Helene Bodenkamp weiß nicht so recht,
was sie sich für ihre Zukunft wünscht. In der Schule belegt sie, mangels
anderer Interessen, einen Programmierkurs und es stellt sich heraus, dass die
junge Frau über eine regelrechte Begabung verfügt. Bei einem deutschlandweiten
Programmierwettbewerb belegt sie den zweiten Platz.
Als sie ihren Abschluss in der Tasche
hat bekommt Helene einen Brief von der NSA. Dahinter verbirgt sich das Amt für
nationale Sicherheit, ein Amt, das kaum einem Deutschen bekannt ist und das
eher im Geheimen operiert. Sie bieten der jungen Frau einen Job an, sie haben
den Werdegang Helenes von Anfang an verfolgt.
Um nicht zu Hause bleiben und als
arische Zuchtstute auf dem Heiratsmarkt angeboten zu werden, nimmt Helene die
Tätigkeit in der NSA auf und erstellt auf Anforderung der Analysten hin diverse
Programme. Sie weiß nicht, für was diese Programme verwendet werden und es ist
ihr auch egal.
Als eines Tages Heinrich Himmler dem Amt
seinen Besuch ankündigt, ist ihr besonderes Talent gefordert, denn das Amt muss
seine Daseinsberechtigung unter Beweis stellen, um nicht der SS angegliedert zu
werden.
Als Helene bei der Demonstration eines ihrer
Programme dabei ist erkennt sie endlich, zu was diese verwendet werden, ihr werden
sprichwörtlich die Augen geöffnet. Von nun an versucht sie mit allen Mitteln,
ihre Freunde und ihren Geliebten vor der Entdeckung durch die SS zu
schützen.
Kommentar:
Dies ist nur ein sehr kleiner Teil der
Handlung. Neben Helene Bodenkamp gibt es einen weiteren Hauptcharakter Namens
Eugen Lettke. Er ist der Sohn eines Kriegshelden und lebt mit seiner
verwitweten Mutter zusammen. Er schafft es, sich vor der Einberufung zu drücken
und den Status »UK« für unabkömmlich zu erhalten. Doch je weiter der Krieg
fortschreitet und je mehr menschliche Ressourcen gebraucht werden, desto
wackeliger wird dieser Status. Lettke, der wie Helene, beim nationalen
Sicherheitsamt arbeitet, versucht mit allen Mitteln, sich dort unabkömmlich zu
machen. Dazu greift er zu unlauteren Mitteln und nutzt die im Amt gesammelten,
geheimen Daten, zu persönlichen Zwecken.
Das Szenario, das Andreas Eschbach hier
schafft, ist erschütternd und unheimlich. Man hat nicht das Gefühl, eine
fiktive Geschichte zu lesen, zu Nahe ist er oft an der Wahrheit.
Man stelle sich vor, Hitler hätte schon
über die Macht der Computer verfügen können. Das Bargeld ist abgeschafft, jede
Transaktion eines jeden Menschen wird im Netz festgehalten und kann verfolgt
werden. Telefone werden überwacht und können jederzeit lokalisiert werden. Wir
haben das Jahr 2020 und viele der hier im Buch geschilderten Dinge sind heute
Alltag. Handys werden geortet, wir zahlen mittlerweile fast alles mit EC oder
Visa Karte und bestellen viele Produkteim Internet. Und jetzt stelle man sich
vor, einer wie Hitler käme an die Macht. All diese Daten könnten dazu genutzt
werden Abweichler, Querdenker, Andersgläubige aufzufinden und einzusperren.
Ohne Gerichtsurteile.
Hier treffen Fiktion und Realität
aufeinander, denn einige Staaten nutzen diese Macht heute schon, um angebliche Staatsfeinde ausfindig zu machen.
Während Eugen Lettke ein Egoist erster
Güte ist, wirkt Helene zu Beginn sehr naiv. Für sie bedeutet programmieren
Freiheit vor ihren Eltern und eine Zeit lang auch Freiheit vor einer Zwangsehe.
Wofür die Programme genutzt werden ist
ihr egal. Sie glaubt fest daran, dass die Daten lediglich dazu dienen, das
Leben der Deutschen zu verbessern oder Verbrechern auf die Spur zu kommen.
Als sie jedoch feststellt, dass man auf
Grund der Programme versteckte Juden oder Deserteure ausfindig machen kann,
beginnt Helene, kleine Veränderungen an den Programmen vorzunehmen, um die
Ergebnisse zu verfälschen.
An sich ein ehrenwertes Unterfangen aber
im Endeffekt macht sie sich der gleichen Sache schuldig wie Eugen Lettke.
Nutzung der Daten zum privaten Gebrauch. Es ist ein moralisches Dilemma. Wenn
einem die Macht gegeben ist, diese Daten zu verwenden, darf man sie nutzen, um
Menschenleben zu retten? Missbrauch ist Missbrauch, wo setzt man die Grenze?
Auch die Regierung argumentiert, dass die Daten lediglich dazu verwendet
werden, um das Leben der Bevölkerung zu verbessern und sie vor Staatsfeinden zu
schützen. Andererseits, wie weit darf eine Überwachung der Menschen gehen? Muss
man sich vom Staat ausspionieren lassen, jedes kleinste Detail seines Lebens
offenlegen und in der Masse von Millionen Menschen ein paar Abweichler zu
finden?
