10 Juni 2020

Die schwarze Schar von Nicolas Eames


»Wir werden wie Riesen sein, uns wird die Welt zu klein«
(Clay Cooper)

https://www.randomhouse.de/Autor/Nicholas-Eames/p618749.rhd
Rose stand stets im Schatten ihres Vaters. Die Truppe des »Goldenen Gabe«, die »Saga« wurde zur Legende, die Taten Gabriels, Clay Coopers oder Moogs sind  unerreichbar. Egal was Rose und ihre Truppe »die Fabel« an Aufgaben übernehmen, nie ist es genug, stets ist sie die Tochter, die von ihrem Vater in Castia gerettet wurde.
Um dieser Schmach endgültig zu entkommen, übernimmt Rose einen Auftrag, an dem bisher jeder Söldnertruppe gescheitert ist. Dafür riskiert sie das Leben aller Mitglieder, zu denen auch die junge Tam Hashford gehört, die mit den Erzählungen über die Abenteuer der alten Söldnertruppen aufgewachsen ist. Schnell muss das junge Mädchen, das als neue Bardin engagiert wurde, erkennen, dass Legende und Wahrheit weit auseinander klaffen.  Nur eines scheint zu stimmen: Barden überleben nicht lange!


Kommentar.
Könige der Finsternis war eines meiner Highlights 2019 und ich war gespannt, ob Nicholas Eames es schafft, einen weiteren, grandiosen Band zu veröffentliche, ohne sich zu wiederholen. »Die schwarze Schar« kann für sich alleine stehen, man braucht den Vorgängerband nicht zu kennen, um der Geschichte folgen zu können. Ich werde auch aus diesem Buch viel zitieren. Rose erklärt selbst am besten, warum sie keine Grenzen kennt:
 » Ich bin mit den Geschichten meines Vaters aufgewachsen, mir wurde der Ruhm mit dem Löffel eingetrichtert, bis ich selbst danach gegiert habe- bis ich geglaubt habe, ohne ihn zu verhungern zu müssen.«
» Ich wurde zum Auslöser für das größte Abenteuer meines Vaters, Ich war nichts weiter als eine der vielen Jungfrauen in Nöten, sagte sie verbittert. Da wusste ich, dass ich der Welt so in Erinnerung  bleiben würde, wenn ich nicht etwas wirklich Bemerkenswertes unternahm. «

Das erklärt den Ehrgeiz der jungen Frau, der sie oft bis an den Rand des Abgrunds führt.
Die Fabel besteht aus folgenden Mitgliedern:

Brune, ein Vargyr, der Schamane der Truppe, ein Bär von einem Mann.

Roderick ist der Bucher, es organisiert die Aufträge und handelt Verträge aus. Er ist ein Satyr, muss das aber vor den Menschen verbergen, da diese anderen Wesen sehr voreingenommen gegenüber stehen.

Freiwolk ist ein Druin. Ihr besonderes Merkmal sind ihre langen Ohren. Daher werden sie oft Hasenohren genannt, doch würde ich das einem Druin niemals laut ins Gesicht sagen. Die Konsequenzen sind nicht schön. Sie sind eine sehr langlebige Rasse, seit den Ereignissen aus Buch eins aber nicht mehr sonderlich beliebt.

Cura ist eine Hexe und Beschwörerin, die über eine unglaubliche Macht verfügt. Sie ist ebenso wild wie Rose und liebt die Gefahr. Mit ihrem vorlauten Mundwerk und ihrer Respektlosigkeit fordert sie ihre Gegner oft heraus.

Tam Hasford ist gerade mal siebzehn Jahre alt. Ihr Onkel Bran schlägt ihr vor, für die Truppe zu singen, da diese einen neuen Barden sucht. Und für Tam wird ein Traum wahr. Ihre Vorstellung gefällt Rose und sie nimmt das junge Mädchen auf. Tam ist eine Träumerin und Idealistin. Doch schon bald merkt sie, dass das Leben auf der Straße nichts mit den Balladen gemein hat, die in den Schenken vorgetragen werden. Traum und Realität klaffen weit auseinander. Die Kämpfe in der Arena sind schmutzig und grausam, die Gegner sind eher Opfer.
Auch wenn Brontide mit seiner zerstörerischen Horde immer weiter in das Land vordringt, erkennt Tam in den Gegnern denen sie gegenüberstehen Gefühle wie Angst, Hoffnung, Wut, Trauer. Die gleichen Gefühle, die ein Mensch empfindet.  Warum gibt es also keine Möglichkeit, dass Wesen wie Oger, Zentauren, Minotauren, Rag, Sinu und  viele andere, einfach zusammen leben?
Je öfter die Truppe in den Arenen kämpft, desto mehr beschleichen sie Zweifel an der Richtigkeit ihrer Handlung.
Was mir in diesem Buch so gut gefallen hat, ist der sehr trockene Humor, der mir im ersten Buch schon positiv aufgefallen ist. Cura liest sehr viel. Hier ein Dialog zwischen ihr und Tam:

