Es ist das Jahr 1944 Berlin. Hitler
träumt noch davon, die Stadt in »Germania« umzutaufen und er glaubt noch fest an
den Endsieg. In dieser größenwahnsinnigen Atmosphäre lebt der ehemalige Kriminalkommissar
Richard Oppenheimer. Da er jüdischer Abstammung ist, wurde er aus dem Dienst
entlassen, der Deportation konnte er nur entgehen, weil seine Frau arischer
Abstammung ist. Das Ehepaar lebt zusammen mit anderen Juden in einem
sogenannten »Judenhaus« in ständiger Angst vor den Übergriffen der Nazis.
In dieser Zeit geht ein Serienmörder in
Berlin um und tötet junge Frauen. Hauptsturmführer Vogler wird mir der Untersuchung
der Morde beauftragt. Der SS Mann kommt mit der Aufklärung der Morde nicht
weiter, das Misstrauen, der Neid und der Konkurrenzkampf innerhalb der SS, der
NSDAP und den anderen Gruppen ist immens, so dass Vogler einen überraschenden
und unerwarteten Weg geht. Er bittet bzw. befiehlt RichardOppenheimer, ihn zu
unterstützen. Abgesehen von den vielen Privilegien, die dem ehemaligen Ermittler
das Leben erleichtern, ist dieser auch viel zu sehr Kommissar, um sich dem
Befehl zu verweigern.
Doch was ist, wenn der Täter ein
linientreuer Nazi ist? Wird man Oppenheimer gewähren lassen oder wird der Fall
vertuscht?
Kommentar:
Wie bei so vielen Büchern, die ich abseits
meines Lieblingsgenres lese, bin ich auch auf dieses Buch durch die »top ten thursday« aufmerksam geworden. Ich kannte schon die Berlin Trilogie von
Philipp Kerr mit seinem etwas gewöhnungsbedürftigen, zynischen und teilweise
frauenverachtenden Privatdetektiv Bernie Gunter. Richard Oppenheimer ist da allerdings
von einem ganz anderen Kaliber und »Germania« hat mir sehr gut gefallen. Harald Gilbers ist es gelungen, die damalige
Atmosphäre sehr gelungen einzufangen und zu schildern. Berlin war und ist schon
immer eine Stadt, die anders ist und das merkt man in diesen Krimi sehr deutlich.
Richard Oppenheimer sitzt hier zwischen
allen Stühlen: Seine Frau Lisa ist eine Arierin, er leidet darunter, dass sie
wegen ihm auf alles verzichten muss. Das Leben im Judenhaus ist nicht einfach,
es gibt keinen Luftschutzbunker, die ihnen zugewiesenen Rationen sind rar und
den Übergriffen der Nazis haben die Bewohner nichts entgegen zu setzen. Als
Hauptsturmführer Vogler auftaucht scheint sich das Leben der Oppenheimers zum
besseren zu wenden. Um die Ermittlungen nicht zu erschweren, darf Oppenheimer
seinen Judenstern entfernen, er bekommt Lebensmittel zu essen, an die er sich
kaum noch erinnern kann und natürlich Kaffee. Aber er weiß auch, dass er nach
Aufklärung der Mordserie für die SS entbehrlich ist und sicherlich liquidiert
werden wird. Daher nimmt er den Vorschlag einer guten Freundin an, sich nach
einem Fluchtweg umzusehen.
Obwohl die Handlung alles in allem sehr düster ist
und das Szenario berückend, kommt die schnodderige Schanze der Berliner
durchaus auch zum tragen. So nennt Hilde, eine gute Freundin Oppenheimers, die
Damen der Gesellschaft »Nazissen«.
Ich persönlich fand die Details zu der
Organisation Lebensborn e.V. sehr bedrückend. Zitat: »erklärtes Ziel von Lebensborn
war es, die arische Rasse zu stärken und Kinder mit möglichst arischem Blut zu
produzieren.« Und auch die Scheinheiligkeit der damaligen Menschen ist erdrückend.
Zitat: »Was mich angeht, sind sie bis zur Beendigung der Untersuchung von der
Zugehörigkeit zum jüdischen Volk suspendiert. Bis dahin sind Sie als Arier zu
behandeln.«
Oppenheimer tappt in die Falle zu
glauben, dass er dadurch ein freier Mann wird. Doch im Judenhaus muss er den
Judenstern wieder anbringen und als eines Tages bei der Ermittlung des Falles
vergisst, den Stern zu entfernen, wird er schnell wieder mit der erbarmungslosen Realität
konfrontiert.
Harald Albers ist es gelungen,
glaubhafte und teilweise sehr ambivalente Figuren zu schaffen. Natürlich möchte
man Vogler hassen aber er hat durchaus seine menschlichen Momente, angepasst an
die damalige Zeit. Hilde unterstützt Oppenheimer wo es nur geht und sie ist es
auch, die ihn zur Flucht überreden kann. Mit Lisa bin ich nicht warm geworden.
Oppenheimer geht zu sehr in dem Fall auf, vernachlässigt seine Frau und
vergisst oft, sich bei ihr zu melden. In seiner Besessenheit, den Fall zu
lösen, bekommt er nicht wirklich mit, was um ihn herum in Berlin vorgeht. Lisa
ist mir dabei zu nett, zu verständnisvoll. Aber das ist rein subjektiv.
Die Vorgehensweise des Mörders ist sehr
brutal und die detailreichen Schilderungen der Verstümmelungen sind nicht für
jedermanns Gemüt. Für mich waren sie aber tatsächlich nur ein Nebenaspekt, da
mich der historische Kontext und die Beziehung zwischen Vogler und Oppenheimer
oder Oppenheimer und Hilde viel mehr interessiert hat. Ebenso die bunte
Stimmung in der Stadt als Gerüchte der ersten Niederlagen Berlin erreichen. Und
auch das Alltagsbild, das Harald Gilbers hier beschreibt, ist durchaus gelungen
und vermag zu fesseln. Der Kriminalfilm war daher für mich eigentlich eher eine
Nebenhandlung. Aber, wie gesagt, das ist absolut subjektiv.
Um einen weiteren Vergleich zu ziehen
habe ich mir jetzt den ersten Band von Volker Kutscher bestellt. Wenn ich das
Buch gelesen habe, werde ich diese Rezension um einen Vergleich erweitern.
Fazit:
Man darf diese Zeit nie vergessen und
schön reden. Wenn solche Romane und Krimis es schaffen, den Leser zu unterhalten
aber auch zu erinnern, haben die Autoren und Autorinnen alles richtig gemacht. Zeitgeschichte
in einer Form, die jeden Leser anspricht.
Titel: Germania
Reihe: Richard Oppenheimer Band 1
Autor: Harald Gilbers
Verlag; Knaur, TB, 533 Seiten
ISBN: 9783426513705
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