10 Dezember 2019

Leonardo und der Tod von Petra Berger

Gevatter Tod war es wieder einmal langweilig. Das kam in den letzten Jahrhunderten öfter vor. Außer, immer in seinem dunklen Gewand, mit einer Sense in der Hand in einem dunkel eingerichteten Haus zu hocken und ab und zu mal ein paar Menschen abzuholen, hatte er nichts zu tun. Und für was? Lohn und Brot brachte es nicht, Freunde erst recht nicht. Also all die Arbeit nur, damit die Menschheit ihn fürchtete?  Doch auch das war langsam vorbei, je aufgeklärter die Menschen wurden desto weniger hielten sie es mit der Religion stellte er in letzter Zeit fest. Keinen Respekt, keine Furcht, kein Lohn, keine Gesellschaft - ein beschissener Job, dachte der Tod immer öfter.



 

Zwar gab es immer noch unfassbar viele, überflüssige Kriege mit unzähligen Toten auf der Welt. Aber die gab es schon immer. Die Menschen liebten es eben, sich gegenseitig das Leben wegen Nichtigkeiten schwer zu machen. Nicht sein Bier. Natürlich gab es noch die Sterbenden, die sein Mitleid erweckten. Die langsam dahin siechenenden oder die jungen Menschen, die an einer unheilbaren Krankheit starben. Warum erfanden die Menschen nicht einfach ein paar passende Heilmittel statt immer neue Waffen? Aber sie waren eben unbelehrbar. Und auch die, für die er Mitleid hatte, holte er stets mit stoischer Miene ab. Wäre ja noch schöner, wenn sein Ruf als gnadenloser Sensenmann einen Riss bekäme. Also tat er, was der Tod machen musste.

Früher, ja früher konnte er sich noch mit seinen Besuchern unterhalten bevor er sie an einem der Tore abgab. Ob sie in die Hölle oder in dem Himmel kommen, ist ihm dabei egal. Er macht nur seinen Job.

Aber damals, im Mittelalter und bis ins 18 Jahrhundert hinein, akzeptierte man ihn als den, der er war und diskutierte mit ihm die aufregendsten und seltsamsten Themen. In den alten Zeiten verwechselte man ihn allerdings noch oft mit den Göttern der Unterwelt, nannte ihn Luzifer, Satan oder Osiris, dabei sind das definitiv zweierlei Paar Schuhe. Nein, er ist der Tod, eine eigenständige Persönlichkeit mit starken Charakter und unbestechlich. Er holt die Menschen ab und bringt sie an das Tor. Wohin auch immer es von da aus geht ist ihm egal, er ist neutral, er ist der Sensenmann, der Schnitter, der Tod.

Hören wir doch zu, was er selbst zu seiner Situation zu sagen hat:

»Was waren das für Diskussionen, als ich diesen sogenannten Hunnenkönig Atilla  abholte, mitten in seiner Hochzeitsnacht. Als hätte er vorher nicht schon genug Frauen gehabt«, empörte sich Gevatter Tod. »Er erklärte mir lang und breit, dass er noch das oströmische Reich strafen wolle, das eines seiner Siedlungsgebiete angegriffen hatte. Tja, hätte er weniger gefeiert, gesoffen und herum gehurt, dann hätte er diesen Plan noch vor seinem Ableben verwirklichen können. Aber nein, ICH bin schuld. Ist das gerecht? Ich mache doch nur meinen Job und wenn jemand auf der Abholliste steht, dann ist das eben an der Zeit«, klagte er weinerlich. 
»Um Friedrich I. tat es mir leid, er sorgte für regen Nachschub an Arbeit für mich. Das waren wirklich ertragreiche Zeiten. Sein Tod durch Ertrinken wurde diesem großen Mann irgendwie nicht gerecht aber Auftrag ist Auftrag. Meine Sense setzte dabei tatsächlich etwas Rost an. Ich glaube, Wasser ist nicht unbedingt gut für das alte Ding, ich überlege schon lange, dieses altmodische Teil zu ersetzen. Aber es wirkt so authentisch und überzeugend«. Er musterte kritisch sein Arbeitsgerät und seufzte theatralisch. 
»Ahhh und der Tod von Dschingis- Khan. Mehr als 2000 Seelen wurden mir bei seiner Beerdigung zugeführt. Natürlich war auch der Führer der Mongolen extrem verstimmt als ich ihn, seiner Meinung nach vor seiner Zeit, abberief. Er war schon ein kleiner nimmersatt, als würden 19 Millionen km² Land nicht reichen. Wegen ihm musste ich sogar Überstunden einlegen. Gierschlund elender«, grummelte er weiter. 
»Meinen letzten wirklichen Spaß hat ich mit Leonardo da Vinci. Was war das doch für ein beeindruckender, aufgeweckter und neugieriger Geist. Er wollte mich tatsächlich studieren und stellte mir zig Tausend Fragen über meine Existenz. Mathematik, Physik, Architektur und Kunst, nichts war diesem Mann fremd. Wie gerne hätte ich ihn als Gast länger bei mir behalten. Aber mit wird ja leider nichts gegönnt.«