Tam konnte sich nicht zurück halten, einen Blick auf den Titel zu werfen. „Elfen muss man helfen“.
„Um was geht es da?“
„Um Elfen.“
„Nur um Elfen?“
„Und darum, ihnen zu helfen.“

Oder ein Gespräch zwischen Tam und Brune:
„Hast Du jemals Sagrut probiert?“
„Sagrut?“
„Schlimmes Zeug“,  verkündetet Brune. „Schmeckt wie saure Milch und Pferdeblut.“
Tam zog die Nase kraus. „Woraus besteht es denn?“
„Aus saurer Milch und Pferdeblut.“
Man könnte meinen, der Autor wäre Fan der Rambo Filmreihe, in der sich ähnliche Dialoge finden.
Die Buchtitel, die Cura liest, sorgen ebenfalls für ein Schmunzeln bei den Lesern.

»Schund und Sühne, die Erinnerungen eine Kobold Folterers«. Oder auch »Skelette im Schrank, ein nekromantischer Führer zur Selbstoffenbarung.«

Im Laufe der Geschichte merken wir, dass nicht nur Rose ein Opfer ihres Vaters ist. Alle aus der Fabel haben ein gespaltenes Verhältnis zu ihren Erzeugern und müssen sich während ihrer Reise durch das Land ihrer Wut und ihren Ängsten stellen. Der Weg  zum größten Abenteuer wird gleichzeitig auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Das macht diese Fantasy Geschichte in meinen Augen zu etwas Besonderem. Sie bietet nicht nur Spaß und gute Unterhaltung, sondern sie regt auch zum Nachdenken an.
Während es in »Könige der Finsternis« einen kompletten, durchgehenden Handlungsstrang gab, die Rettung von Rose, zersplittert die Geschichte hier etwas. Das Buch beginnt langsam, wir lernen Tam kennen und ihren Wunsch, aus dem langweiligen, starren Alltag auszubrechen. Ihre Mutter, eine Bardin, ist früh gestorben. Der Vater, ein ehemaliger Söldner, kann den Tod seiner Frau nicht verwinden und hütet seine Tochter wie einen Augapfel. Er möchte mir allen Mitteln verhindern, dass sie sich einer Truppe anschließt, notfalls mit Gewalt. Als er merkt, dass er Tam nicht aufhalten kann, übergibt er ihr die Laute ihrer Mutter, für mich eine sehr rührende Szene in dem Buch. Junge Menschen müssen ihre eigenen Wege gehen und ihre eigenen Fehler machen und aus ihnen lernen. Das ist in der Realität nicht anders.
Danach zieht sich die Geschichte etwas, als »die Fabel« sich aufmacht, ihren neuen Auftrag auszuführen. Während alle Söldnertruppen gegen den Riesen Brontide ziehen, führt Rose ihre Freunde in die andere Richtung, was für viel Gerede sorgt. Während ihrer Reise zum Zielort treten sie in verschiedenen Arenen auf und bestreiten dort einige Kämpfe. Das ist zwar sehr abwechslungsreich geschildert, bringt die Handlung aber nicht wesentlich voran. Aber hier denkt Tam das erste Mal über die Wesen nach, erkennt das erste Mal, dass sie durchaus so fühlen, wie ein Mensch. Und sie hinterfragt, warum der Mensch sich über diese Wesen stellt, die lediglich den Wunsch nach Leben haben. Erst im letzten Drittel nimmt die Geschichte nochmals volle Fahrt auf, wenn die Generationen aufeinander treffen.
Die Nebenfiguren sind teilweise sehr liebenswerte und lustige Charaktere. Da ist Bran, Tams Onkel, der seine Nichte tatkräftig unterstützt, sofern er seine Nase nicht gerade in einem Whiskeyglas stecken hat. Oder Doshi, der Kapitän eines Luftschiffes, der über sich hinauswächst. Und auch Lady Jane und ihre Seidenstrümpfe haben erneut einen Auftritt.
Sprachlich gibt es nicht zu meckern. Michela Siefener hat hier eine prime Übersetzung abgeliefert und ich frage mich, ob das Zitat zu Beginn der Rezension, vielleicht eine Idee von ihm war. Denn es ist 1:1 aus dem Lied von Heinz Rudolf Kunze, das vor langer Zeit ein Mega Hit war.
Und mein letztes Zitat, das ich einfach wunderschön finde:
„Ruhm verblasst. Gold rinnt durch die Finger wie Wasser oder Sand. Die Liebe ist das Einzige, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“
Fazit:
Obwohl der Könige der Finsternis einen Tick besser war, kann ich dieses Buch durchaus empfehlen. Das Weltensetting ist gelungen, bevölkert von unzähligen, teils abstrusen Wesen. Der Humor kommt nicht zu kurz aber es gibt durchaus auch ernsthafte Szenen, von denen wir Parallelen zu dem Hier und Jetzt ziehen können.
Titel: Die schwarze Schar
Verlag: Heyne, Softcover, 636 Seiten
ISBN:978345332095

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