31 August 2018

Die Morde von Pye Hall von Anthony Horowitz


https://www.suhrkamp.de/buecher/die_morde_von_pye_hall-anthony_horowitz_17738.html
Als Susan Ryeland Freitags von einer Lesereise zurückkommt, liegt ein neues Manuskript des Krimiautors Alan Conway auf ihrem Schreibtisch. Susan ist Lektorin  bei Cloverleaf Books und Alan Conway ist der Star des Verlags.
Hier lag nur der achte Band seiner Krimireihe um den Detektiv Atticus Pünd vor, ein klassischer whodunnit Krimi im Stile von Agatha Christie.
Susan macht es sich für das Wochenende zu Hause bequem und neugierig fängt sie an zu lesen. Das Buch enthält alles, was ein guter Kriminalroman braucht, das Szenario und die Dialoge sind perfekt, die Protagonisten bestechend klar beschrieben. Leider muss Susan feststellen, dass das letzte Kapitel des Buches fehlt.
Als sie am Montag zur Arbeit fährt, hört sie im Radio, dass der erfolgreiche Autor Alan Conway gestorben ist. Laut einem Abschiedsbrief litt er unheilbar an Krebs und wollte nicht länger leben und leiden.
Da die Existenz des kleinen Verlages von der  Veröffentlichung des Manuskripts abhängt, begibt sich Susan auf die Suche nach dem letzten Kapitel. Und stößt dabei in ein Wespennest voller ambivalenter Gefühle.

Kommentar:
Die Aufmachung des Romans von Anthony Horowitz fand ich sehr spannend gemacht. Ein Roman in einem Roman, eine kunstvolle Verschachtelung zweier Handlungsstränge. Und eine Hommage an die große Lady of Crime Agatha Christie.
Mir ist schon beim  "Mitlesen" des Manuskripts aufgefallen, dass Atticus Pünd sehr viel Ähnlichkeiten mit dem Meisterdetektiv Hercule Poirot aufweist und immer wieder finden sich im Text versteckte Hinweise auf die Romane der berühmten Autorin. Auf Seite  418 führt Matthew Prichard dann diese Romane auf, aus denen sich Alan Conway bedient hat. Er nennt es nicht Plagiat aber jeder erkennt die auffälligen Ähnlichkeiten von Namen, Personen und Orten. Im Grunde genommen macht es Anthony Horowitz nicht anders. Er schreibt spannende Bücher bedient sich aber Arthur Conan Doyles ebenso wie Agatha Christies. Dies verwebt er in einen fesselnden Kriminalroman, der absolut neuartig und an Spannung kaum zu überbieten ist.
Der Protagonist in Alan Conways Roman ist ebenso Ausländer wie Hercule Poirot. Atticus Vater stammt aus Kreta, seine Mutter ist Deutsche. Der Roman spielt in den 50er Jahren, die Engländer müssen erst wieder lernen, dass der Deutsche kein Feind mehr ist. Atticus hat seine ganze Familie im Konzentrationslager verloren, er selbst hat Bergen-Belsen nur knapp überlebt. Pünd hatte alle Facetten des menschlichen Wesens kennen gelernt. Vom absolut Bösen bin hin zu vollendeter Güte und Opferbereitschaft. Dies macht ihn zu einem großartigen Ermittler. Er ist ein älterer, in sich gekehrter und etwas melancholischer Mann, ein Einzelgänger der nur eine Passion hat: Sein Buch "The Landscape of Criminal Investigation" zu beenden und zu veröffentlichen. Ihm zur Seite steht sein Sekretär James Fraser, ein blasser und unscheinbarer Mann ohne Profil. Er reicht weder an Captain Hastings noch Stringer heran und ein Watson ist er erst recht nicht.
Ein schönes Zitat von Seite 208 beschreibt, wie Pünd seine Ermittlungen führte. Hier sind es nicht die kleinen grauen Zellen, sondern eher Gefühle und Emotionen.
"Aber Pünd ließ sich Zeit. Fraser wusste, dass er garnicht so sehr nach konkreten Hinweisen suchte, sondern die Aura des Hauses erspüren wollte. Er hatte ihn oft davon sprechen hören, dass Verbrechen Erinnerungen zurück lassen, Echos der Trauer und des gewaltsamen Todes, die sich mit forensischen Methoden nicht nachweisen ließen.
In seinem Buch gab es ein ganzes Kapitel darüber."
Der Leser fiebert mit der Lektorin dem Ende des Manuskripts entgegen und ist ebenso geschockt, dass die Erzählung plötzlich abbricht. Susan begibt sich zum Wohnort des verstorbenen Autors und bei ihren Nachforschungen stellt sie fest, wie unbeliebt Alan Conway bei seinen Mitmenschen war. Er hielt sich für einen großen Literaten und verglich sich mit Literatur Nobelpreisträgern. Dass er mit seinen Werken nicht erfolgreich wurde und seinem Ruhm einen alternden Detektiv zu verdanken hatte, konnten sein Stolz und seine Arroganz kaum verkraften. Er hasste die Figur des Atticus Pünd und dies wollt er der ganzen Welt mitteilen.
Zu Beginn des Manuskriptes von Conway werden die Protagonisten nach und nach vorgestellt, von Susan erfahren wir zuerst wenig. Zu Beginn der zweiten Hälfte, nach dem die Lektorin das Manuskript beendet hat, gibt sie mehr über sich preis. Sie übernimmt die Erzählung und schildert dem Leser, wie sie auf ihrer Reise den Menschen begegnet, die den Lebensweg Conways gekreuzt haben. Hier kommt es zu einem Bruch in dem Buch von Horowitz. Während Atticus Pünd in den 50er Jahren ermittelt, lebt Susan im hier und jetzt. Sie nutzt ein Iphone, fährt einen MG und sie eine selbstbewusste Single Frau, die in einer lockeren Beziehung lebt. Diese Gegensätze in dem Roman verdeutlichen genau, wo die eine Story beginnt und die andere endet. Es werden auch unterschiedliche Schrifttypen benutzt um zu verdeutlichen, was Manuskript und was "aktuelles" Geschehen ist.
Die war mein zweites Buch des Autors und es hat mich ebenso begeistert wie "das Geheimnis des weißen Bandes". Das Buch ist eine Hommage an die großen Krimi  Autoren und Autorinnen des vergangenen Jahrhunderts und das der Enkel von Agatha Christie hier einen Auftritt erhält, lässt die Geschichte fast realistisch wirken. Zu Hercule Poirot, Mrs. Marple und Lord Peter Wimsey gesellt sich ein Atticus Pünd. Vielleicht lässt sich Horowitz ja überzeugen, diesem Detektiv ein längeres Leben einzuhauchen.
Titel: Die Morde von Pye Hall
Übersetzer: Lutz-W. Wollf
Verlag: Suhrkamp-Insel Verlag, HC, 604 Seiten
ISBN: 9783458177388

1 Kommentar:

  1. Schöne Rezi zu einem tollen Krimi! Freut mich, dass Dir das Buch gefallen hat!

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