Der Tod versank immer mehr in Grübeleien und blies weiter Trübsal. Und langsam reifte in ihm eine Idee. Was wäre, wenn er diese schillernde Figur einfach aus der Hölle entführen würde?  Der Teufel hatte unzählige Seelen, der würde den Verlust einer einzigen sicher nicht merken. Er machte sich nichts aus seinen Besuchern, kümmerte sich kaum um sie, außer, er bekam wieder diese Teufelsanwandlungen und wollte jemanden quälen. Dafür zog er aber die heran, die es wirklich verdient hatten. So wie Oppenheimer, der sich anmaßte, sich selbst »den Tod« zu nennen. Darüber ärgerte sich der Sensenmann noch heute, immerhin war ER einzigartig. Ihn hatte der Tod gerne abgeholt und am Höllentor abgeliefert und dabei Luzifer dezent darauf hingewiesen, dass dieser Mensch doch etwas mehr zu quälen sei.

Gesagt getan, Gevatter Tod schlich sich unauffällig in das Domizil von Lucifer. Dabei nahm er den Hintereingang.  Dieser Bereich, der von Thanatos verwaltet wurde, war schon länger verlassen und niemand bemerkte sein Eindringen. Seit es Herakles und Sysiphos gelungen, war  ihn zu überlisten, gab sich Thanatos dem Suff hin und hatte kein Augenmerk mehr auf das Tor. Gevatter Tod suchte und fand Leonardo, der gerade dabei war, eine neue Skulptur des eitlen Gecken Luzifer zu modellieren und nahm ihn flugs mit zu sich.

Leonardo war etwas überrascht, sich plötzlich an einem anderen Ort zu befinden aber als aufgeweckter Geist stellte er sich sofort der neuen Situation. Er sah sich um und runzelte die Stirn.

