Peter war fertig mit der Welt. Mal
wieder. Er saß in dem kleinen Cafe Namens Elysium und ließ sein Leben Revue
passieren. In den bisherigen 28 Jahren seines kläglichen Daseins hatte er
nichts erreicht. Und nun hatte ihn noch sein bester Freund mit seiner Freundin
betrogen. Bester Freund wohl eher nicht, denn beste Freunde taten so etwas
nicht. Wenn er so über das vergangene Jahr nachdachte, hatte er allen Grund
sich das Leben zu nehmen. Ach was, das vergangene Jahr, sein ganzes Leben war
einfach nur beschissen.
Während er so Trübsal blies bemerkte er
plötzlich, dass er nicht mehr alleine an seinem Tisch saß. Ein Mann
unbestimmbaren Alters hatte ungefragt Platz genommen und lächelte ihn nun an.
„Hallo“ grüßte er Peter und streckte seine Hand aus. „Mein Name ist Joe Black“.
Als Peter weder die ausgestreckte Hand entgegennahm, noch etwas erwiderte, schmunzelte
der Mann. „Kleiner Insiderwitz, natürlich heiße ich nicht Joe Black, was für
ein alberner Name, nenn mich einfach Mort.“
„Einfach nur Mort“ murrte Peter in
Gedanken. „Habe ich Dich an meinen Tisch gebeten? Habe ich Dir das Du
angeboten?“ Er starrte den Fremden finster an, doch der war immun gegen seine
Blicke und grinste weiterhin freundlich vor sich hin.
Die junge Bedienung kam an ihren Tisch
um die Bestellung aufzunehmen. „Einen Espresso, klein, schwarz, am besten
einen, der Tote erwecken kann. Bekomme ich hier so etwas?“ fragte er das
Mädchen.
Sie lächelte ihn an: „Ganz so stark
sicher nicht aber Sie werden mit unserem Espresso zufrieden sein, es ist eine
besondere Mischung. Immerhin sollen sich im Elysium alle wie im Paradies fühlen“,
entgegnete sie. Peter seufzte. Natürlich
stand die Frau auf genau DEN Typ Mann. Drei Tage Bart, schwarzes T-Shirt,
schwarze Jeans, einen Gürtel mit einer Totenkopfschnalle. Wer trug den
heutzutage noch so etwas? Das war vielleicht in den Siebzigern modern aber
heute doch nicht mehr. Und dazu noch
Cowboystiefel! Das war doch wirklich ein modischer Fauxpas.
„Mir auch noch einen Kaffee“, grummelte
er die Bedienung an.
„Bitte“, sagte sein Gegenüber.
„Was, bitte?“, fragte Peter.
„Bringen Sie mir bitte noch einen Kaffee,
müsste der Satz lauten“, sagte Mort. „So
viel Höflichkeit muss sein, auch wenn man Trübsal bläst und sich in
Selbstmitleid verliert. Immer höflich bleiben“, hielt Mort ihm vor. Peter
verdrehte genervt die Augen und versank wieder in seinen morbiden Gedanken.
Zumindest versuchte er es, doch der Blick des Fremden bohrte sich regelrecht in
sein Hirn. Finster schaute er auf und als hätte Mort endlich gemerkt, dass er
störte, nahm er eine Zeitung vom Nebentisch auf, die jemand dort liegen
gelassen hatte und blätterte sie durch. „Kundschaft“, murmelte er, als er die
Seiten mit den Todesanzeigen aufschlug. Peter war nicht klar auf was sich diese
Bemerkung bezog. Es war ihm auch egal, er wollte einfach nur seine Ruhe haben und
endlich überlegen, wie er sich am besten und einfachsten das Leben nehmen
konnte. Und schmerzfrei natürlich.
Er ging noch einmal die Liste seiner
favorisierten Methoden durch, als Mort ihn erneut ansprach.
„Wasser würde ich definitiv
ausschließen“, sagte er in Peters Gedankengang hinein. Peter runzelte irritiert
die Brauen. „Was?“ , grummelte er erneut, da er absolut keine Ahnung hatte,
wovon dieser aufdringliche Kerl sprach. Ihn konnte er doch nicht meinen,
immerhin hatte er nur über das „sich Ertränken“ nachgedacht und nicht laut
gesprochen. „Was?“, fragte er erneut, in der Meinung, irgendetwas verpasst zu
haben.
