Linus Baker ist der personifizierte, klassische
Bürokrat. Seine Aufgabe ist es, Waisenhäuser zu kontrollieren, um zu sehen, ob
die dort untergebrachten, magisch begabten Kinder gut behandelt werden. Er kann
die „Vorgaben und Verordnungen“ seiner Behörde fast auswendig und er hält sich strikt an dieses
Regelwerk. Emotionen oder eine persönliche Meinung verbietet er sich. Lässt er ein Waisenhaus schließen, kümmert er sich nicht um die
Konsequenzen für die Bewohner, denn das betrifft seinen Aufgabenbereich nicht
mehr.
Eines Tages wird er zum „Allerhöchsten
Management“ gerufen. Seine Korrektheit, seine Objektivität und Neutralität machen
ihn zu dem geeigneten Prüfer für ein abgelegenes Waisenhaus auf einer einsamen
Insel. Linus Baker soll sich dort vier Wochen einquartieren und wöchentlich
über die dortigen Abläufe Bericht erstatten, um dann zu entscheiden, ob das Haus
geschlossen werden soll.
Linus muss seine Komfortzone verlassen und in
die Welt hinaus. Er ist sehr unglücklich über die Entscheidung, ihn an das Ende
der Welt zu schicken aber er ist sich sicher, seine Arbeit auch dort korrekt und
unparteiisch verrichten zu können. Doch was ein 40jähriger, der seinen Wohnort
nie verlassen hat, schon von der großen, weiten Welt?
Kommentar:
Was für ein zauberhaftes und berührendes
Buch. Ich war zuerst etwas skeptisch, ob
es ein Harry Potter Abklatsch wird. Aber weit gefehlt. Es erinnert ein bisschen
an "die Insel der besonderen Kinder" aber auch nur, weil dieses Waisenhaus auf
einer Insel steht.
Linus Baker ist ein einsamer Mann, der Zeit
seines Lebens in einer grauen Welt lebt und seit siebzehn Jahren den gleichen Job erledigt. Der abends nach
Hause kommt, seine Schallplatten hört und niemandem im Leben hat außer seiner
Katze. Und diese hat sich ihm aufgezwungen. Das bequeme und bekannte Nest zu verlassen ängstigt ihn, er
verabscheut es, aus der Routine geholt zu werden.
Ab und zu denkt er, dass es doch noch etwas
mehr im Leben geben muss als tristes Grau aber diese Gedanken schiebt er gleich
wieder von sich. Nur auf seinem Mousepad ist ein Bild von einem blauen Ozean
mit dem Spruch: „Wärst Du nicht gerne hier?“
Als er auf der Insel ankommt, eröffnet sich ihm
eine völlig neue Welt. Natürlich hat er durch die Überprüfung anderer Waisenhäuser
schon viele magisch begabte Kinder gesehen und er weiß, dass deren Talente sehr
vielfältig sind. Aber die Kinder auf der Insel sind mehr als außergewöhnlich.
Sie ängstigen den introvertierten Mann zuerst aber je mehr er sie kennenlernt,
desto mehr lernt er sie schätzen.
Mr. Parnassus, der Leiter des Heims versucht,
Linus davon zu überzeugen, dass die Kinder auf der Insel glücklich sind und
sich um ihr geistiges und leibliches Wohl bestens gekümmert wird. Allerdings
versteht nicht jeder das Gleiche unter den Begriffen und Linus ist oftmals sehr
irritiert über die Verhaltensweise der Erwachsenen und Kinder. Seine Katze
fühlt sich allerdings ab der ersten Minute mehr als wohl auf der Insel und
heißt es nicht „Katzen haben einen sechsten Sinn für so etwas.“
Linus sieht das erste Mal in seinem Leben den
Ozean, spürt die Sonne auf seiner Haut, erlebt Freundschaft, Vertrauen und Liebe und seine Schale bricht langsam auf.
Auf Seite 230 hatte ich das erste Mal Tränen in den Augen, als er Phee von
seinen Sonnenblumen erzählt.
