Obwohl die
Polizei total überlastet ist und Detektive im ausgehenden 19 Jahrhundert
Hochkonjunktur haben, ist es für den privaten Ermittler William Arrrowood sehr
schwer, einen Auftrag zu ergattern. Alle Welt redet nur noch über Sherlock
Holmes und seine großartigen Erfolge. Jeder Mensch möchte nur noch mit diesem
berühmten Detektiv zusammenarbeiten. Daher ist Arrowood froh, als die junge Caroline
Cousture ihn beauftragt, ihren verschwundenen Bruder zu suchen. Normalerweise
eine leichte Aufgabe aber der junge Mann hat als Koch im »barrel of beef« gearbeitet,
ein Ort, den der Detektiv nicht mehr betreten darf, wenn er sein Leben nicht
verlieren möchte. Vor vier Jahren ermittelten er und sein Gehilfe Norman
Barnett in dem Etablissement des zwielichtigen Stanley Cream und kamen nur
knapp mit dem Leben davon. Doch da er der charmanten Französin sein Wort
gegeben hat übernimmt Arrowood den Fall, trotz der Proteste seines Gehilfen.
Kommentar:
William
Arrowood lebt auf der Schattenseite von London, im Gegensatz zu seinem
berühmten Kollegen Holmes, der alle lukrativen Aufträge erhält. Für den etwas
übergewichtigen und trinkfreudigen Detektiv ein Ärgernis. Es ist amüsant zu
lesen, wie er die erfolgreich gelösten Fälle des Kollegen in der Luft zerreißt
und auf die Logikfehler und Ermittlungsfehler hinweist. Nach dem Desaster im »barrel
of beef« vor vier Jahren, das zum Tod eines Unschuldigen geführt hat, ist
William nicht mehr der Alte. Er trinkt zu viel, ist oft depressiv, was dazu
führte, dass seine Frau ihn verlassen hat. Nur Norman Barnett und der junge
Neddy halten ihm die Treue und helfen ihm bei seinen Ermittlungen. Die
Atmosphäre des viktorianischen London hat der Autor sehr gut eingefangen.
Teilweise ist es erschütternd zu lesen, in welchen Verhältnissen die Armen in
diesem Zeitalter lebten. Sie wohnten oft zu viert oder mehreren Personen in
einem einzigen, winzigen Zimmer, sie haben sich in Lumpen gekleidet und mussten
täglich darum kämpfen, ihre Kinder zu ernähren. Von der Polizei wurden sie
weitestgehend gemieden, ihre Nöte sind der Obrigkeit nicht wichtig genug. Arrowood,
früher ein erfolgreicher Journalist, kennt und versteht diesen Menschenschlag.
Im Gegensatz zu Holmes, legt Arrowood viel Wert auf persönlichen Kontakt zu den
Menschen, er liest in ihren Mienen und in ihren Gesten und zieht daraus seine
Schlüsse. Auch wenn Holmes vom Intellekt her die Menschen versteht, lebt
Arrowood unter ihnen und teilt ihr Leid. Und er übernimmt teilweise auch die
dreckigen Methoden der Verbrecher, mit denen er sich abgeben muss. Hier hilft
keine höfliche Konversation, hier sind Fäuste gefragt und gerade Barnett muss
ebenso viel einstecken, wie er austeilt. Auch der kleine Neddy gerät ins Visier
der gefährlichen Verbrecher und hier erlebt der Leser einige sehr emotionale
Momente. Nach dem Tod eines unschuldigen Opfers, dem Verlust seiner Frau und
seines erfolgreichen Jobs als Journalist ein Neddy das einzig Gute, das dem
desillusionierten Mann geblieben ist. Für ihn ist der Junge wie ein Sohn und er
setzt alles daran, ihn zu retten. Was als harmloser Fall eines verschwundenen
Mannes beginnt, wird der nackte Kampf ums Überleben.
Da in diesem
Roman viel über Holmes geschrieben wird, möchte ich als Leser einen direkten
Vergleich ziehen. Sir Arthur Conan Doyle beherrscht die Sprache des ausgehenden
19. Jahrhunderts perfekt und schafft es daher besser, uns in sein London
hineinzuziehen. Dafür ist das London von Finley ungefiltert, direkt und brutal.
Somit glaubwürdiger. Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet und können
überzeugen. Sie wirken menschlicher als Holmes, der über allem steht und
unnahbar scheint. Im Gegensatz zu den Holmes Romane weist diese Geschichte
einige Längen auf und manche Aspekte habe ich nicht ganz verstanden. Das
bezieht sich vor allem auf Barnett und auch auf Ettie, der Schwester von
Arrowood. Sie sorgt für einige heitere Momente in dieser sehr düsteren Erzählung.
In diesem
Roman ist der Helfer ist Norman Barnett
der Erzähler, er ist nicht so versiert wie sein Gegenpol und sprachlich etwas
grober als Watson, was aber durchaus zu den Ereignissen passt. Alles in allem
hat mir die Geschichte sehr gut gefallen. Das Cover hält, was es verspricht und
passt perfekt zu diesem Buch.
Wer Ripper
Street mochte, wird an diesem Buch eventuell Gefallen finden.
Titel: In
den Gassen von London
Reihe:
Arrowood
Autor: Mick Finlay
Verlag:
HarperCollins, TB, 428 Seiten
ISBN:
978395967174-3
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