13 Juni 2020

Spiegelgrund - Vakkerville Band 3 von Anton Serkalow


https://anton-serkalow.de/
Eine undurchdringliche Nebelwand wallt über der Stadt.
Für Vakkerville Band drei »Spiegelgrund« kann man als Leser unmöglich noch eine vernünftige Inhaltsangabe schreiben, ohne zu viel zu spoilern. Die Ereignisse spitzen sich zu und -wie der Titel schon vermuten lässt- findet das Showdown in der Anstalt »Spielgrund« statt. Das Personal und die Insassen suchen verzweifelt einen Weg nach draußen und Samira, Lida und die Polizei bemühen sich, einen Zugang zu finden. Für den Innensenator ist es eine Chance, sich als Problemlöser zu profilieren aber es geht um seine Tochter. Was ist wichtiger? Beruf oder Karriere?
In diesem Band erhält Pietro, der andere Pfleger neben Fabio, eine bedeutende Rolle. Und er muss sich dabei ausgerechnet mit Dr. Tobiasz Munte arrangieren, einem Arzt, vor dem er wenig Respekt hat. Aber in der Not frisst der Teufel eben fliegen. Auch der bisher schweigsame Emir, der zwei Bände durchgehend keine Miene verzogen hat, tritt nun in Aktion.


Einige der Protagonisten sind Mobbingopfer. Lilian-Charlotte akzeptiert die Geistkinder als neue Freunde. Besser Geister als Freunde als keine Freunde. Das Schicksal der drei Kinder berührt sie tief und sie öffnet ihren Schutzpanzer um ihnen zu helfen. Aus der bockigen, verzogenen, einsamen Göre wird eine Streiterin, ich fand das einen sehr schönen Wandel.
Jede der Personen, die in der Anstalt gefangen ist, ist gleichzeitig auch in ihrem eigenen Alptraum gefangen. Die Kindheitstraumata einiger Personen werden Wirklichkeit. Doch indem sie über ihre Ängste und Erlebnisse sprechen, sich dem anderen gegenüber öffnen, verlieren diese Horrorszenarien an Kraft. Die Schilderungen dieser Alpträume sind so intensiv und eindringlich wie bei Stephen King. Es ist dann interessant zu lesen, wie wer damit umgeht. Wer die Kraft besitzt, sich dem entgegen zustellen und wer beinahe seinen Verstand verliert. Hier bekommen die Protagonisten nochmal neue Facetten, zeigen, welche Stärken oder Schwächen in ihnen stecken. Einiges hat mich insgesamt etwas an Stephen King erinnert. Scheuch und Duddits sind beides Männer, deren Fähigkeiten nicht erkannt werden, da sie als »Zurückgeblieben« angesehen werden. Viele Kinder haben furchtbares erleiden müssen, man zieht indirekt einen Bezug zu ES oder auch zu stand by me. King hat es immer geschafft, mich mit seinen Romanen, in denen Kinder eine Rolle spielen, zu beeindrucken und zu überzeugen. Und auch das, was Anton Serkalow hier schildert, erschüttert und überzeugt den Leser.
Die afrikanischen Legenden erscheinen manchem Leser als langweilig, zäh oder überflüssig. Aber ich finde, dass sie viel dazu beitragen, Fabio besser zu verstehen. Jeder Mensch gibt dem Tod einen andere Gestalt, von der Atmosphäre her erinnert es bei diesen Szenen an Anansi Boys von Neil Gaiman.
Ich merke schon, ich ziehe viele Vergleiche. Ich mag das eigentlich nicht sonderlich, denn jedes Werk sollte für sich stehen. Aber der Autor bedient sich selber der Pop Kultur, so hat ein Zimmer die Nummer 42. Öffnet man dieses Zimmer, erhält Pietro dann die Antwort auf alle Fragen?
Was mich an den drei Bänden besonders erschüttert hat ist, was aus Stammtischparolen passieren kann. Man sitzt bei Bier und Korn zusammen, gibt ohne Sinn und Verstand irgendwelche Thesen und Slogans von sich. Andere nehmen das Gesagte auf, verdrehen es, fassen es in neue Slogans und finden Anhänger, die ihnen hirnlos folgen. Und die Gewalt eskaliert. Menschen, die anderes sind, werden diffamiert und ausgegrenzt. Was man nicht versteht, was einem Angst macht wird zum Feindbild. Das ist leider durchaus auch in der Realität so. Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile gegenüber Behinderten, staatliche Überwachung, ob eingebildet oder nicht, Ausverkauf der Innenstädte, all das können wir täglich in unserem Umfeld erleben.
Man sieht, obwohl es sich um einen Horroroman handelt, bringen mich die Ereignisse zum Nachdenken. Die Komplexität des Ganzen macht es einem schwer, die Eindrücke, die dieses Buch vermittel, in Worte zu fassen. Leser, die eine einfach gestrickte, geradliniger Story mögen,  sollten die Finger von dieser Serie lassen. Menschen, die unvorhersehbare Geschichten mögen, immer gewürzt mit einer Prise Humor, Menschen die Geschichten mögen, die zum Nachdenken anregen, sind hier genau richtig.
Ich wusste nicht, was mich erwartet, als ich Vakkerville gekauft habe. Ich habe zuerst Nighthunter gelesen und war total begeistert von den Geschichten und dem Schreib-und Erzählstil.  Ich wollte mehr von diesem Autor lesen. Das Vakkerville so ganz anders ist hatte ich nicht erwartet. Anders aber fesselnd.
Man sollte die Serie in Reihenfolge lesen. Auch wenn es eine kurze Zusammenfassung gibt, ist die Geschichte viel zu komplex um in der Mitte einzusteigen. Man muss die Vorgeschichte der Protagonisten kennen, wie und warum sie in die Ereignisse verwickelt werden. Dies wird kontinuierlich aufgebaut und jede noch so kleine Nebenfigur trägt ihren Anteil zu den Ereignissen bei.
Fazit:
Unbedingt lesen aber sich auf eine sehr komplexe Geschichten mit vielen Handlungssträngen einstellen.
Titel: Spiegelgrund
Verlag: Selfpublishing, Softcover, 520 Seiten
ISBN: 9781973148388

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