24 November 2018

Engel der Finsternis von Caleb Carr



Dieser Roman beginnt im Jahre 1919. Steve Taggert besitzt endlich seinen eigenen Tabakladen und steht nicht mehr in den Diensten Dr. Kreislers. Aus dem ehemaligen Straßenjungen ist ein symphytischer Mann geworden, der durch die Ereignisse aus den Jahren 1896 stark geprägt wurde.
John Schyler Moore ist Stammgast in Stevies Laden. Der Reporter der New York Times hat mittlerweile ein Buch über die Ereignisse des Jahres 1896 verfasst, dass jedoch niemand lesen möchte. Zu brutal und grausam waren die damaligen Morde und zu unorthodox die Methoden, mit denen das Ermittlerteam gearbeitet hat.
Eine Wette zwischen Stevie und John führt dazu, dass Stevie nun ebenfalls über einen Fall berichten wird, der in seinen Einzelheiten mindestens ebenso verstörend ist, wie der Fall Beecham.

Die Ereignisse finden ein Jahr nach den grausigen Morden an den jungen Prostituierten statt.
Sara Howard hat das damalige Büro übernommen und führt nun ein Ermittlungsbüro nur für Frauen.
Senora Isabel Leneras, die Ehefrau des Privatsekretärs des spanischen Konsuls, wendet sich hilfesuchend an Sara. Ihre kleine Tochter Ana wurde entführt, ihr Ehemann weigert sich jedoch, die Polizei einzuschalten und untersagt seiner Frau jegliche Suche nach dem Kind. Er schlägt seine Frau brutal zusammen, als diese sich widersetzt, somit bleibt Sara ihre einzige Hilfe bei der Suche nach Ana. Senora Lenares ist sich sicher, dass sie die Entführerin in einer U-Bahn gesehen hat und mit Hilfe ihrer Angaben, versucht Sara, ein Bild der Frau zu erstellen.
Sie bittet die Brüder Isaacson um Unterstützung und auch John Schyler Moore ist wieder mit von der Partie. Einzig die Teilnahme von Dr. Laszlo Kreisler ist fraglich. Die Ereignisse aus dem Jahr 1896 haben den Psychologen zutiefst erschüttert und verstört. Und nun hat zudem noch ein Junge aus seinem Institut Selbstmord begangen, was zu einer gerichtlichen Untersuchung führt. Dr. Kreisler wird es für 60 Tage untersagt, sein Institut zu betreten, bei seiner derzeitigen Gemütslage ein herber Schlag. Glück im Unglück ist es, dass die Brüder Isaacson mit den Ermittlungen gegen Dr. Kreisler beauftragt werden, Sie können ihn dazu überreden, Sara bei ihrem Entführungsfall zu unterstützen und so sind alle wieder ein einem Boot. Denn natürlich kommen mit Dr. Kreisler auch Stevie und Cyrus wieder hinzu.
Dieses Mal ist die Täterin schnell bekannt. Es handelt sich um Elspeth Hunter, eine Kinderschwester, die schon einmal im Verdacht stand, einige ihrer Zöglinge ermordet zu haben. Die Frau ist Dr. Kreisler in jeder Hinsicht gewachsen, sie hinterlässt keine Spuren und Beweise und zeigt nach außen hin die Fassade einer braven Ehefrau, die sich ohne zu klagen um ihren Ehemann kümmert, einem verkrüppelten Kriegsveteranen.
Elspeth Hunter ist eine Frau mit vielen Gesichtern. Treusorgende Ehefrau, liebevolle Kinderschwester aber auch Freundin eines gefährlichen Bandenführers.
Es ist an Dr. Kreisler und seinen Freunden, hinter das Geheimnis dieser Frau zu kommen. Sich Schicht für Schicht, wie bei einer Zwiebel, ihrem Inneren zu nähern und einen Riss in der perfekten Fassade zu finden.
New York City ist immer noch der Moloch aus Korruption, Verbrechen, Armut und Dekadenz. Theodore Roosevelt hat seinen Posten als Police Commissioner verlassen um eine politische Laufbahn einzuschlagen. Die Neuerungen, die er eingeführt hat, haben keinen Bestand, die Brüder Isaacson werden auf Grund ihres Glaubens und ihrer Bildung diskriminiert und sogar degradiert.
