Kurz vor seiner Pensionierung möchte der Polizist Leo Storgman noch
einen Fall lösen, der ihm seit 30 Jahren auf der Seele liegt. Zwar wurde damals
ein Täter verhaftet, der aber unter mysteriösen Umstanden zu Tode kam. Und Leo
ist sich sicher, dass der damalige Verdächtige, der Drogendealer und
Kleinganove Deedle, nicht der Täter war. Mysteriös ist es, dass ein Feuer alle
Akten im Archiv vernichtet, kurz bevor sie digitalisiert werden sollen. Hat
vielleicht jemand Angst, dass ein zweiter Blick auf die Akten etwas ans
Tageslicht bringen könnte, das damals übersehen wurde?
Zusammen mit Wilma, einer alten Freundin, geht der
Detektiv den schon fast verwischten Spuren nach. Und immer mehr wird klar, dass
damals nicht korrekt ermittelt und einiges vertuscht wurde. Je näher Leo
der Wahrheit kommt, desto mehr Steine werden ihm in den Weg gelegt und alte
Freunde geraten unter Verdacht.
Kommentar:
Im Jahr 1946, kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges,
wurde auf der Erde ein außerirdisches Virus freigesetzt. Durch dieses
Virus wird den Menschen eine Wild Card zugeordnet. Die sogenannten Asse
erhalten außergewöhnliche Fähigkeiten. Einige dieser Asse haben sich zu einer
Gruppe zusammengeschlossen und versuchen, überall auf der Erde in
Notsituationen zu helfen. Doch die meisten der Menschen erhalten einen
sogenannten Joker, was zu grässlichen Mutationen oder Verstümmelungen
führt. Viele der Joker ertragen ihr Aussehen nicht und fühlen sich von
den Normalos ausgegrenzt. Daher dauerte es nicht lange, bis Jokertown
entstand, ein Viertel, in dem Joker unter Ihresgleichen ein halbwegs
normales Leben führen können. Viele Normalos besuchen Jokertown wegen des
Kicks, hier gibt es die besten Bars und die gefragtesten Bordelle.
Um dem Schmelztiegel zu entsprechen, sind die Teams
der Cops von Jokertown jeweils mit einem Joker und einem Normalo besetzt. Es
gibt kaum Animositäten unter den Kollegen, man akzeptiert sich weitestgehend
so, wie man ist. Allerdings verstehen viele der Kollegen die Beharrlichkeit von
Leo nicht, der unbedingt den alten Rathole-Fall lösen möchte. Er weckt damit
schlafende Hunde und reißt viele alte Wunden auf. Unter anderem bei seinem
Freund Pater Squid, der in eine der ermordeten Kellnerinnen verliebt war.
Ich habe bisher alle Bände der Neuauflage gelesen und
ich muss zugebendas mir die Bücher, die in Jokertown spielen besser gefallen als
die Bände um die American Heroes. Vielleicht, weil es einfach schon zu viele
Heldengeschichten gibt. Die Joker werden aus der Gesellschaft
weitestgehend ausgegrenzt, Kinder werden von ihren Eltern im Stich gelassen,
Eheleute von ihren Partner verlassen. Wenn zwei Joker zueinander finden, müssen
sie Angst davor haben, welche Mutation ihre Kinder bekommen werden oder ob sie
überhaupt überlebensfähig sind. Oft werden die grausam entstellten Menschen
wegen ihrer Gefühle verhöhnt und sie verbringen ein Leben in Einsamkeit.
Man empfindet als Leser tiefes Mitleid mit diesen Kreaturen, die
teilweise kaum noch etwas Menschliches an sich haben. Ich möchte aber nicht
behaupten, dass ich mich anders als die Normalos hier verhalten würde, wenn ich
einem Menschen mit Tentakeln oder einem Schlangenleib gegenüberstehen würde.
Zitat Seite 34:
"Mach dir keinen Kopf, Grünschnabel. Pass einfach
auf, dass das Mitleid nicht Dein Urteilsvermögen trübt. Und übertreib's nicht
damit, sie alle für unschuldig zu halten, bloß weil sie Betroffene sind und du
sie ekelig findest."
"Und jetzt musst Du die Joker noch als Menschen betrachten.
Was bedeutet, dass sie wie die meisten Menschen Ärsche sind"
"Das ist eine verdammt deprimierende
Einstellung."
"Ich bin nur realistisch. Wir sind Cops, das
bedeutet, dass wir das Schlechte sehen, nicht das Gute."
