühle der
Charaktere sehr ambivalent sind und nie offen angesprochen werden, durchziehen
sie das ganze Buch. Gefühle sind es, die sie zum Handeln bewegen, im Guten wir
im Schlechten. Eine verschachtelte Geschichte, die mich sofort in ihren Bann
gezogen hat. Ich kann aber verstehen, dass einige Leser aufgegeben haben. Pech
für sie, denn sie verpassen eine intensive und bewegende Geschichte in einer
Ära der Umwälzungen.
Titel: Die verlorene Zukunft
der Pepperharrow
Autorin: Natasha Pulley
Verlag: Hobbitpresse, HC, 587
Seiten
ISBN: 9783608987294
Hi Petra!
AntwortenLöschenFreut mich dass es dir gefallen hat! Mich konnte die Fortsetzung hier ja noch mehr begeistern als der Uhrmacher! Ich fand es intensiver und von der Atmosphäre her hat es mich noch mehr in die Geschichte gesaugt :)
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, was wir als nächstes von ihr lesen dürfen!
Liebste Grüße, Aleshanee