Die Brüder nutzen weiterhin neue wissenschaftliche Erkenntnisse bei ihren Ermittlungen, die jedoch noch nicht anerkannt sind. Die Polizeitruppe besteht eher aus Schlägern und ungebildeten Fußtruppen, welche sich über neue Ermittlungsmethoden lustig machen. Das "heraus prügeln" der Wahrheit verspricht ihnen mehr Erfolg und sie verstehen nicht, dass auch unschuldige Menschen angesichts der brutalen Misshandlungen falsche Geständnisse ablegen.
Zitat Seite 105:" Die wirkliche Lösung eines Verbrechens war unerheblich wenn sich eine erfundene Geschichte zum eigenen Vorteil ausschlachten ließe."
Weder die Ballistik, noch Fingerabdrücke, Haarvergleich oder Handschriftenanalyse und erst recht keine psychiatrischen Gutachten werden von den Gerichten akzeptiert. Ich finde es dennoch beeindruckend, wie der Autor schildert, welche innovativen Untersuchungen sowohl Marcus als auch Lucius durchführen und somit Wegbereiter für eine neue Art der Polizeiarbeit werden. Serien wie "Criminal Minds" wären ohne diese Pionierarbeit nicht möglich. Erstaunlicherweise waren nicht die USA führend bei diesen Methoden. Während sich dort an alte Strukturen geklammert wurde, kam es in Europa aber auch in Argentinien schon zu erheblichen Erfolgen in der Verbrechensbekämpfung.
Die Szene, in der Frau Lernares der Porträtzeichnerin ihre Eindrücke über die Entführerin schildert, und diese aus der Beschreibung ein lebendiges und detailliertes Bild entstehen lässt, fand ich sehr beeindruckend. Es hat mich an Angela aus der Serie Bones erinnert, die ja ebenfalls Künstlerin ist und Worte in sehr lebendige Bilder umsetzen kann.
Dadurch, dass Stevie Taggert diese Geschichte erzählt, unterscheidet sie sich etwas von Band eins. John Schyler Moore hat als Reporter eine gewisse Bildung genossen und weiß, wie man mit Worten umgeht und den Leser beeindruckt. Stevie redet frei nach Schnauze, er ist direkter und kennt die Lebensumstände in den Slums besser. Seine Art zu erzählen hat mich mehr angerührt und gefesselt, allerdings waren auch hier die Beschreibungen teilweise sehr langatmig. Gerade beim letzten Drittel des Buches habe ich einige Seiten überschlagen, da es sich nur im Wiederholungen und Zusammenfassungen der vorherigen Ereignisse handelt.
Der Leser sollte aber keinesfalls aufgeben, denn der Fall ist äußerst spannend und komplex und es ist faszinierend, welches Duell sich Kreisler und Elspeth Hunter liefern. Ebenso fesselnd ist es, den Weg der Frau bis zu ihrer Kindheit zurück zu verfolgen. Gerade Sara gibt nicht auf, die weiß, zu welchen Taten ihr eigenes Geschlecht fähig ist. Die Gesellschaft möchte an das Ideal der Familie glauben und verschließt lieber die Augen vor der brutalen Wahrheit.
Ich habe zu diesem Buch noch ein bisschen Recherche betrieben. Albert Pinkham Ryder, der hier eine Rolle spielt, war tatsächlich ein sehr bekannter Maler, der wirklich oft 10 Jahre und mehr an seinen Gemälden arbeitete.
Teilweise haben sich im Text kleine Fehler eingeschlichen. Auf Seite 43 ist die Agentur im 5. Stock, auf Seite 116 befindet sie sich im 6. Stock. Auch Uhrzeiten kommen durcheinander. Stevie hört Sara um 11 Uhr. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg da ist es 4 Uhr früh. Es wirkt aber charmant, wenn man es auf die Unerfahrenheit von Stevies Erzähl-und Schreibweise zurückführt.
Letztendlich gewinnt Stevie die Wette, denn seine Erzählung ist genauso spannend und der Fall ebenso verstörend wie die Ereignisse aus dem Jahr 1896. 
Mein Fazit: Band eins ist besser geschrieben und nicht so langatmig aber Band zwei behandelt den spannenderen Fall.
Titel: Engel der Finsternis
Autor: Caleb Carr
Verlag, Heyne, TB von 1999, 639 Seiten
ISBN: 978-3453158832

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