„Wasser würde ich ausschließen, ertrinken
ist ein furchtbarer Tod, auch wenn alle behaupten, er wäre schmerzfrei und
angenehm“, erzählte Mort.
Peter war sichtlich irritiert. „Woher
weißt Du an was ich gerade denke und wieso meinst Du zu wissen, dass ertrinken
nicht angenehm ist?“, fragte er etwas aggressiv sein Gegenüber. Dieser
antwortete lächelnd: “Ich bin sozusagen ein Experte in Sachen Tod. Glaub mir,
wenn ich sage, ertrinken ist keine angenehme Methode aus dem Leben zu scheiden,
behauptete Mort grinsend.
„Experte?“, stammelte Peter, der etwas
aus dem Gleichgewicht gebracht war. „Wie kann man ein Experte in Sachen
Selbstmord oder Tod sein?“, verlangte er zu wissen. „Das ist doch Quatsch mit
Soße, dann müsstest Du ja einige Suizidversuche hinter Dir haben, alle
misslungen. Dann wärst Du unfähig und dumm. Und auch wenn Du mir auf die Nerven
gehst, wirkst Du auf mich nicht so als würdest Du nichts hinbekommen. In seiner
Rage merkte er nicht einmal, dass er seinen Gesprächspartner mittlerweile
duzte.
„Nein, selber ausprobiert habe ich das
tatsächlich noch nicht, das wäre eher kontraproduktiv“, antwortete Mort immer noch lächelnd. Ihn schien nichts aus der
Ruhe zu bringen. Aber ich habe schon oft das Ergebnis so eines Versuches
gesehen und glaub mir, Du willst sicher nicht ertrinken“, insistierte er.
Das ewige Lächeln und das Gerede
verstörten Peter mehr und mehr. Der Typ wollte eine Diskussion? Ok, konnte er haben, immerhin spielte er schon lange mit
dem Gedanken sich umzubringen und galt somit auch als eine Art Experte.
„Wenn Du ins Wasser gehst, atmest Du
refelxartig Luft ein. Damit wirst Du für einige Zeit mit Sauerstoff versorgt.
Du hältst dann zwar instinktiv die Luft an sobald Du unter Wasser bist aber das
gelingt dir sicherlich für Maximum 90-120 Sekunden. Wenn überhaupt. Das Kohlenmonoxid
in deinem Körper steigt an und du willst automatisch atmen. Wasser gerät in die
Bronchien und so weiter und so fort. Der Körper verfällt in krampfhafte
Zuckungen, deine Trommelfelle scheinen zu platzen und du bekommst
Halluzinationen. Glaub mir, das willst du sicher nicht erleben“, zählt Mort auf.
Peter war einen Moment sprachlos ob der
drastischen Schilderung. Der eindringliche Ton seines Gegenübers wirkte sehr
überzeugend. Und auch wenn er den Mann nicht leiden konnte, begann er nun doch,
über dessen Worte nachzudenken. Aber Ertrinken war ja nicht die einzige
Möglichkeit.
„Und wenn ich von einer hohe Brücke
springe?“, fragte er. „Dann sterbe ich doch gleich beim Aufprall und bekomme
von den folgenden Ereignissen nichts mehr mit“, versuchte Peter sein Gegenüber
aus der Reserve zu locken.
„Das denkst aber nur Du“, schmunzelte
Mort.
Wieso schmunzelte der Kerl nur immer? Das
nervte! Am liebsten würde Peter ihm das Grinsen aus dem Gesicht hauen. Aber auf
eigenartige Weise fasziniert hörte er weiter zu.
„Wenn Du auf das Wasser auftriffst,
brichst Du Dir jeden Knochen im Leib und anschließend erfolgt der geschilderte
Tod im Wasser. Nur, dass jetzt noch die unerträglichen Schmerzen dazu kommen.
Also scheidet der Sprung von der Brücke
für dich auch ebenfalls aus. Was hast du denn noch so in Petto?“, erkundigte
sich der seltsame Mann.
Peter war mittlerweile etwas
verunsichert. „Erhängen wäre eine Alternative“, entgegnete er.
„Hmm, erhängen würde ich an deiner
Stelle ebenfalls definitiv ausschließen. Das ist übel, sehr übel. Wenn dein
Genick nicht gleich bricht, wird der venöse Blutfluss unterbunden, es kommt zu
Stauung der Blutzirkulation. Man bekommt das Gefühl zu platzen.
