Fiedler wird von Mandata Tavore genötigt, die
Drachenkarten zu legen Jede Karte ordnet einer Person eine Rolle zu. Doch die
Auserwählten sind die merkwürdigsten Gestalten, die man sich vorstellen kann
Keiner wirkt wie ein Held oder als könne er die Welt aus den Angeln heben.
Fiedler selbst fühlt sich erschöpft und innerlich ausgebrannt, zu viel Kriege
und kaum ertragbare Verluste liegen hinter ihm. Mehr, als ein Mensch
ertragen kann.
Kommentar:
Die Flucht der Kinder
ist der sechzehnte Band dieser außergewöhnlichen Reihe. Sowohl der Titel als
auch der Klappentext irritieren etwas. Der Handlungsstrang um Rutt und Badalle
ist eher nebensächlich und wird sicherlich erst im nächsten Band an Bedeutung
gewinnen.
Für mich ist klar
erkennbar, dass sich die Serie einem Ende zuneigt. Icarium, Trull Sengar, die
Beddict Brüder, Karsa Orlong, ihrer aller Wege führen nach Lether. Die
Geschichte der Malazaner verbindet sich mit denen der Letherii. Meine beiden
Lieblingsfiguren Fiedler und Tehol treffen aufeinander. Wobei ich finde, dass
Tehol nicht mehr zu seiner alten Form aufläuft, ebenso wenig wie sein Berater
Bagg. Obwohl es auch in diesem Band immer wieder humorvolle Szenen gibt, gerade
innerhalb der Trupps, spielen hier die Tragik und das Leiden der Figuren eine
wesentlichere Rolle.
Da ich über den
Inhalt zu einem Band 16 nicht viel sagen möchte, hier zwei schöne Textstellen
aus dem Buch. Sie verdeutliche, wie gekonnt sich der Autor auszudrücken vermag
und wie bildgewaltig und treffsicher seine Sprache ist.
Seite 138, Schluckse
sinniert über das Älter werden:
"Alt zu werden
war ein Elend. Erst wurde die Haut schlaff. Dann begann der Körper an allen
möglichen Stellen zu schmerzen, sogar an welchen, die überhaupt nicht
existierten. Ein Zucken hier, ein Zwacken da und Krämpfe dort. Und die ganze
Zeit wurde die Haut immer schlaffer, wurden die Furchen tiefer, die Falten
faltiger und die ganze Schönheit ging weg. Die schwingenden Hinterbacken, die
unschuldigen, breiten, flachen Titten. Das Gesicht, dem das Wetter noch nichts
anhaben konnte, und die Lippen, nach wie vor süß und weich wie kleine Säckchen
aus ausgelassenem Fett. Alles dahin. Übrig blieb nur der Verstand, der sich
immer noch als jung empfand, der noch eine Zukunft vor sich hatte, gefangen in
einem Sack aus labberigem Fleisch und brüchigen Knochen. Das war nicht
gerecht."
Bewundernswert finde
ich bei Steven Erikson die Vielfalt an Figuren und ihren passenden Namen. Wenn
man in die malazanischen Armee eintritt, gibt man sein altes Ich auf und sucht
sich einen neuen Namen. Neben den altbekannten Figuren wie Schädeltod, Lächeln,
Balsam, Sergeant Gesler, Korporal Totstink oder Korporal Stürmisch kommen neue
Rekruten hinzu wie die Sergeanten Morgenrot und Rotznase oder die Korporals
Zuckerspeck und Rumkugel. Gerade die beiden letztgenannten sorgen für einige
heitere Momente in der von Tod und Elend heimgesuchten Zeit.
