29 Januar 2019

Das Imperium der Stille von Christopher Ruocchio (SF Challenge)


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Hadrian Marlowe ist ein privilegierter Mensch. Als Sohn von Lord Alistair Marlowe genießt er alle Vorzüge der elitären Klasse der Paladine. Sein Lebensweg ist vorherbestimmt, als ältester Sohn wird er eines Tages Archon der Präfektur Meidua. Er hat alles, was man sich für Geld kaufen kann, nur eines erhält er im Haus seines Vaters nicht: Elterliche Liebe. Die Ehe seiner Eltern wurde aus politischen Erwägungen heraus geschlossen, die beiden Söhne wurden aus dem familiären Genpool heraus künstlich gezeugt.
Als Hadrian älter wird, hinterfragt er seine Bestimmung. Er möchte nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten. Zumal Crispin, sein jüngerer Bruder, eher den Erwartungen seines Vaters entspricht. Der Scholastiker  Tor Gibson, der Tutor der Kinder, lehrt den jungen Mann vieles über die Welten da draußen und regt somit dessen Neugier an. Er ist so etwas wie ein Vater für Hadrian und  kennt ihn besser als jeder Mensch. Als Hadrian ihm von seinen Fluchtplänen erzählt, unterstützt ihn sein alter Mentor und gibt ihm ein Empfehlungsschreiben mit, um eine Ausbildung bei den Scholastikern zu bekommen.
Doch Pläne können schief gehen, das muss auch Hadrian erfahren, als er versucht, dem Machtbereich seines Vaters zu entkommen. Eine wahre Odyssee beginnt, die dem des echten Odysseus in nichts nachsteht. 