Und sollte dich jemand finden, bevor Du tatsächlich Tod bist und er wird dich
wiederbeleben, bist du für den Rest deines Lebens gaga,“ zählte Mort auf.
Woher wusste der Kerl das nur alles,
fragte sich Peter. Um sich etwas abzulenken, rief er nach der Bedienung, die
sofort herbeigeeilt kam. Natürlich, Mort hatte wohl diese Wirkung auf Frauen.
"Was darf es sein?", fragte
sie.
Diesmal etwas freundlicher, bestellte
Peter: "Für meinen "Freund" hier bitte noch einen kleinen,
schwarzen und tödlichen Espresso. Um meine Moral aufzubauen brauche ich einen
Kakao mit Sahne. Und am besten noch ein Stück Torte, dazu. Was können sie mir
denn empfehlen?", fragte er sie.
Die junge Frau schaute ihn an und legte
den Kopf etwas schief, als würde sie überlegen. "Sie hatten das letzte Mal
als sie hier waren unsere köstliche Schoko-Bananen Torte. Sie hat ihnen gut geschmeckt,
daher würde ich sie wieder empfehlen, alles andere wäre in Ihrer heutigen
Gemütsverfassung sicherlich eine Enttäuschung," antworte sie etwas frech.
Wow, sie wissen noch, was ich das letzte
Mal hier bestellt habe?", wunderte sich Peter.
"Aber sicher, schließlich sind sie
hier Stammgast. Üblicherweise einer der Netteren, auch wenn sie heute wohl
einen schlechten Tag haben. Aber wer hat den nicht ab und zu?" entgegnete
sie. Dabei schaute sie ihn nochmals lange an, nickte und sagte: " definitiv
Schoko-Banane“, bevor sie davon ging.
Peter wandte sich wieder Mort zu. Verdammt, der Kerl grinste immer noch.
Jawohl, grinste, da nützte kein Thesaurus, für dieses Grinsen gab es kein
anderes Wort.
"Wieso grinst du eigentlich unentwegt?",
fragte Peter leicht aggressiv. "Erfreut es Dich, dass dir die Kellnerin
schöne Augen macht? Wieso fliegen nur alle Weiber immer auf so Typen wie Dich?“,
motzte er.
Da lächelte Mort noch breiter, sofern
das überhaupt möglich war. "Auf mich? Wenn du dich da mal nicht täuschst",
antwortete er. "Die junge Frau scheint ganz eindeutig Gefallen an dir
gefunden zu haben."
Peter runzelte irritiert die Brauen.
"Sicherlich nicht, sie hat dich doch die ganze Zeit angelächelt",
meinte er.
"Das schon. Mich hat sie
angelächelt aber dich hat sie angeschaut. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Das
Lächeln ist nur berufsbedingt. Das gehört zu ihrem Job dazu und bringt mehr
Trinkgeld. Ich wette um deine Seele, dass sie nicht einmal weiß, wie ich
aussehe, wenn du jetzt hingehst und sie fragst", forderte er Peter heraus.
Das ließ sich Peter nicht zwei Mal
sagen. Bevor er es sich noch genauer überlegen konnte, stand er auf und ging zu
der Bedienung, die vorne am Tresen
stand. Sie schaute fragend auf, als Peter näher kam. "Stimmt etwas nicht
oder haben sie noch einen Wunsch, Peter?", wollte sie wissen. Dabei
schaute sie ihn lächelnd an. Sie hatte ein wirklich schönes Lächeln, bemerkte
Peter auf einmal. Wieso war ihm das bisher nie aufgefallen?
"Sie kennen meinen Namen? Woher das
denn? ", fragte er sie.
Die junge Frau errötete leicht. "Sie
waren früher öfter in Begleitung hier,
man bekommt als Serviererin doch den ein oder anderen Gesprächsfetzen mit, da
habe ich ihren Namen aufgeschnappt", erwiderte sie. "In letzter Zeit
kommen sie allerdings immer alleine, das tut mir leid", fuhr sie fort und
fragte ihn erneut nach seinen Wünschen.
Peter war etwas aus dem Konzept gebracht
und es dauerte noch einen Moment, bis er ihr antwortete. " Erinnern sie
sich an den Kerl, der bei mir am Tisch sitzt?", fragte er. „Können sie ihn
beschreiben?"
