Als Susan Ryeland Freitags von einer
Lesereise zurückkommt, liegt ein neues Manuskript des Krimiautors Alan Conway
auf ihrem Schreibtisch. Susan ist Lektorin
bei Cloverleaf Books und Alan Conway ist der Star des Verlags.
Hier lag nur der achte Band seiner
Krimireihe um den Detektiv Atticus Pünd vor, ein klassischer whodunnit Krimi im Stile von Agatha
Christie.
Susan macht es sich für das Wochenende
zu Hause bequem und neugierig fängt sie an zu lesen. Das Buch enthält alles,
was ein guter Kriminalroman braucht, das Szenario und die Dialoge sind perfekt,
die Protagonisten bestechend klar beschrieben. Leider muss Susan feststellen,
dass das letzte Kapitel des Buches fehlt.
Als sie am Montag zur Arbeit fährt, hört
sie im Radio, dass der erfolgreiche Autor Alan Conway gestorben ist. Laut einem
Abschiedsbrief litt er unheilbar an Krebs und wollte nicht länger leben und
leiden.
Da die Existenz des kleinen Verlages von
der Veröffentlichung des Manuskripts abhängt,
begibt sich Susan auf die Suche nach dem letzten Kapitel. Und stößt dabei in
ein Wespennest voller ambivalenter Gefühle.
Kommentar:
Die Aufmachung des Romans von Anthony
Horowitz fand ich sehr spannend gemacht. Ein Roman in einem Roman, eine
kunstvolle Verschachtelung zweier Handlungsstränge. Und eine Hommage an die
große Lady of Crime Agatha Christie.
Mir ist schon beim "Mitlesen" des Manuskripts
aufgefallen, dass Atticus Pünd sehr viel Ähnlichkeiten mit dem Meisterdetektiv
Hercule Poirot aufweist und immer wieder finden sich im Text versteckte
Hinweise auf die Romane der berühmten Autorin. Auf Seite 418 führt Matthew Prichard dann diese Romane
auf, aus denen sich Alan Conway bedient hat. Er nennt es nicht Plagiat aber
jeder erkennt die auffälligen Ähnlichkeiten von Namen, Personen und Orten. Im
Grunde genommen macht es Anthony Horowitz nicht anders. Er schreibt spannende
Bücher bedient sich aber Arthur Conan Doyles ebenso wie Agatha Christies. Dies
verwebt er in einen fesselnden Kriminalroman, der absolut neuartig und an
Spannung kaum zu überbieten ist.
Der Protagonist in Alan Conways Roman ist
ebenso Ausländer wie Hercule Poirot. Atticus Vater stammt aus Kreta, seine
Mutter ist Deutsche. Der Roman spielt in den 50er Jahren, die Engländer müssen
erst wieder lernen, dass der Deutsche kein Feind mehr ist. Atticus hat seine
ganze Familie im Konzentrationslager verloren, er selbst hat Bergen-Belsen nur
knapp überlebt. Pünd hatte alle Facetten des menschlichen Wesens kennen
gelernt. Vom absolut Bösen bin hin zu vollendeter Güte und Opferbereitschaft.
Dies macht ihn zu einem großartigen Ermittler. Er ist ein älterer, in sich
gekehrter und etwas melancholischer Mann, ein Einzelgänger der nur eine Passion
hat: Sein Buch "The Landscape of Criminal Investigation" zu beenden
und zu veröffentlichen. Ihm zur Seite steht sein Sekretär James Fraser, ein
blasser und unscheinbarer Mann ohne Profil. Er reicht weder an Captain Hastings
noch Stringer heran und ein Watson ist er erst recht nicht.
Ein schönes Zitat von Seite 208
beschreibt, wie Pünd seine Ermittlungen führte. Hier sind es nicht die kleinen
grauen Zellen, sondern eher Gefühle und Emotionen.
"Aber
Pünd ließ sich Zeit. Fraser wusste, dass er garnicht so sehr nach konkreten
Hinweisen suchte, sondern die Aura des Hauses erspüren wollte. Er hatte ihn oft
davon sprechen hören, dass Verbrechen Erinnerungen zurück lassen, Echos der
Trauer und des gewaltsamen Todes, die sich mit forensischen Methoden nicht
nachweisen ließen.
In
seinem Buch gab es ein ganzes Kapitel darüber."
Der Leser fiebert mit der Lektorin dem
Ende des Manuskripts entgegen und ist ebenso geschockt, dass die Erzählung
plötzlich abbricht. Susan begibt sich zum Wohnort des verstorbenen Autors und
bei ihren Nachforschungen stellt sie fest, wie unbeliebt Alan Conway bei seinen
Mitmenschen war. Er hielt sich für einen großen Literaten und verglich sich mit
Literatur Nobelpreisträgern. Dass er mit seinen Werken nicht erfolgreich wurde
und seinem Ruhm einen alternden Detektiv zu verdanken hatte, konnten sein Stolz
und seine Arroganz kaum verkraften. Er hasste die Figur des Atticus Pünd und
dies wollt er der ganzen Welt mitteilen.
Zu Beginn des Manuskriptes von Conway
werden die Protagonisten nach und nach vorgestellt, von Susan erfahren wir
zuerst wenig. Zu Beginn der zweiten Hälfte, nach dem die Lektorin das
Manuskript beendet hat, gibt sie mehr über sich preis. Sie übernimmt die
Erzählung und schildert dem Leser, wie sie auf ihrer Reise den Menschen
begegnet, die den Lebensweg Conways gekreuzt haben. Hier kommt es zu einem
Bruch in dem Buch von Horowitz. Während Atticus Pünd in den 50er Jahren
ermittelt, lebt Susan im hier und jetzt. Sie nutzt ein Iphone, fährt einen MG
und sie eine selbstbewusste Single Frau, die in einer lockeren Beziehung lebt.
Diese Gegensätze in dem Roman verdeutlichen genau, wo die eine Story beginnt
und die andere endet. Es werden auch unterschiedliche Schrifttypen benutzt um
zu verdeutlichen, was Manuskript und was "aktuelles" Geschehen ist.
Die war mein zweites Buch des Autors und
es hat mich ebenso begeistert wie "das Geheimnis des weißen Bandes".
Das Buch ist eine Hommage an die großen Krimi
Autoren und Autorinnen des vergangenen Jahrhunderts und das der Enkel
von Agatha Christie hier einen Auftritt erhält, lässt die Geschichte fast
realistisch wirken. Zu Hercule Poirot, Mrs. Marple und Lord Peter Wimsey
gesellt sich ein Atticus Pünd. Vielleicht lässt sich Horowitz ja überzeugen,
diesem Detektiv ein längeres Leben einzuhauchen.
Titel: Die Morde von Pye Hall
Autor: Anthony Horowitz
Übersetzer: Lutz-W. Wollf
Verlag: Suhrkamp-Insel Verlag, HC, 604 Seiten
ISBN: 9783458177388
Schöne Rezi zu einem tollen Krimi! Freut mich, dass Dir das Buch gefallen hat!
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