Ein weiteres Zitat
von Seite 148: Schild-AmbossTanakalian denkt über das Heldentum nach"
"Allerdings
hatte er mittlerweile ohnehin den Verdacht, dass ganz unabhängig von der Zeit
und den Umständen kein Held auch nur annähernd so war wie die, deren
Geschichten ihm vor so vielen Jahren erzählt worden waren. Vielleicht lag es
aber auch daran, dass ihm immer klarer geworden war, dass so viele sogenannte
Tugenden, die als würdige Ziele angepriesen wurden, eine dunklere Seite
besaßen. Ein reines Herz bedeute auch brutale Unnachgiebigkeit. Für unbeugsamen
Mut war kein Opfer zu groß, selbst wenn es bedeutete, zehntausend Soldaten in
den Tod zu führen. Verratene Ehre konnte zu störrischem Wahnsinn auf der Suche
nach Befriedigung werden. Hehre Eide konnten ein Königreich in Blut ertränken
oder ein Imperium zu Staub zermalmen. Nein, Heldentum war in Wirklichkeit etwas
Schmutziges, Wirres mit unzähligen Seiten, von denen viele hässlich und fast
alle furchterregend waren.
Der Autor lässt viele
seine Protagonisten zeitweise in philosophische Betrachtungen versinken oder
ein Thema reflektieren. Das verleiht diesem Epos eine ungeahnte Tiefe und
verführt den Leser dazu, ebenfalls über diese Themen nachzudenken. Dabei wird
es aber nie zu langweilig, schwülstig oder pathetisch. Die Trupps, welche der
Mandata folgen, sind pragmatisch. Sie genießen das Leben, wissen um ihre Stellung
im Hier und Jetzt und machen das Beste daraus. Kleine Insubordinationen
gegenüber den Führungsoffizieren sind an der Tagesordnung und ich muss immer
wieder schmunzeln, wie einfallsreich die Soldaten dabei sind. Sie sind
Überlebenskünstler. Die Diskrepanz zwischen den Malazanern und der letherischen
Armee könnte kaum größer sein, Brys Beddict versucht alles, um sein Heer den
fremden Truppen anzupassen. Aber der Unterschied liegt im Herzen, in der
Grundeinstellung, an den Erfahrungen und an der Treue untereinander. Ein
malazanischer Trupp kann durchaus auch ohne eindeutige Befehle kämpfen, die
Soldaten agieren selbstständig oder innerhalb ihres kleinen Verbandes. Die
Letherii sind den Befehlshabern hörig und folgen blind allen Befehlen, wie
abstrus sie auch sein mögen. Ein passendes Zitat dazu von Igel:"
Hier kommt eure erste Lektion. Wenn ihr die Wahl habt zwischen angenehm und
unangenehm, wählt das Angenehme. Wartet nicht auf irgendwelche verdammten
Befehle. Wenn ihr abgelenkt und gereizt seid, werdet ihr nur noch müder. Wenn
ihr müde seid, kann das euer Tod sein. Wenn es zu heiß ist, sucht Schatten.
Wenn es kalt ist, packt euch warm ein. Wenn ihr an einer schlechten Stelle mit
vielen Fliegen seid, findet eine bessere in der Nähe und geht dorthin. "
Die sagt er zu neuen
letherischen Rekruten, die sich der malazanischen Armee angeschlossen haben.
Ihnen wurde der idiotische Befehl gegeben, sich bei sengender Hitze neben den
Latrinen zu positionieren, wo es vor Fliegen wimmelt.
Ich könnte Seiten
lang über die Serie schwärmen. Allerdings ist es zwingend notwendig, dieses
Epos von Band eins an zu lesen. Die Handlungsstränge sind vielfältig, die
Anzahl der Protagonisten sprengt den Rahmen des Vorstellbaren und oft wird erst
nach einigen weiteren Bänden klar, wohin der Autor uns und seine Helden führt.
Während ich nach Band fünfzehn noch gedacht hatte, es reicht so langsam, führt uns
Steven Erikson in Band sechzehn wieder dorthin, wo der Leser am liebsten ist.
Zu Mandata Tavore und ihre Armee und wir sind gespannt, wo sie ihre Truppen nun
hinführt. ich werde ihr sicher in die Ödnis folgen.
Ein Glossar und
Karten zu den Ländern sind auch diesem Band beigefügt.
Titel: Die Flucht der
Kinder
Reihe: Das Spiel derGötter Band 16
Autor: Steven Erikson
Übersetzer: Tim
Straetmann
Verlag: Blanvalet,
TB, 782 Seiten
ISBN:9783773416113-1
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