Diesmal war es an der Bedienung, die
Stirn zu runzeln. "Wenn ich ehrlich sein soll, nicht so richtig. Er hat
irgendwie strubblige Haare aber an mehr erinnere ich mich leider nicht, nur an
seine Bestellung. Ist das wichtig?", fragte sie und blickt in Richtung des
Tisches, wo Mort saß und weiter dümmlich grinste.
"Nein, nein, es ist nicht wichtig.
Er ist nicht wichtig", und bevor er zurück zu seinem Platz gingt fragte er
noch:" Wie heißen sie denn eigentlich"?
"Vanessa", erwiderte sie und
machte sich daran, endlich die Bestellung fertig zu machen.
Peter ging zurück und setzte sich.
"So, meine Seele bekommst du nicht,
sie weiß tatsächlich nicht, wie du aussiehst", erzählte er Mort. Dabei
merkte er nicht einmal, dass er jetzt ein Grinsen über seine Züge zog.
Der erwiderte nichts darauf und wollte
nur wissen: "Sollen wir weiter machen und die beste, bequemste und
einfachste Art des Selbstmordes diskutieren? Ich hätte noch einige Arten in
Petto, auf die du sicher noch nicht gekommen bist. Ich kann dir für alle
Variationen das Für und Wider aufzählen und eine der Möglichkeiten wird dich
sicher ansprechen“,versuchte er Peter wieder in die Diskussion zu ziehen.
In diesem Moment kam Vanessa an ihren
Tisch und brachte das Gewünschte. Mort stürzte seinen Espresso hinunter und
während Peter sich der Torte widmete, verschwand der ungebetene Gast genauso
unheimlich, wie er erschienen war.
Peter war es egal, alle Gedanken an
Selbstmord waren aus seinen Kopf verbannt und Vanessa nahm dort plötzlich einen
Platz ein.
Nachdem er die Torte verzehrt und den
Kakao ausgetrunken hatte, zahlte er bei Vanessa, verabschiedete sich freundlich
und versprach, am Samstag auf einen Kaffee vorbei zu schauen. Vielleicht würde
er sie dann fragen, ob sie mal mit ihm ins Kino gehen würde.
Als er zu seiner Wohnung kam fand er
einen Brief von der Firma in seinem Briefkasten, die ihm erst letzte Woche eine
Absage geschickt hatten. Als er das Schreiben öffnete entglitten ihm die
Gesichtszüge:
Sehr geehrter Herr Sawes,
leider mussten wir Ihrer Bewerbung für
den Posten des Softwareentwicklers eine Absage erteilen.
Doch das Gespräch mit ihnen und ihre
Qualifikation haben bei uns großen Eindruck hinterlassen. Daher möchten wir
Ihnen die Position des Roll Out Managers anbieten.
Sollten Sie Interesse an einem weiteren
Gespräch bezüglich der Konditionen haben, wenden Sie sich bitte an Frau
Ströller. Die Kontaktdaten finden Sie in diesem Anschreiben.
Wir hoffen, Sie bald in unserem Haus
begrüßen zu dürfen.
Peter sprang vor Freude in die Luft. Das
wurde ja immer besser. Die Begegnung mit
dem Tod brachte einem das Leben plötzlich viel näher, sinnierte er und konnte
kaum noch glauben, dass er seinem Leben ein Ende setzen wollte. Er ging nach
oben und wählte die Nummer der Firma.
Der Tod spazierte durch die Straßen der
Stadt und schüttelte leicht den Kopf. "Diese Menschen", sinnierte er.
So leicht aus der Fassung zu bringen und dann wieder so einfach glücklich zu
machen. Diesem Peter würde er sicher lange nicht mehr begegnen, bis dessen
Leben ein normales, sterbliches Ende fand. Er mischte sich nicht oft ein aber
ab und zu verärgerte er den alten Mann da oben ganz gerne.
Pfeifend zog sich der Tod, auch Mort
genannt, in sein Domizil zurück.
Here's
a little song I wrote
You might want to sing it note for note
Don't worry, be happy
In every life we have some trouble
But when you worry you make it double
Don't worry, be happy
Don't worry, be happy now
You might want to sing it note for note
Don't worry, be happy
In every life we have some trouble
But when you worry you make it double
Don't worry, be happy
Don't worry, be happy now
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