15 September 2018

Die Flucht der Kinder -das Spiel der Götter 16 von Steven Erikson


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Fiedler wird von Mandata Tavore genötigt, die Drachenkarten zu legen Jede Karte ordnet einer Person eine Rolle zu. Doch die Auserwählten sind die merkwürdigsten Gestalten, die man sich vorstellen kann Keiner wirkt wie ein Held oder als könne er die Welt aus den Angeln heben. Fiedler selbst fühlt sich erschöpft und innerlich ausgebrannt, zu viel Kriege und kaum ertragbare  Verluste liegen hinter ihm. Mehr, als ein Mensch ertragen kann.
Kommentar:
Die Flucht der Kinder ist der sechzehnte Band dieser außergewöhnlichen Reihe. Sowohl der Titel als auch der Klappentext irritieren etwas. Der Handlungsstrang um Rutt und Badalle ist eher nebensächlich und wird sicherlich erst im nächsten Band an Bedeutung gewinnen.
Für mich ist klar erkennbar, dass sich die Serie einem Ende zuneigt. Icarium, Trull Sengar, die Beddict Brüder, Karsa Orlong, ihrer aller Wege führen nach Lether. Die Geschichte der Malazaner verbindet sich mit denen der Letherii. Meine beiden Lieblingsfiguren Fiedler und Tehol treffen aufeinander. Wobei ich finde, dass Tehol nicht mehr zu seiner alten Form aufläuft, ebenso wenig wie sein Berater Bagg. Obwohl es auch in diesem Band immer wieder humorvolle Szenen gibt, gerade innerhalb der Trupps, spielen hier die Tragik und das Leiden der Figuren eine wesentlichere Rolle.  