»Ich kenne Dich doch, Du hast mein irdisches Dasein beendet. Du siehst noch genauso trist und langweilig aus wie damals, als Du mich abgeholt hast. Aber wir hatten ein paar gute Dialoge, das kann ich nicht leugnen.« Kritisch und etwas verächtlich musterte der große Meister die Umgebung. 
»Wie wäre es mit einer Renovierung und Neuausstattung dieses öden Palastes?«, meinte das Genie, während es sich weiter abschätzig umblickte. Seine wahren Gedanken sprach er lieber nicht aus. Öde, langweilig, trostlos, farblos, unmodern, das waren ein paar der Adjektive, die ihm zu dieser Bude einfielen. Zwar geräumig aber alles so....tot irgendwie. 
Der Tod war etwas pikiert ob der respektlosen Anrede seines Gastes aber hatte er den berühmten Künstler und Architekten nicht gerade deshalb zu sich geholt? Also nur keinen Ärger zeigen und Leonardo erst einmal schwadronieren lassen. 
»Ich habe Dich geholt, damit Du mir die Langeweile vertreibst und mir ein neues Werkzeug erschaffst. Unsere Dispute damals fand ich sehr vergnüglich und wenn Du mir hilfst, wird es Dein Schaden nicht sein. Und ja, hier ist es schon etwas farblos«, erwiderte der Tod, während er sich ebenfalls in seinem Wohnsitz umschaute. 
Leonardo war etwas irritiert. Er war doch schon tot, was also konnte ihm der Sensenmann groß anbieten? Auch in der Hölle war er eine anerkannte Persönlichkeit und  konnte sich vor Aufträgen kaum retten. Er war berühmt, angesehen und  beliebt. Die Damenwelt der Hölle lag ihm, zu Füßen. Aber was soll's? Dieser einsamen, düsteren Gestalt etwas Zeit zu widmen konnte für etwas Abwechslung und Erheiterung sorgen. Wer konnte schon von sich behaupten, den Tod neu ausgestattet zu haben? Das würde seinen Ruf als begnadeter Künstler weiter festigen und ihn bei den Frauen sicher noch interessanter machen. Er hatte da schon eine reizende Dame im Blick, die seinen Avancen aber bisher widerstand. 
»Also gut«, sprach er. »Bevor ich aber in dieser deprimierenden Kaschemme arbeiten kann, brauche ich zuerst eine eigene Werkstatt und etwas Licht und Farbe in meinen vier Wänden, dazu etwas Wein und ein fürstliches Mahl«, verlangte Leonardo und bekam flugs das Gewünschte. Man konnte nicht sagen, dass der Tod knauserig war. 
Leonardo ließ es sich zunächst einmal gut gehen und fragte seinen Gastgeber dann: »Nun, was soll es sein, Freund Tod? Wie kann ich Dir zu Diensten sein?« 
Der Sensenmann zögerte etwas, dem Künstler seine Wünsche vorzutragen, druckste ein wenig herum, dann rückte er doch mit der Sprache heraus. 
»Um mich abzulenken habe ich mir da dieses eine Spiel zugelegt, das die Menschen heutzutage spielen. In diesem Spiel heißt es, Du hättest einem gewissen Meisterassassinen Namens Ezio extra Dolche entworfen, die er in seinen Armschienen tragen kann. Ich bin es leid, immer diese Sense mit mir herum zu schleppen. Ich hätte gerne einen Teleskopstab für meine Sense und etwas, in dass ich das Sensenblatt einrasten lassen kann. So zusammengeklappt und auf Schwertlänge reduziert, könnte ich die Sense auf meinem Rücken in einem Köcher tragen und müsste sie nicht immer in der Hand halten. Das Sensenblatt sollte durch Druck eines Knopfes schnell ausrasten können. Wäre ja peinlich, wenn ich vor einem Menschen stünde und das Teil sieht so lächerlich kurz und ungefährlich aus. Die Sense ewig in der Hand zu halten ist unbequem und ich habe schon Schwielen an der linken Hand«, klagte der Tod. 
»Ezio? Ich kenne keinen Ezio aber so ein Gerät könnte ich tatsächlich mühelos entwickeln«, entgegnete Leonardo, der diesen Auftrag nicht einmal als richtige Herausforderung betrachtete. Ein Kinderspiel für einen wachen Geist wie ihn. Aber was sollte man von so einem schlichten Gemüt wie das des Todes schon groß erwarten? Dessen Waffenarsenal aus einer langweiligen, schon Rost ansetzende Sichel bestand. Was gab es nicht alles für beeindruckende Waffen, die den Menschen das fürchten lehren konnten? Eine einfache Sichel gehörte für Leonardo eindeutig nicht dazu. 
Als ihm nun eine eigene Werkstatt zur Verfügung stand, (etwas was ihm der Teufel in der Hölle nicht ermöglicht hatte) machte sich Leonardo ans Werk. Er dekorierte  das ganze Domizil des Todes um. Da dieser wieder einmal auf Seelensammeltour auf der Erde wandelte, bekam er von den künstlerischen Anwandlungen seines Gastes nichts mit. Was sicherlich auch besser so war, denn Leonardo ließ seiner Fantasie freien Lauf. Er hatte sich von den neuen Künsten inspirieren lassen. Moderne Kunst gefiel ihm, auch wenn er die Farben seines Jahrhunderts bevorzugte.  Hier hatte er endlich wieder Gelegenheit, sich zu entfalten, ohne dass ihm jemand reinredete. Es war ihm schon immer lieber gewesen, wenn seine Auftraggeber das Werk erst nach dessen Beendigung in voller Pracht sahen. Der Tod war auf Arbeit, eine Haushälterin hatte er nicht und Lakaien ebenso wenig. Darüber grübelte Leonardo einen Moment nach. »Wie schaffte es ein Einzelner eigentlich, gleichzeitig überall als grim reaper unterwegs zu sein und keine einzige Seele zu verpassen? War das vielleicht Schummelei im Spiel?« Darüber musste er einmal genauer nachdenken, wenn er seinen Auftrag erledigt hatte. 