Es gibt eine Kirche für Joker und in der Army gibt es
eine eigene Jokerbrigade, das veranschaulicht aber einfach nur, dass die Joker
überall ausgegrenzt werden. Es ist auch keine anerkannte Kirche, Pater Squid
wurde exkommuniziert, geht aber nichtsdestotrotz seiner seelsorgerischen
Pflichten nach. Hier ein Zitat, welches die Engstirnigkeit der Kirche
verdeutlicht.
"Das sind keine Kinder, spie Bischoff Contarini aus.
Das ist die Brut von Dämonen! Teufel! Ungeziefer...
Was mir an den Büchern, die in Jokertown spielen, so
gut gefällt sind die kleinen Schicksale und der Humor, der immer wieder
aufblitzt.
Beispiele: Der
interne Ermittler steckt im Körper einen riesigen Ratte und muss jemandem
beistehen, der über einen Schlangenkörper verfügt. Natürlich muss die Schlange
ihren Wunsch unterdrücken, die Ratten zu verspeisen, ebenso muss Vince seinen Fluchtinstinkt
in den Griff bekommen, wenn er eine Schlange sieht.
Und wenn ein Joker sich in eine Katze verwandelt,
dabei seine Kleidung zurück lässt und diese ihm bei seiner Rückverwandlung
fehlt, sorgt das für einige sehr peinliche und skurrile Situationen. Urkomisch
wird es, wenn die Katze auf dem Schoß eines Kollegen sitzt, der eine
Verdächtige verhört und sich dann umgehend zurück in einen Menschen verwandeln
muss. Es gibt viele solcher anrührenden, teil heiteren oder auch traurigen
Kleinigkeiten, die das Herz dieser Geschichten ausmachen.
Was mich in diesem Band allerdings wirklich verärgert
hat, waren zwei gravierende Fehler der Autoren. Zitat von Seite 367: Er hatte
auch Jetboy getötet, den ersten und größten Schurken der Wild Card Ära. Jetboy
war allerdings DER Held der Wild Card Ära. Er stellte sich alleine mit seinem
Flugzeug dem Raumschiff in den Weg und versuchte die Ausbreitung des Virus zu
verhindern. Vergeblich. Er verlor bei diesem Versuch sein Leben. Ihm zu Ehren
wurde ein Denkmal gebaut und der Tag seines Todes wird alljährlich gefeiert.
Desweiteren ist die Rede von Jokern aus dem 19. Jahrhundert. Das Virus wurde
allerdings erst Ende der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts freigesetzt.
Jedenfalls wird es so in den Bänden über die erste Generation erzählt. Mag
sein, dass dies in den noch erscheinenden Bänden revidiert wird, das weiß man
als Leser aber nicht und empfindet die Fehler als störend. Es darf nicht
passieren, dass in einer Geschichte solch gravierenden Fehler vorkommen Sehr
schön sind allerdings die Hinweise auf die erste Generation und die Asse.
Gerade wenn man alle bisherigen Bände kennt findet man viele Parallelen und
Zusammenhänge. Ich kann zwischen den einzelnen Kapiteln der Autoren keinen
Qualitätsunterschied feststellen. Vielleicht liegt es an der guten Übersetzung,
dass sich dieses Buch, welches sich aus unterschiedlichen Geschichten
zusammensetzt, so flüssig lesen lässt.
Die Cops von Jokertown ist ein in sich abgeschlossener
Band und vermittelt einen guten Eindruck dieser Welt und ihrer Bewohner. Es ist
unsere Welt und wir fühlen uns heimisch, auch wenn dort einiges etwas anders
verlaufen ist. New York ist immer noch New York. Es regieren auch dort Neid und
Missgunst aber auch Liebe und Vertrauen. Gerade bei Michael, einem Normalo, der
sowohl eine Jokerin als auch ein Ass liebt, kommen diese Gefühle stark zum
Ausdruck.
Für mich eines der besten Bücher aus der Wild Cards
Reihe.Vom Zeitraum her würde ich es zwischen der ersten und zweiten Generation ansiedeln, auch wenn sich hier Hinweise auf die American Heroes finden lassen.
Velen Dank für das Rezensionsexemplar. Die Rezension
spiegelt meine eigene, subjektive Meinung wieder und ist keine Werbung für den
Verlag oder das Buch!
Titel: Die Cops von Jokertown Band 1
Reihe: Wild Cards
Autor: Diverse, Hrsg. George R.R. Martin
Verlag: Penhaligon, TB, 667 Seiten
ISBN: 9783764532147
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