Da ich über den Inhalt zu einem Band 16 nicht viel sagen möchte, hier zwei schöne Textstellen aus dem Buch. Sie verdeutliche, wie gekonnt sich der Autor auszudrücken vermag und wie bildgewaltig und treffsicher seine Sprache ist.
Seite 138, Schluckse sinniert über das Älter werden:
"Alt zu werden war ein Elend. Erst wurde die Haut schlaff. Dann begann der Körper an allen möglichen Stellen zu schmerzen, sogar an welchen, die überhaupt nicht existierten. Ein Zucken hier, ein Zwacken da und Krämpfe dort. Und die ganze Zeit wurde die Haut immer schlaffer, wurden die Furchen tiefer, die Falten faltiger und die ganze Schönheit ging weg. Die schwingenden Hinterbacken, die unschuldigen, breiten, flachen Titten. Das Gesicht, dem das Wetter noch nichts anhaben konnte, und die Lippen, nach wie vor süß und weich wie kleine Säckchen aus ausgelassenem Fett. Alles dahin. Übrig blieb nur der Verstand, der sich immer noch als jung empfand, der noch eine Zukunft vor sich hatte, gefangen in einem Sack aus labberigem Fleisch und brüchigen Knochen. Das war nicht gerecht."
Bewundernswert finde ich bei Steven Erikson die Vielfalt an Figuren und ihren passenden Namen. Wenn man in die malazanischen Armee eintritt, gibt man sein altes Ich auf und sucht sich einen neuen Namen. Neben den altbekannten Figuren wie Schädeltod, Lächeln, Balsam, Sergeant Gesler, Korporal Totstink oder Korporal Stürmisch kommen neue Rekruten hinzu wie die Sergeanten Morgenrot und Rotznase oder die Korporals Zuckerspeck und Rumkugel. Gerade die beiden letztgenannten sorgen für einige heitere Momente in der von Tod und Elend heimgesuchten Zeit.
Ein weiteres Zitat von Seite 148: Schild-AmbossTanakalian denkt über das Heldentum nach"
"Allerdings hatte er mittlerweile ohnehin den Verdacht, dass ganz unabhängig von der Zeit und den Umständen kein Held auch nur annähernd so war wie die, deren Geschichten ihm vor so vielen Jahren erzählt worden waren. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ihm immer klarer geworden war, dass so viele sogenannte Tugenden, die als würdige Ziele angepriesen wurden, eine dunklere Seite besaßen. Ein reines Herz bedeute auch brutale Unnachgiebigkeit. Für unbeugsamen Mut war kein Opfer zu groß, selbst wenn es bedeutete, zehntausend Soldaten in den Tod zu führen. Verratene Ehre konnte zu störrischem Wahnsinn auf der Suche nach Befriedigung werden. Hehre Eide konnten ein Königreich in Blut ertränken oder ein Imperium zu Staub zermalmen. Nein, Heldentum war in Wirklichkeit etwas Schmutziges, Wirres mit unzähligen Seiten, von denen viele hässlich und fast alle furchterregend waren.
Der Autor lässt viele seine Protagonisten zeitweise in philosophische Betrachtungen versinken oder ein Thema reflektieren. Das verleiht diesem Epos eine ungeahnte Tiefe und verführt den Leser dazu, ebenfalls über diese Themen nachzudenken. Dabei wird es aber nie zu langweilig, schwülstig oder pathetisch. Die Trupps, welche der Mandata folgen, sind pragmatisch. Sie genießen das Leben, wissen um ihre Stellung im Hier und Jetzt und machen das Beste daraus. Kleine Insubordinationen gegenüber den Führungsoffizieren sind an der Tagesordnung und ich muss immer wieder schmunzeln, wie einfallsreich die Soldaten dabei sind. Sie sind Überlebenskünstler. Die Diskrepanz zwischen den Malazanern und der letherischen Armee könnte kaum größer sein, Brys Beddict versucht alles, um sein Heer den fremden Truppen anzupassen. Aber der Unterschied liegt im Herzen, in der Grundeinstellung, an den Erfahrungen und an der Treue untereinander. Ein malazanischer Trupp kann durchaus auch ohne eindeutige Befehle kämpfen, die Soldaten agieren selbstständig oder innerhalb ihres kleinen Verbandes. Die Letherii sind den Befehlshabern hörig und folgen blind allen Befehlen, wie abstrus sie auch sein mögen.  Ein passendes Zitat dazu von Igel:" Hier kommt eure erste Lektion. Wenn ihr die Wahl habt zwischen angenehm und unangenehm, wählt das Angenehme. Wartet nicht auf irgendwelche verdammten Befehle. Wenn ihr abgelenkt und gereizt seid, werdet ihr nur noch müder. Wenn ihr müde seid, kann das euer Tod sein. Wenn es zu heiß ist, sucht Schatten. Wenn es kalt ist, packt euch warm ein. Wenn ihr an einer schlechten Stelle mit vielen Fliegen seid, findet eine bessere in der Nähe und geht dorthin. "
Die sagt er zu neuen letherischen Rekruten, die sich der malazanischen Armee angeschlossen haben. Ihnen wurde der idiotische Befehl gegeben, sich bei sengender Hitze neben den Latrinen zu positionieren, wo es vor Fliegen wimmelt.
Ich könnte Seiten lang über die Serie schwärmen. Allerdings ist es zwingend notwendig, dieses Epos von Band eins an zu lesen. Die Handlungsstränge sind vielfältig, die Anzahl der Protagonisten sprengt den Rahmen des Vorstellbaren und oft wird erst nach einigen weiteren Bänden klar, wohin der Autor uns und seine Helden führt. Während ich nach Band fünfzehn noch gedacht hatte, es reicht so langsam, führt uns Steven Erikson in Band sechzehn wieder dorthin, wo der Leser am liebsten ist. Zu Mandata Tavore und ihre Armee und wir sind gespannt, wo sie ihre Truppen nun hinführt. ich werde ihr sicher in die Ödnis folgen.
Ein Glossar und Karten zu den Ländern sind auch diesem Band beigefügt.
Titel: Die Flucht der Kinder
Übersetzer: Tim Straetmann
Verlag: Blanvalet, TB, 782 Seiten
ISBN:9783773416113-1

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