Der Künstler erfand kleine maschinelle Hilfsmittel für den Alltag, er baute Fenster in das lichtlose Haus und stattete sie mit Buntglasscheiben aus, auf denen Szenen aus den Evangelien abgebildet waren. »War der Tod eigentlich gläubig oder Atheist?«, fragte sich der Meister. 
Ein neues Bad, eine hochmoderne Küche und überall ein Spektrum von Farben. Das Haus glitzerte und schillerte, es duftete und leuchtete, kurz gesagt, es war eine wahre Augenweide. Leonardo freute sich schon auf die Rückkehr des Sensenmannes (nannte man jetzt noch so, mit dem Köcher und der versenkbaren Klinge?) und konnte dessen Reaktion kaum erwarten. 
 Als der große Meister so in sich versunken war, bekam er plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Wenn er jetzt darüber nachdachte, beschlich ihn dieses Gefühl tatsächlich nicht zum ersten Mal. Langsam drehte er sich von der Wand weg, die er bemalte und schaute über seine Schulter. Und da stand sie! Erst konnte er die Einzelheiten nicht so erkennen, er sah nur endlos lange Beine und hautenges schwarzes Leder. Es dauerte, bis sein Blick ihr Gesicht erreichte. Ebenmäßige Züge, feine Haut ohne jegliche Falten, alterslos. Und erst die Augen. Glühende schwarze Pupillen, in deren Tiefen ein rötliches Feuer loderte. »Keine Fantasie des Mannes kann sich jemals so einen perfekten Körper ausdenken«, sinnierte er. Seine Zunge klebte ihm am Gaumen, sein Mund war staubtrocken und er brachte keinen Ton hervor. Als die Gestalt seinen Zustand bemerkte, lächelte sie süffisant. 
»Seid mir gegrüßt, edler Leonardo, ich bewundere eure Werke schon seit langem. Wie ich sehe, habt ihr eure Farbpalette etwas erweitert. Meinem Bruder wird das sicher nicht gefallen aber ich finde es sehr geschmackvoll«, gurtte sie. 
»Bruder«?, dachte Leonardo, wieso Bruder? Der Tod ist einzigartig, zeitlos, er hat nicht so etwas Menschliches oder Profanes wie Geschwister. Unmöglich! Verwirrt staunte der große Meister dieses rassige Weib an und wieder brachte er keinen Ton hervor. »Ähm«, stotterte er dann doch. »Mit wem habe ich die Ehre«, fragte er und vollführter einen eleganten Kratzfuß. 
»Ich bin Hel, hat euch mein Bruder nichts von mir erzählt?«, fragte das gottgleiche Wesen. »Typisch«, sagte sie und zog einen Schmollmund. »Er denkt sicherlich, sein Ruf würde leiden, wenn die Menschheit erfahren würde, dass wir uns die Erde aufgeteilt haben. Zu viel Arbeit für einen alleine, weißt Du? Ich ernte im hohen Norden die Seelen«, sagte Hel und schmunzelte weiter über Leonardos verwirrte Miene. »Ich wollte mal schauen, was Ihr hier so treibt, Meister Leonardo, immerhin ist Euer Ruf legendär«, schmeichelte sie ihm. »Gevatter Tod scheint wieder einmal  sehr beschäftigt und ihr sollt ja nicht vor Langweile hier sterben.« Sie lächelte über ihren eigenen Witz. 
Leonardo fühlte sich schon immer zu den Schönheiten der Natur hingezogen und wer war er, die Gesellschaft Madame Tods zu ignorieren? 
Er führte sie durch das Refugium ihres Bruders und plauderte charmant mit der Besucherin. »Meint ihr, es ist sinnvoll, den Wohnsitz meines Bruder mit religiösen Elementen zu schmücken?«, meinte die schwarz gewandete Schönheit. Leonardo antwortete nicht, er war in Gedanken nicht ganz woanders. Warum steht ihr schwarz nur so verdammt gut und lässt sie dermaßen attraktiv erscheinen, während ihr Bruder wie die Langweile in Person aussieht, grübelte der Künstler.  Was ihm die Dame sagte, bekam er überhaupt nicht richtig mit, so fasziniert war er von ihren Lippen, während er sich vorstellte, sie zu küssen. 
»Pardonez moi«, stammelte er, »ich war einen Moment abgelenkt, was sagtet ihr?« Ein spitzbübisches Lächeln umspielte die Mundwinkel Hels, die genau wusste, was den Meister abgelenkt hatte. 
»Mein Bruder ist neutral, er bevorzugt keine Religion,« meinte sie. »Wenn schon religiöse Bilder, dann bitte die aller Glaubensrichtungen, vielleicht fügt Ihr noch eine Skulptur Buddhas oder eine schöne Ikone hinzu, um allen Menschen gerecht zu werden?« 
Sie lächelte Leonardo weiterhin lasziv an, was ihn immer mehr aus dem Konzept brachte. Wieso hatte er nur damals nicht im Norden gelebt, als der Tod ihn holte? Dann wäre es diese Schönheit gewesen, der er gerne gefolgt wäre. Bis hinab in den tiefsten Hades. Allerdings war es im Norden sehr kalt, das hätte sicher zu Lebzeiten seinem südlichen Temperament geschadet. Irgendwie hatte doch alles einen Haken. 
Da Hel einem Flirt nicht abgeneigt schien führte Leonardo sie zum Schluss in das neu entworfene Schlafzimmer des Todes. Hel brach in schallendes Gelächter aus, als sie den Raum sah. Die Decke war bemalt mit Fresken, wie der Palast eines firenzischen Dogen, da konnte Leonardo seine Herkunft nicht leugnen. Und angespornt durch die lange Enthaltsamkeit des Künstlers, waren es sehr erotische Fresken. Dies wurde ihm schlagartig bewusst, als er sie nun in Begleitung Hels betrachtete. 
Ob es letztendlich seine oder ihre Idee war, das neue Schlafzimmer auch gleich auszuprobieren oder ob es die Fresken waren, die dies auslösten war Leonardo egal. Als Hel ihn auf das mit Seide bezogene Bett schubste, war es, als öffne sich ihm der Himmel. 
»Welch eine Verschwendung an meinen langweiligen Bruder«, hauchte Hel.

