14 Januar 2024

Die verlorene ZUkunft der Pepperharrow von Natasha Pulley

Fünf Jahre sind nach den Ereignissen aus dem Uhrmacher in der Filigree Street vergangen. Nathaniel und Keita Mori leben zusammen in dessen Haus. Sie haben Zuwachs bekommen, denn die 9-jährige Six ist bei ihnen eingezogen und Nathaniel hat sie adoptiert. Six kommt aus einem Arbeiterhaus und hat viel schreckliches erlebt, mal ist sie Kind, dann wieder altklug und erwachsener als die beiden Männer.
Als die Mitarbeiter der britischen Botschaft in Tokio streiken, weil sie immer wieder Geister sehen, wird Nathaniel gebeten, nach Tokio zu reisen und die Angelegenheit zu klären. Er ist der einzige Mitarbeiter, der japanisch spricht. Da Nathaniel an einer Lungenkrankheit leidet und ihm das industrielle London schwer zu schaffen macht, sagt er schweren Herzens zu. Schweren Herzens, denn er hat Keita mehrere Monate nicht gesehen und hat keine Möglichkeit, ihn zu erreichen und ihn über die Reise nach Tokio zu informieren.
Doch kurz vor der Abreise steht Keita vor der Tür, hat schon Schiffspassagen gebucht und er begleitet Nathaniel und Six nach Japan, da er dort selbst auch dringende Angelegenheiten zu klären hat.
Bevor sich Nathaniel nach Tokio begibt, verbringen sie einige Tage auf dem Landsitz der Familie Mori. Erst da wird Nathaniel bewusst, dass Keita zu einer alten und mächtigen Adelsfamilie gehört. Und ihm wird bewusst, dass Keita Angst hat. Er verändert sich, schwindet immer mehr und ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Teilweise scheint er nicht einmal mehr Nathaniel zu erkennen. Die Zukunftsvisionen, die der Uhrmacher sieht, verwirren ihn, lappen übereinander und er kann das Jetzt nicht  mehr von dem Morgen unterscheiden. Für Nathaniel eine unerträgliche Situation, denn er scheint in der Zukunft keine Rolle mehr zu spielen.
Er nimmt Six und reist mir ihr nach Tokio, um die Angelegenheit der Geister zu klären. Und muss dort erfahren, dass Keita spurlos verschwunden ist.
 
Kommentar:
Ich habe Band eins um Keita und Nathaniel regelrecht verschlungen. Dieser Band ist wesentlich komplexer als der Uhrmacher aber auch er konnte mich begeistern. Mit Six hat Natasha Pulley eine Figur geschaffen, die den Lesern sofort an Herz wächst. Sie hat einen Faible für Maschinen und Elektrizität und versteht mehr über deren Funktion als die meisten Erwachsenen. Sie ist das Bindeglied zwischen Keita und Nathaniel, die beide nicht in der Lage sind, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Die Unfähigkeit, miteinander zu reden und ehrlich zu sein, zieht sich durch das ganze Buch und führt zu vielen Missverständnissen.
Auf dem Landsitz der Familie Mori treffen sie auf Premierminister Kuroda und Takiko Pepperharrow, die beide eine besondere Rolle in Keitas Leben spielen. Takiko ist eine Figur, die mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Sie ist eine sehr ambivalente Figur, die nie so recht weiß, ob sie für oder gegen Keita ist. Durch Rückblicke in die Vergangenheit erfahren wir, sie wie zu dem Japaner steht und was sie verbindet. Nathaniel ist teilweise eifersüchtig auf die Verbindung der beiden, sie haben eine gemeinsame Vergangenheit während er noch nicht einmal weiß, ob er und Keita eine gemeinsame Zukunft haben werden.
Nachdem die beiden Männer und Six in Japan gelandet sind, teilt sich das Buch in zwei Hälften auf und es wird schwer zu erkennen, wie alles zusammenhängt. Nathaniel untersucht die Geistererscheinungen in der Botschaft, arbeitet als Dolmetscher und sieht schon bald selbst Geister. Er wird in politische Ereignisse hineingezogen, die er kaum versteht.
Währenddessen ist Keita spurlos verschwunden und Pepperharrow begibt sich, auf Wunsch von Keita, auf eine Reise zu einer abgelegenen Gefängnisinsel. Dort kommt es ebenfalls zu Geistererscheinungen und sehr seltsamen Vorkommnissen.
Ich gebe zu, dass ich einige Ereignisse zu Beginn etwas verwirrend fand. Letztendlich führt die Autorin jeden Pfad und jedes Ereignis zu einem wunderbaren Abschluss. Hier geht mein Lob auch an den Übersetzer Jochen Schwarzer, der diese besondere Geschichte so übersetzt hat, dass kein Hauch davon verloren ging.
Die Autorin verfügt über eine sehr intensive und bildhafte Sprache, wir reisen mit den Figuren nach Japan, erleben die Ereignisse auf dem Stammsitz der Familie Mori mit und begleiten Nathaniel und auch Takiko auf ihren Reisen. Die Gefühle der beiden sind sehr verwirrend aber auch eindringlich und intensiv, niemand steht Keita Mori neutral gegenüber. Man liebt ihn aus tiefstem Herzen, man hasst ihn aber man respektiert ihn stets. Es schmerzt einen zu lesen, wie sich die Zukünfte verwirrend auf ihn auswirken und wie er und Nathaniel sich scheinbar immer mehr entfernen. Wie Keita einmal zu Nathaniel sagt: Ich weiß nie, was ich Dir schon erzählt habe oder nicht. Und so verschließt er sich immer mehr seinem Freund gegenüber. Er sieht Gefahren, in die er weder Takiko noch Nathaniel hineinziehen möchte.
Die Autorin nimmt sich viel Zeit für ihre Geschichte, durch Sprünge in die Vergangenheit knüpft sie Fäden in die Zukunft. Es ist kein Roman für eilige oder oberflächliche Leser, man muss sich auf die Geschichte einlassen und Geduld haben. Der Roman spielt Ende des 19. Jahrhunderts, in einer Ära des Aufbruchs und der Veränderungen, hier durch einen Hauch Steampunk vertreten. Die Ehre der alten Samurai gegen das Moderne, Fremdenhass und Traditionalismus gegenüber Fortschritt und Öffnung. 
 
Fazit:
Obwohl die Gefühle der Charaktere sehr ambivalent sind und nie offen angesprochen werden, durchziehen sie das ganze Buch. Gefühle sind es, die sie zum Handeln bewegen, im Guten wir im Schlechten. Eine verschachtelte Geschichte, die mich sofort in ihren Bann gezogen hat. Ich kann aber verstehen, dass einige Leser aufgegeben haben. Pech für sie, denn sie verpassen eine intensive und bewegende Geschichte in einer Ära der Umwälzungen. 
 
Titel: Die verlorene Zukunft der Pepperharrow
Autorin: Natasha Pulley
Verlag: Hobbitpresse, HC, 587 Seiten
ISBN: 9783608987294

 

1 Kommentar:

  1. Hi Petra!

    Freut mich dass es dir gefallen hat! Mich konnte die Fortsetzung hier ja noch mehr begeistern als der Uhrmacher! Ich fand es intensiver und von der Atmosphäre her hat es mich noch mehr in die Geschichte gesaugt :)
    Ich bin jedenfalls sehr gespannt, was wir als nächstes von ihr lesen dürfen!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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