27 November 2022

Die Wälder am Fluss von Joe R. Lansdale

 

Harry und seine Schwester Tom leben in den dreißiger Jahren im Süden der USA. Eine Zeit der Rassentrennung und Vorurteilen aber auch eine Zeit unendlicher Freiheiten für Kinder. Eine Zeit des Entdeckens und Staunens. Harry schwärmt für Louise Canerton, eine junge Frau, die ihm Bücher leiht und ihm die Welt der Geschichten öffnet. 
Eines Tages finden die beiden Kinder am Fluss eine brutal zugerichtete Frauenleiche, die mit Stacheldraht an einen Baum gebunden ist. Da es sich um eine schwarze Prostituierte handelt, interessiert den Mord niemanden. Als Harrys Vater, Frisör des Ortes und gleichzeitig Constable, den Mord untersuchen möchte, werden ihm nur Steine in den Weg gelegt, das geht soweit, dass der Klu-Klux-Clan vor der Tür der Familie steht. Eine weitere Leiche wird gefunden, dann eine dritte. Da es sich bei der dritten Leiche um eine weiße Frau handelt, ist der Aufschrei der Bevölkerung groß. Schnell wird ein farbiger Schuldiger gefunden und gelyncht, ohne Beweise, ohne Gerichtsurteil und Harrys Vater kann diese Lynchjustiz nicht verhindern. 
Es kehrt Ruhe ein im Ort, doch es ist eine Ruhe vor dem Sturm.

Kommentar: 
Wir hatten diese Woche bei den top ten thursday das Thema: Bücher, die Dir empfohlen wurden. Der Autor John R. Lansdale wurde an den Themendonnerstagen dort sehr oft erwähnt. Ich kenne Aleshanee von Weltenwanderer nicht persönlich aber eins weiß ich: Wenn sie ein Buch so absolut gut findet, gefällt es mir sicher auch. Mittlerweile habe ich über zehn Bücher auf Grund ihrer Empfehlungen gelesen und jedes hat mir gefallen, auch wenn sie nicht zu meinem Lieblingsgenre gehört haben. 
Die Wälder am Fluss hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Es ist eine ruhige und langsame Geschichte, deren Tiefe sich erst nach und nach offenbart. Trotz des Befreiungskrieges sind die Schwarzen nicht frei, sie werden unterdrückt, diskriminiert und wie der letzte Dreck behandelt. Wer sich wehrt wird erschossen, Rechte haben sie keine. Es ist eine bedrückende Atmosphäre, die der Autor sehr gut zu schildern weiß. Im Gegensatz zu diesem Hass steht die noch unberührte Natur, welche die Kinder sorglos durchstreifen können. Natürlich gibt es in den Wäldern ein unheimliches Wesen, genannt »der Ziegenmann« und die Kinder sind überzeugt, dass er die Frauen ermordet hat. Harry muss aber bald erkennen, dass die menschlichen Abgründe tief sind und der Mensch das brutalste und unbarmherzigste Wesen auf Gottes Erden ist. 
Es ist die Geschichte eines Jungen, der langsam erwachsen wird. Ein Junge der erkennen muss, dass sein Vater nicht immer nur der starke und bewundernswerte Mann ist, als den er ihn bisher gesehen hat. Ein Vater, der ihn lehrt, alle Menschen zu respektieren, nur den Menschen zu sehen und nicht die Hautfarbe.Der ihn lehrt, hinter die Fassade zu schauen. 
Harry erkennt, dass es leichter ist mit dem Strom zu schwimmen und das es hart ist, seine Ansichten zu verteidigen. Dass man für diese Ansichten sogar gehasst, ausgestoßen und verprügelt wird, wenn nicht sogar, getötet. 
Für den Jungen und seine Schwester ist es ein verstörender aber auch ein schöner Sommer. Seine Grandma zieht zu ihnen, eine beeindruckende Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und zusammen mit den Kindern versucht, den Mörder zu finden. Eine Oma, die wunderbare Geschichten zu erzählen weiß und den Kindern hilft, die grausamen Ereignisse zu verarbeiten. 
Der Roman wird aus der Sicht des elfjährigen Harry erzählt. Ein alter Mann liegt sterbend in einem Altersheim und denkt zurück an dieses Abenteuer als er elf Jahre alt war. Die Geschichte ist in fünf Teile eingeteilt die aber fließend ineinander übergehen. An die Sprache muss man sich gewöhnen, der Autor hat den Menschen »aufs Maul« geschaut und so redet jede Person in der ihr eigenen Sprache und Dialekt. Was ich persönlich sehr gut finde. 
Mich hat das Buch ein wenig an »wer die Nachtigall stört« erinnert, das ebenfalls in den 30er Jahren im Süden der USA spielt und in dem Rassismus und Vorurteile ebenfalls in die kindliche Welt eindringen und die Kinder diese Realität langsam begreifen lernen. 
Die Nebenfiguren in diesem Roman haben mir ebenfalls sehr gut gefallen. Sie mögen etwas Klischeehaft sein aber jeder vertritt eine Überzeugung, so dass dem Leser die Problematik der damaligen Zeit sehr gut nahe gebracht wird. 
Ich wollte erst schreiben, dass man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen kann, dass Menschen derart  diskriminiert wurden aber wenn man sich genau umschaut, hat sich in Wirklichkeit nicht sehr viel geändert. Es mag eine andere Art von Diskriminierung sein aber sie ist überall um uns noch vorhanden und wird weiterhin zu oft ingnoriert.

Zum Schluss noch ein Zitat. Für mich ist der Herbst die schönste Jahreszeit und auch Harry geht es ähnlich: »Und diese Zeit des Jahres, der Herbst, war mir die liebste. Warme Tage, kalte Nächte, dunkle Wälder und ein schäumender Fluss. Blätter in vielen Farben, der Mond hell und golden. «

Der Autor schafft es, uns diese wunderschöne Atmosphäre nahe zu bringen, wir streifen mit den Kindern durch die Wälder, werden selbst wieder zum Kind. 

Fazit: 
Ein Junge auf der Schwelle zum Erwachsen werden, der harten Wahrheiten anerkennen und sich entscheiden muss, was für eine Art von Mensch er werden möchte. In beeindruckenden Worten erzählt.
 
Titel: Die Wälder am Fluss 
Autor: Joe R. Lansdale 
Verlag: Dumont, TB, 365 Seiten 
ISBN: 9783832161521

Und wer sich an meiner nicht politisch korrekten Ausdrucksweise stört, der möge diese Rezension nicht lesen. Sie entspricht der des Buches und soll die Problematik der damaligen Zeit verdeutlichen.

2 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Es freut mich wirklich sehr dass dir das Buch auch so gut gefallen hat! Ich fand es wirklich sehr eindrucksvoll geschrieben und man hat auf jeder Seite die Atmosphäre gespürt!
    Ganz lieben Dank auch für die Erwähnung, das freut mich natürlich sehr wenn du mit meinen Buchtipps was anfangen kannst <3

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Guten Morgen, ich habe ja schon viele Bücher gelesen, die auf Deinem Blog erwähnt wurden. Bis auf Quendel haben mir wirklich alle gefallen. Ich schaue mal nach der Krimiserie von ihm, die wird bei Tauschticket sehr gelobt

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