»Zum Teufel mit Euch Beiden,«, fluchte der Tod, als er Hel und Leonardo in flagranti erwischte. Doch das war natürlich genau der Satz, den er niemals hätte ausrechen dürfen, denn schwupps, verschwand Leonardo wieder in der Hölle.

 

Hel lächelte süffisant, auch wenn sie es bedauerte, dass ihr trautes Zusammensein mit Leonardo so abrupt unterbrochen wurde. Männer, die einige Jahrhunderte enthaltsam waren, hatten so viel zu bieten. Und wieder hatte sie es geschafft, ihren Bruder zu ärgern und ihm eines seiner Spielzeug wegzunehmen. Somit stand es 151: 1 für sie in diesem endlosen Spiel. Der Typ war ja so naiv und durchschaubar. Fast schon wurde sie des Wettkampfes überdrüssig aber Leonardo hatte ihr immerhin einige Stunden Spaß bereitet. Eine Seltenheit in dieser so langen Existenz. 
»Du bist noch mein Tod«, sagte der Tod zu Hel, verfluchte sie ebenfalls (allerdings ohne so fatale Auswirkungen) und verließt sein Heim. Das hatten ihm die beiden völlig verleidet.

Seitdem zieht der Tod grimmig durch das Land, sucht eine Bleibe, die seinen Anforderungen entspricht. Sollten Sie also eine düstere, dunkle, geräumige Kaschemme zu vermieten haben, vorzugsweise ohne Fenster und ohne Elektrizität, ich kenne einen geeigneten, ruhigen und zahlungskräftigen Mieter, der keinen Ärger macht. Und sollten sie mal Probleme mit zwielichtigen Gestalten haben, kommt der Tod und hilft ihnen. Ehrenwort.

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