1893: Sir Arthur Conan Doyle ist es
leid, dass sein Schaffen nur auf Sherlock Holmes reduziert wird. Er hasst seine
Figur und, wie alle Sherlock Holmes Fans wissen, tötet er den berühmten
Detektiv. Er ließ ihn die Reichenbachfälle herunterstürzen.
Nur hatte der Schriftsteller nicht mit
der Reaktion des Volkes auf diese grausame Tat gerechnet. Eine alte Dame
schlägt ihm ihre Handtasche ins Gesicht und schreit »Mörder«, er bekommt
Hassbriefe und alle gipfelt in einer Briefbombe, die zum Glück nicht so zündet
wie geplant.
Seine Anzeige bei Scotland Yard fruchtet
nichts. Um zu beweisen, dass er ebenso klug und begnadet ist wie seine
Romanfigur begibt er sich auf die Suche nach dem Attentäter und wird auch bald
fündig. Was nach einem einfachen Attentat aussieht erweist sich aber bald als
eine viel größere Sache und gipfelt in die Aufklärung von Mord.
2010:Harold White ist das jüngste Mitglied,
das je bei den »Baker Street Irregulars« aufgenommen wurde. Zitat »Die Baker
Street Irregulars war die weltweit führende der Vereinigungen, die sich den
Sherlock Holmes Studien verschrieben hatte«. Sie besteht meist aus
verschrobenen alten Kerlen und Harold, mit seinen 29 Jahren, passt
ausgezeichnet dazu, denn er ist etwas linkisch und weltfremd, würde eher in das
Zeitalter des großen Detektivs passen als ins 21.Jahrhundert.
Für das diesjährige Treffen ist eine
kleine Sensation angesagt, denn Alex Cole, ein angesehenes Mitglied der
Gesellschaft, hat angeblich das verschwundene Tagebuch des Arthur Conan Doyle
gefunden, das weiteren Einblick in das Schaffen des großen Autors gewähren
soll.
Bevor Alex das Buch jedoch präsentieren
kann, wird er ermordet in seinem Hotelzimmer aufgefunden, das Tagebuch ist
erneut verschollen.
Harold macht sich an die Auflösung des
Verbrechens, zusammen mit der Reporterin Sarah, die sich heimlich in die
illustre Versammlung geschlichen hat.
Nach seinem Vorbild Sherlock Holmes
untersucht Harold die Spuren akribisch und keiner Lösung des Falles immer
näher.
Beide Männer, ACD und Harold White
müssen sich allerdings fragen: » Wenn man alle Antworten kennt, ist man dann
glücklicher?«
Kommentar:
Letzte Woche, bei den Top Ten Thursday,
wurde dieser Titel genannt und mir fiel ein, dass ich das Buch ja noch im Regal
stehen habe. Nach einem Besuch in London mit einer Stippvisite in die Baker
Street war es genau die richtige Lektüre zur richtigen Zeit.
Und was für einen Spaß hat es gemacht,
diese Geschichte zu lesen. Es beginnt damit, dass Arthur Conan Doyle sich mit
einigen Reisebegleitern die Reichenbachfälle anschaut und dabei eine Hasstirade
über Sherlock Holmes vom Stapel lässt. Eine Figur, die ihm zwar Geld
eingebracht und somit einen bequemen Lebensstil ermöglich hat, die aber all
seine andere schriftstellerische Tätigkeit in den Hintergrund rückt. Als er beschließt, sich von der Figur zu
trennen ahnt er nicht, was für einen Shitstorm er damit auslöst. Ich stelle mir
so etwas in der heutigen Zeit mit all den (a)sozialen Medien vor, der Mann wäre
regelrecht vernichtet worden. Als er die Paketbombe erhält ist für ihn das Maß
voll. Wie in seinen Romanen mit SH, hält
Arthur Conan Doyle auch in seinem realen Leben die Polizei für völlig unfähig
und er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Zusammen mit seinem Freund Bram
Stoker fängt er an zu den Spuren zu folgen. Bram Stoker ist nicht gerade
begeistert von seiner Rolle als Watson. Ein herrliches Zitat von Seite 114, das
seine Meinung kundtut: »Watson ist ein billig erkaufter, rein auf den Effekt
gemünzter kleiner Pisser von einem literarischen Hilfsmittelchen. Holmes
braucht ihn zur Lösung seiner Kriminalfälle ungefähr so dringend wie eine
Fußfessel aus Pflastersteinen.«
Trotzdem hilft Stoker seinem Freund bei
den Ermittlungen, denn er kennt sich in den Randzonen Londons wesentlich besser
aus und weiß die Menschen zu nehmen.
Harold White ist ein naiver junger Mann,
der mit seiner Deerstalker-Jagdmütze und seinem altbackenen Auftreten eher
lächerlich wirkt. Im Alter von 29 Jahren schon in diese illustre Vereinigung
aufgenommen zu werden ist wie ein Ritterschlag. Er hat sein Ziel erreicht, doch
was kommt jetzt? Der Mord an Alex Cole gibt Harold die Möglichkeit, auf den
Spuren seines großen Vorbildes zu wandeln und er stellt sich dabei nicht dumm
an. Die junge Journalistin Sarah hängt sich an den Hobbydetektiv, denn sie
erhofft sich eine große Story und sie erkennt auch, dass Harold durchaus fähig
ist, einen Mord aufzuklären.
Die beiden Erzählstränge wechseln sich
ab, was die Spannung ungemein erhöht. Während alle nach dem verschwundenen
Tagebuch suchen, erfährt der Leser nach und nach, was in diesem Zeitraum
geschah. Alles beginnt relativ harmlos, gipfelt aber in einen Höhepunkt, der
mir regelrecht den Atem verschlagen hat.
Graham Moore ist es gelungen, mich
genauso zu fesseln wie Arthur Conan Doyle, doch er verfügt über wesentlich mehr
Humor und ich habe über die Tiraden des ACD oft lachen müssen. Das braucht es
auch bei der Brutalität der Morde und deren Auflösung.
Fazit:
Ein Blick in das Innenleben des Arthur
Conan Doyle, seiner ambivalenten Beziehung zu Sherlock Holmes. Ein spannender
Kriminalfall, des großen Detektivs würdig und mit Harold ein liebenswerter
Charakter dem man gerne folgt. Für mich war Bram Stoker das Bonbon, denn
Dracula ist eines meiner ewigen Lieblingsbücher.
Titel: Der Mann, der Sherlock Holmes
tötete
Autor: Graham Moore
Verlag: Eichborn, Hardcover, 478 Seiten
ISBN: 9783847900382
Schönen guten Morgen!
AntwortenLöschenFreut mich, dass du dir das Buch direkt geschnappt und gelesen hast! Es hört sich wirklich sehr spannend und originell an - ich freu mich jetzt jedenfalls noch mehr darauf :D
Ich wünsch dir ein schönes Wochenende!
Liebste Grüße, Aleshanee
Ich hatte plötzlich Lust drauf. und mir hat es echt Spaß gemacht. Ich hoffe, Dir gefällt es dann auch
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