Für Vakkerville Band drei »Spiegelgrund«
kann man als Leser unmöglich noch eine vernünftige Inhaltsangabe schreiben,
ohne zu viel zu spoilern. Die Ereignisse spitzen sich zu und -wie der Titel
schon vermuten lässt- findet das Showdown in der Anstalt »Spielgrund« statt.
Das Personal und die Insassen suchen verzweifelt einen Weg nach draußen und
Samira, Lida und die Polizei bemühen sich, einen Zugang zu finden. Für den
Innensenator ist es eine Chance, sich als Problemlöser zu profilieren aber es
geht um seine Tochter. Was ist wichtiger? Beruf oder Karriere?
In diesem Band erhält Pietro, der andere
Pfleger neben Fabio, eine bedeutende Rolle. Und er muss sich dabei ausgerechnet
mit Dr. Tobiasz Munte arrangieren, einem Arzt, vor dem er wenig Respekt hat.
Aber in der Not frisst der Teufel eben fliegen. Auch der bisher schweigsame
Emir, der zwei Bände durchgehend keine Miene verzogen hat, tritt nun in Aktion.
Einige der Protagonisten sind
Mobbingopfer. Lilian-Charlotte akzeptiert die Geistkinder als neue Freunde.
Besser Geister als Freunde als keine Freunde. Das Schicksal der drei Kinder
berührt sie tief und sie öffnet ihren Schutzpanzer um ihnen zu helfen. Aus der
bockigen, verzogenen, einsamen Göre wird eine Streiterin, ich fand das einen
sehr schönen Wandel.
Jede der Personen, die in der Anstalt
gefangen ist, ist gleichzeitig auch in ihrem eigenen Alptraum gefangen. Die
Kindheitstraumata einiger Personen werden Wirklichkeit. Doch indem sie über
ihre Ängste und Erlebnisse sprechen, sich dem anderen gegenüber öffnen,
verlieren diese Horrorszenarien an Kraft. Die Schilderungen dieser Alpträume
sind so intensiv und eindringlich wie bei Stephen King. Es ist dann interessant
zu lesen, wie wer damit umgeht. Wer die Kraft besitzt, sich dem entgegen zustellen
und wer beinahe seinen Verstand verliert. Hier bekommen die Protagonisten
nochmal neue Facetten, zeigen, welche Stärken oder Schwächen in ihnen stecken.
Einiges hat mich insgesamt etwas an Stephen King erinnert. Scheuch und Duddits
sind beides Männer, deren Fähigkeiten nicht erkannt werden, da sie als
»Zurückgeblieben« angesehen werden. Viele Kinder haben furchtbares erleiden
müssen, man zieht indirekt einen Bezug zu ES oder auch zu stand by me. King hat
es immer geschafft, mich mit seinen Romanen, in denen Kinder eine Rolle spielen,
zu beeindrucken und zu überzeugen. Und auch das, was Anton Serkalow hier
schildert, erschüttert und überzeugt den Leser.
Die afrikanischen Legenden erscheinen
manchem Leser als langweilig, zäh oder überflüssig. Aber ich finde, dass sie
viel dazu beitragen, Fabio besser zu verstehen. Jeder Mensch gibt dem Tod einen
andere Gestalt, von der Atmosphäre her erinnert es bei diesen Szenen an Anansi
Boys von Neil Gaiman.
Ich merke schon, ich ziehe viele
Vergleiche. Ich mag das eigentlich nicht sonderlich, denn jedes Werk sollte für
sich stehen. Aber der Autor bedient sich selber der Pop Kultur, so hat ein
Zimmer die Nummer 42. Öffnet man dieses Zimmer, erhält Pietro dann die Antwort
auf alle Fragen?
Was mich an den drei Bänden besonders
erschüttert hat ist, was aus Stammtischparolen passieren kann. Man sitzt bei
Bier und Korn zusammen, gibt ohne Sinn und Verstand irgendwelche Thesen und
Slogans von sich. Andere nehmen das Gesagte auf, verdrehen es, fassen es in neue
Slogans und finden Anhänger, die ihnen hirnlos folgen. Und die Gewalt
eskaliert. Menschen, die anderes sind, werden diffamiert und ausgegrenzt. Was
man nicht versteht, was einem Angst macht wird zum Feindbild. Das ist leider
durchaus auch in der Realität so. Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile
gegenüber Behinderten, staatliche Überwachung, ob eingebildet oder nicht,
Ausverkauf der Innenstädte, all das können wir täglich in unserem Umfeld
erleben.
Man sieht, obwohl es sich um einen
Horroroman handelt, bringen mich die Ereignisse zum Nachdenken. Die Komplexität
des Ganzen macht es einem schwer, die Eindrücke, die dieses Buch vermittel, in
Worte zu fassen. Leser, die eine einfach gestrickte, geradliniger Story
mögen, sollten die Finger von dieser
Serie lassen. Menschen, die unvorhersehbare Geschichten mögen, immer gewürzt
mit einer Prise Humor, Menschen die Geschichten mögen, die zum Nachdenken
anregen, sind hier genau richtig.
Ich wusste nicht, was mich erwartet, als
ich Vakkerville gekauft habe. Ich habe zuerst Nighthunter gelesen und war total
begeistert von den Geschichten und dem Schreib-und Erzählstil. Ich wollte mehr von diesem Autor lesen. Das
Vakkerville so ganz anders ist hatte ich nicht erwartet. Anders aber fesselnd.
Man sollte die Serie in Reihenfolge
lesen. Auch wenn es eine kurze Zusammenfassung gibt, ist die Geschichte viel zu
komplex um in der Mitte einzusteigen. Man muss die Vorgeschichte der Protagonisten
kennen, wie und warum sie in die Ereignisse verwickelt werden. Dies wird
kontinuierlich aufgebaut und jede noch so kleine Nebenfigur trägt ihren Anteil
zu den Ereignissen bei.
Fazit:
Unbedingt lesen aber sich auf eine sehr
komplexe Geschichten mit vielen Handlungssträngen einstellen.
Titel: Spiegelgrund
Serie: Vakkerville Mysteries
Autor: Anton Serkalow
Verlag: Selfpublishing, Softcover, 520
Seiten
ISBN: 9781973148388
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