Geliebter Mörder? Atemlos
spannend - ein Meisterwerk von Antonia Michaelis! Abel Tannatek ist ein
Außenseiter, ein Schulschwänzer und Drogendealer. Wider besseres Wissen
verliebt Anna sich rettungslos in ihn. Denn es gibt noch einen anderen Abel:
den sanften, traurigen Jungen, der für seine Schwester sorgt und der ein
Märchen erzählt, das Anna tief berührt. Doch die Grenzen zwischen Realität und
Fantasie verschwimmen. Was, wenn das Märchen gar kein Märchen ist, sondern
grausame Wirklichkeit? Was, wenn Annas schlimmste Befürchtungen wahr werden?
Ein temporeicher Thriller und eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte – lässt
nicht los! Eindrucksvoll, begeisternd und abwechslungsreich.
Kommentar:
Normalerweise kopiere ich
keine Klappentexte als Einleitung zu einer Rezension. Ich versuche, den Inhalt
in eigenen Worten zusammen zu fassen.
Hier ist mir das nicht
gelungen. Das Buch ist so vieles, es besteht aus unheimlich vielen Facetten und
es weckt Emotionen in dem Lesenden, mir hat es teilweise das Herz zerrissen.
Der Roman erzählt eine Liebesgeschichte. Wer mich kennt weiß, dass ich das
Genre meide. Das Buch wird als Jugendbuch gehandelt. Young adult meide ich
ebenfalls. Warum also hat ausgerechnet dieses Buch so geflasht?
Weil Antonia Michalis keinen
geraden Weg geht, keine einzige Erwartung des Lesenden erfüllt und mich
fassungslos zurückgelassen hat. Schon der Epilog lässt ahnen, dass es sich um
kein einfaches Jugendbuch handelt, er ist blutig und brutal. Damit steht er im
starken Kontrast zu den ersten Kapiteln des Buches. Wir lernen Anna kennen. Ein
siebzehnjähriges Mädchen aus gutem Haus, wohlerzogen. Sie macht ihren Eltern
keine Probleme und sie steht kurz vor einem erfolgreichen Abitur. Sie hat feste
Pläne für die Zeit danach, ihr Lebensweg scheint vorgezeichnet.
Auf der anderen Seite Abel Tannatek.
Ein Außenseiter. Er wird der „Kurzwarenhändler“ genannt, Anna versteht nicht
warum. Die Nachfrage eröffnet ihr eine bis dahin unbekannte Welt. Sie spricht
den Jungen an, etwas, was sonst niemand in der Schule bisher getan hat. Für
alle ist er nur der Pole, der Außenseiter bei dem sie ihre Partydrogen kaufen
können. Anna sieht mehr, sie ist direkt und sie stellt Fragen. Abel kann ihr
nicht ausweichen, auch, wenn er es versucht. So wird Anne in das Leben des
Märchenerzählers hineingesogen, sie wird ein Teil des Märchens, das von der
kleinen Klippenkönigin handelt. Das ist Abels kleine Schwester Micha, die der
Junge abgöttisch liebt. Er würde alles tun, um Micha zu beschützen. Vor der
Lehrerin, die ständig nach der Mutter fragt, vor den Sozialarbeitern, die ihm
das Mädchen wegnehmen möchten, vor dem Stiefvater, den er hasst. Eine gewaltige
Aufgabe für einen 17jährigen Jungen.
Die
unberührte Welt von Anne bekommt Risse, sie muss erkennen, dass nicht alles nur
schwarz oder weiß ist. Trotz aller Unterschiede verliebt sie sich in den
Außenseiter. Alle warnen sie. Ihre Freundin Gitta, die nichts als Partys und
Amüsement im Kopf hat, ihr Mitschüler Bertil, der selber in Anna verliebt ist und
der beginnt, das Paar zu stalken. Auch ihre Eltern sind misstrauisch aber Micha
erobert ihr Herzen im Sturm. Vor allem Linda, Annes Mutter, die sich immer ein
zweites Kind gewünscht hat, verwöhnt Micha nach Strich und Faden. Und Abel
gehört nun einmal zu Micha, ohne Abel keine Micha.
Obwohl es sich um eine
Liebesgeschichte handelt, wirkt die Geschichte von Beginn an unterschwellig
gruselig. Ich hatte von Anfang an Angst, was wohl passieren mag. Und diese
Angst hat sich von Seite zu Seite gesteigert, Man wünscht Anna und Abel nur das
Beste und ahnt dennoch, dass diese Liebe unmöglich vom Glück gesegnet sein
kann. Diese Liebe ist von Anfang an mit Tragik durchzogen. Abel möchte Anne
nicht an sich heranlassen, sie lässt sich nicht abweisen. Sie gewinnt und Stück
für Stück bröckelt seine Mauer. Das Märchen der kleinen Klippenkönigin bekommt
neue Facetten und je weiter Abel das Märchen erzählt, umso mehr verstehen die
Lesenden, dass sich Märchen und Realität nähern. Wie schon in den alten Märchen
der Gebrüder Grimm, gibt es auch hier Bedrohungen und Gewalt, es wird mit den
Ängsten der Zuhörenden und Lesenden gespielt. Doch immer wieder gewinnt das Gute, denn es ist
ein Märchen. Im echten Leben gibt es keine Märchen und Abel weiß das.
Ich habe bei den Top Ten Thursday viel über Antonia Michaelis gehört und gelesen und war sehr neugierig, warum sie so begeistert. Dies ist mein erstes Buch von ihr aber sicher nicht mein letztes. Die Autorin nutzt eine einfache und geradlinige Sprache, sie erzählt ihre Geschichte ohne Abschweifungen, direkt und klar. Zwei Menschen, die sich annähern, sich verlieben und beginnen, viel Zeit miteinander zu verbringen. Also alles normal. Nur, dass hier nichts normal ist.
Sehr gut haben mir die Bezüge
zu den Songs von Leonard Cohen gefallen. Die melancholischen Texte passen wunderbar
zu dieser Geschichte und „ballad for the young“ ist der perfekte Einstieg. Das
Cover in diversen Grüntönen ist perfekt auf das Buch eingestimmt. Das Buch ist
von 2012, ich habe keine Ahnung, warum mir diese Autorin bisher entgangen ist.
Und gerade habe ich gesehen, dass es eine weitere Geschichte im Schatten des Märchenerzählers gibt.
Fazit:
Für jeden, der
außergewöhnliche und berührende Geschichten mag, die nie die Erwartungen des Lesenden
erfüllen. Berührend, wunderschön, traurig und herzlich.
Titel: Der Märchenerzähler
Autorin: Antonia Michaelis
Verlag: Oetinger, Hardcover,
447 Seiten
ISBN: 9783789142895
Schönen guten Morgen Petra!
AntwortenLöschenDu hast dir als erstes Buch von ihr direkt ein etwas "schwieriges" ausgesucht ;) Das hat ja hohe Wellen geschlagen damals, weil viele diese toxische Beziehung angekreidet haben. Ich fand es einfach nur großartig geschrieben und inszeniert und mit vielen Botschaften gespickt, die man sich eben rauspicken "muss".
Es freut mich jedenfalls sehr dass dir ihr Stil gefällt. Da gibt es ja dann noch einiges für dich zu entdecken - sie hat ja schon sehr viel geschrieben.
Das einzige Buch von ihr, das mir bisher nicht so gefallen hat, war "Tankstellenchips".
Den zweiten Band zum Märchenerzähler, der kam ja erst sehr viel später, den fand ich auch nicht schlecht, reicht aber für mich nicht ganz hier ran...
Liebste Grüße, Aleshanee