„Sie bringen etwas Farbe in die graue Welt aus
Stahl und Regen“ In diesem Gespräch erkennt Linus vielleicht zum ersten Mal
selbst, wie zutiefst unglücklich und einsam er eigentlich war und es bricht
einem fast das Herz wie Phee reagiert. Eine wunderschöne Stelle in dem Buch,
dass nur aus so schönen Gesprächen besteht.
Nicht nur Linus lernt, auf der Insel aus seinem
Kokon herauszukommen, auch Arthur Parnassus muss erkennen, dass er die Kinder
vor der Welt nicht verstecken kann. Sie werden irgendwann erwachsen sein und
müssen sich dann den Herausforderungen, die an sie gestellt werden, gewachsen zeigen.
Sowohl Linus als auch die Kinder und Arthur Parnassus müssen sich dem Leben stellen. Es geht um Vorurteile, Toleranz,
Offenheit, Freundschaft, Vertrauen, Mut, Angst, Liebe. Ein Buch mit einer
wunderbaren Geschichte, die uns viel lehrt. Dass vorgefasste Meinungen geändert
werden können. Dass man die Augen für kleine Wundern offenhalten soll. Dass man
mutig ausgetreten Pfade verlassen soll um etwas Neues zu wagen. Dass man sein
Herz für Freundschaften öffnen soll…..wie Linus sagt: „Die Blase, in der man
lebt, platzen lassen.“
Sprachlich ist an dem Buch absolut nichts
auszusetzen. Der Autor hastet nicht durch die Geschichte, sondern lässt dem
Leser Zeit, die Kinder kennenzulernen. Zu Beginn schildert er Linus grauen Alltag um den Kontrast zur Insel
zu verdeutlichen. Damit wir verstehen, warum Linus zu Beginn alles ängstigt und
er sich gegen alles wehrt, was ihm zu Nahe kommt. Auch die Kinder bekommen
genug Raum sich zu entfalten. Sie sind sehr unterschiedlich aber sie sind eine
Familie und halten zusammen. Sie wissen, dass diese Insel und dieses Heim ihre
letzte Chance sind, ein Zuhause zu finden. Einige haben schon eine wahre
Odyssee hinter sich, bevor sie zu Arthur Parnassuss kamen, sind verstört und
verängstigt und sehen in Linus zuerst eine Bedrohung.
Ich möchte auf die Eigenheiten der Kinder nicht
näher eingehen aber ich bin sicher, jeder wird Lucy, Phee, Talia, Sal, Chauncey
und Theodore genauso ins Herz schließen wie ich.
Das Cover ist sehr bunt gehalten. Allerdings in
dezenten Pastelltönen, nicht aufdringlich, sondern sehr passend zu den
außergewöhnlichen Charakteren.
Fazit:
Eine wundervolle und herzergreifende Geschichte
über Außenseiter, die sich der Welt stellen müssen. Ich habe schon das nächste
Buch des Autors bestellt.
Titel: Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte
Autor: T.J. Klune
Verlag: Heyne, Softcover, 476 Seiten
ISBN: 9783453321366
Schönen guten Morgen!
AntwortenLöschenFreut mich dass du das Buch endlich gelesen hast und es dich auch so begeistern konnte! :)
Das nächste ist dann Wallace Price, das du lesen wirst? Das ist ja schon ganz anders, aber ich fand es ebenfalls total klasse - ich bin gespannt, was du dazu sagen wirst!
Liebste Grüße, Aleshanee
Hallo Aleshanee, nein, ich habe mir das neue Buch mit Farbschnitt bestellt. Das klang einfach zu gut. Meine Nichte hat die anderen beiden Bücher von T.J. Klune und ich werde sie mir dann ausliehen. Mal sehen, ob das auch so schön ist. Und der neue Pulley kommt ja auch zur FBM heraus, also zwei Bücher, auf die ich mich sehr freuen kann. LG Petra
AntwortenLöschenNa dann ganz viel Spaß damit! :)
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