Kommentar:
Ich werde auf das sollanische Imperium, das Delos System und die verschiedenen Welten nicht eingehen. Der Autor hat hier eine sehr komplexe Zukunft erschaffen, die sich in wenigen Worten nicht beschreiben lässt. Die Erde ist schon lange zerstört, die Menschheit in der ganzen Galaxie verstreut. Noch immer sehen sie sich als Krone der Schöpfung und eliminieren oder versklaven die einheimische Spezies eines jeden Planeten. In den Cielcin haben sie jedoch einen Gegner gefunden, der ihnen Kontra bietet. Der Kriegt zwischen den Menschen und dieser Spezies tobt nun schon seit Jahren und ein Ende ist nicht in Sicht.
Die Geschichte wird von Hadrian Marlowe erzählt. Als alter Mann erinnert er sich, wie er zu dem Titel "Sonnenfresser" kam . Der Roman über 900 Seiten umfasst nur wenige Jahre seines Lebens, wenn man davon absieht, dass er viele Jahre im Kälteschlaf verbracht hat.
Auf Seite elf bekommt der Leser schon eine Ahnung, wie das Verhältnis der Familie untereinander ist. Zitat: " Meine Mutter kam zu meiner Geburt zu spät. Aber dann sahen meine Eltern beide von einer Plattform über dem Geburtsaal zu, wie man mich aus dem Aufzuchtbottich dekantierte."
Diese Szene ist charakteristisch für die Kühle und Distanz der Eltern zu ihren beiden Söhnen. Hadrian ist der sensible Sohn, der die Zuneigung seiner Eltern vermisst und sich dem alten Scholastiker Tor Gibson zuwendet.  Scholastiker sind Forscher, Akademiker und Theoretiker, bei ihnen steht die Vernunft über dem Gefühl. Aber Tor Gibson sieht in Hadrian so etwas wie einen Sohn und als Lord Alistair die Pläne für Hadrians Zukunft bekannt gibt, schlägt sich der alte Mann auf die Seite seines Schülers.
Vieles in dieser außergewöhnlichen Erzählung weist auf die alten Reiche der Erde hin. Es gibt Legionen, Gladiatoren und diverse militärische Ränge, die es schon im alten Rom gab.  Die Herrscher führen sich auf wie Cäsaren, die regieren mit harter Hand, nur die Kirche ist noch mächtiger. Die Kantorei, wie die Kirche hier genannt wird, verbietet die Nutzung technischer Geräte und sie besteht auf die Eliminierung aller außerirdischer Wesen, um die Allmacht der Menschheit zu  demonstrieren.  Ketzer werden gefoltert und Hexen verbrannt. Da sie den Einsatz von Technik und jeglicher Art Maschinen kontrolliert, verfügt sie über Waffen, dem das Militär nichts entgegen zu setzen hat.
Die Kindheit, die Pläne zur Flucht und seine Flucht umfassen gut ein Drittel des Buches.  Hadrian erzählt ausführlich über seine Gefühle und wie es zu dem Bruch mit seiner Familie kommt. Da er diese Geschichte als alter Mann erzählt, schweift er manchmal etwas ab. Mir wurde es aber nie langweilig, ich mochte sowohl den Erzählstil als auch die Detailfülle.
Als Hadrian auf Emesh ankommt, nimmt die Geschichte etwas Fahrt auf. Der privilegierte Sohn eines Adeligen landet ganz unten im Dreck. Es ist faszinierend zu lesen, wie er sich durchschlägt und zum ersten Mal in seinem Leben Freunde findet.  Er muss seine Herkunft verheimlichen, ist mittellos aber zum ersten Mal frei von jeglichen Zwängen und Verpflichtungen.
Irgendwann erkennt er, dass ein Leben auf den Straßen der Stadt ihn nirgendwo hinführen und er bewirbt sich als Myrmidone in der Arena. Ein Myrmidone ist weniger wert als ein Gladiator, sie sind Futter für die Bestien oder Opfer für die Gladiatoren. Nur Verzweifelte oder Verbrecher gehen einen solchen Kontrakt ein. Gestählt durch seinen Überlebenskampf auf den Straßen von Emesh und taktisch versiert durch seine jahrelange Ausbildung am Hof seines Vaters gelingt es Hadrian, die ersten Kämpfe zu überleben. Hier erinnert vieles an den Film Gladiator bzw. an dessen Hauptfigur Maximus. Auch er steht unerkannt in der Arena und schafft es, dass aus Überlebenskämpfern Freunde werden.
Die Erlebnisse auf Emesh füllen den Rest der 900 Seiten und sind ebenfalls sehr ausführlich geschildert. Trotz aller Erlebnisse bleibt Hadrian ein Träumer Wie viele Menschen, die eigentlich nur das Beste wollen, begeht er gravierende Fehler. Er ist ein Idealist und der Egoismus der Herrschenden sowie  Brutalität und die Foltermethoden der Kirche schrecken ihn ab. Er ist jung genug um zu glauben, etwas verändern zu können. Der Leser leidet mit dem jungen Mann, dessen Träume und Ideale der Realität nicht standhalten können. Und auch der Leser wird überrascht, wen er, trotz allem, zu überzeugen vermag und woher er Hilfe bekommt.
Sprachlich ist die Geschichte absolut gelungen, wären in der deutschen Übersetzung nicht einige Unschönheiten. Satzkombinationen mit " als wie", Verwechslung von mir und mich und ähnliches. Mich ärgert so etwas, da es der Geschichte nicht gerecht wird.
Das Buch endet in einem Lebensabschnitt und lässt ahnen, dass Hadrian noch viel zu erzählen hat. Hier ist er ein idealistischer, verträumter  junger Mann, als Greis titelt man ihn als Sonnenfresser, Alientöter und vieles mehr. Nichts auf diesen 900 Seiten deutet daraufhin, wie er zu diesen Bezeichnungen kommt, man erwartet eher, dass er als Friedensstifter in die Geschichte der Menschheit eingeht. Ich bin neugierig, wie es zu dieser Entwicklung kommt. Der nächste Band wird sicher genauso ausführlich aber ebenfalls sehr spannend zu lesen sein.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Hadrian geht auf alle Personen, die seinen Lebensweg bis zum Ende des Buches begleiten, sehr ausführlich ein und somit bekommt der Leser einen tiefen Einblick in seine und deren Gefühlswelt. Cat und Switch wachsen einem ans Herz. Es ist wunderschön zu lesen, wie die jahrelange Einsamkeit durch ein einfaches Lächeln dahin schmilzt und wie sich Hadrian auf ganz neue Weise den Menschen öffnet.  Er, der Aristokrat, lebt nun unter den Plebejern und lernt hier mehr Menschlichkeit kennen als je im Palast seines Vaters. Als alter Mann schildert er Trauer, Verlust, Freude, Liebe, Wut, Hass völlig ungeschönt, so dass die Geschichte absolut glaubwürdig klingt. Der Autor hat das sehr schön gemacht, den Leser in die Erzählung mit hineingezogen, in dem er Hadrian zu uns sprechen lässt.
Ich könnte in meiner Begeisterung noch viel mehr schreiben aber die Rezension soll keinesfalls 900 Seiten umfassen. Für Leser, die schnelle und actionreiche Geschichten mögen, ist diese Buch nichts. Für Leser, die sich in Geschichten verlieren können und die mit den Charakteren mitleiden, ist dies eine wunderbare, einnehmende Geschichte eines jungen Mannes, der noch Träume hat und erleben muss, wie diese der Realität niemals standhalten können. Haben wir das auf irgendeine Art und Weise nicht alle erlebt? Das Cover ist relativ neutral und bezieht sich nicht explizit auf den Inhalt des Buches.
Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar erhalten. Meine Rezension ist aber keine Werbung, sondern  meine subjektive Meinung. Dass sie so positiv ausfällt liegt einzig und allein am Autor. Ich lese nicht sehr viel Science Fiction, kann daher nicht beurteilen, wie innovativ die Ideen des Autors sind. Vieles wird es in der einen oder anderen Form sicher schon gegeben haben. Aber ich war einfach fasziniert, auch von den Sprachen der fremden Spezies und deren Lebensweisen. Ich mag kein Technik blabla sondern schöne Geschichten, wie dies eine ist.
Titel: Das Imperium der Stille
Reihe: Sonnenfresser Saga Band 1
Verlag: Heyne, Softcover, 900 Seiten
ISBN: 9783453318281

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