Das Buch rüttelt auf und gibt viele
Denkanstöße aber auch Andreas Eschbach kann hier keine Lösung bieten.
Mittlerweile ist die Vernetzung der Welt viel zu weit fortgeschritten, der
Mensch ist abhängig geworden. Es gibt schon Diskussionen, das Bargeld abzuschaffen,
damit wären wir ein gläserner Mensch. Unser Kaufverhalten wird heute schon
ausgewertet und wir werden gezielt mit Werbung bombardiert, die unserem
Konsumverhalten entspricht.
Ich habe einige Rezensionen zu diesem
Buch auf Amazon gelesen und war erschüttert über die »Ein Sterne« Bewertungen, das
Buch wäre oberflächlich, die Nazis wären zu eindimensional beschrieben, es
hätte schließlich auch Widerstand gegen die Nazis gegeben, was im Buch nicht
thematisiert werden würde. Dem kann ich nur vehement widersprechen. Helenes
Umdenken ist schon ein großer Schritt vom kleinen, süßen arischen Mädchen in
eine junge Frau, die versucht, anderen zu helfen. Marie und Otto haben auf
ihrem Hof schon lange ein Versteck gebaut, in dem sie befreundete Juden
verstecken wollten. es werden immer wieder Fluchthelfer erwähnt, die es Deserteuren
und Juden ermöglichen, das Land zu verlassen.
Desweiteren wird geschrieben, die
Handlung wäre langweilig und zäh. Ich hingegen konnte das Buch kaum aus der
Hand legen. Das Grauen schleicht sich langsam und auf leisen Sohlen in den
Verstand des Lesers. Wenn Dr. Bodenkamp von seiner neuen Tätigkeit erzählt, die
Rasse eines Menschen zu bestimmen und arische Merkmale festlegt. Wenn Dr.
Danzig seine neuen Behandlungsmethoden anwendet. Wenn die Analysten immer
ausgefeilter Programme anfordern um die Menschen mehr und mehr einzuengen und
die Verstecke der Flüchtenden auszumachen. Wie sich die Schlinge um Helene
immer enger zuzieht und ihre Lage immer auswegloser wird. Das alles ist sehr
beängstigend und kriecht einem unter die Haut.
Der Autor hat hier bekanntes und
fiktives auf eine Art miteinander vermischt, dass man vergisst, einen Roman vor
sich zu haben. Computer werden mit K geschrieben., Programmiererinnen nennt der Autor Programmstrickerinnen, Handy
sind Volksphone und Emails sind Elektrobriefe. Alles nah an der Gegenwart aber
doch fiktiv. Ich habe die Serie »the man
in the high castle« gesehen, wo es ja auch um ein alternative drittes Reich
geht und das Szenario nicht minder erschreckend ist. Auch wenn Andreas Eschbach
andere Wege geht, kann man beide Werke durchaus vergleichen. Sie machen Angst,
regen zum Nachdenken an und weisen auf den Schrecken der damaligen Zeit hin.
Fazit:
In einer Zeit, in der die Grausamkeit
des dritten Reichs immer mehr verleugnet wird, Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus wieder um sich greifen und politische Parteien die Angst vor
Überfremdung als Thema aufgreifen, sind solche Bücher wichtiger denn je. Wir
dürfen nicht vergessen!
Titel: NSA
Autor: Andreas Eschbach
Verlag: Bastei Lübbe, TB, 795 Seiten
ISBN: 9783404179008
Hi Petra!
AntwortenLöschenSchön dass dich das Buch auch so begeistern konnte - ich fand es auch klasse, wie Eschbach Vergangenheit, Gegenwart und (nicht so ferne) Zukunft zusammen gebracht hat. Und vor allem wieder sehr aktuelle Themen benennt, die vielen gar nicht bewusst ist, so scheint es mir zumindest. Grade auch was das bargeldlose Zahlen betrifft ...
Die 1 Sterne Rezensionen, die versteh ich auch nicht :D Klar hat er nicht alles reingepackt, das geht ja auch nicht, sonst würden 20 Bände draus werden - aber er hat alles so angeschnitten was wichtig war, dass man einen guten Eindruck und Einblick hatte.
Das mag ich so an seinen (meisten) Büchern, die aktuellen Themen in super spannende Geschichten verpackt!
Liebste Grüße, Aleshanee
Ich habe damals als erstes das Jesus Video gelesen, dann die 1 Billionen Dollar Note..und dann hatte er mich. Ich finde aber, er ist gewachsen und reifer geworden, die Themen aktueller und ernster. Aber immer spannend geschrieben. Dazu kommt, dass er so total nett ist, wenn man ihn trifft.
AntwortenLöschenIch fand die früheren Bücher auch schon sehr "reif", wenn ich das so betiteln kann. Grade das Jesus Video oder 1 Billion Dollar sind ja schon etwas älter, aber haben es schon ganz schön in sich. Ich mag auch Todesengel von ihm sehr und die Mars-Reihe
Löschen