20 Mai 2018

Die Schatten von Edinburgh von Oscar de Muriel


Inspector Ian Frey ist einer der angesehensten Ermittler von Scotland Yard. Als sein Förderer, Sir Charles Warren in den Ruhestand gezwungen wird, stürzt auch Frey. Das er in der Mordsache Jack the Ripper bisher keine Erfolge erzielen konnte, macht es seinen Gegner leicht, ihn zu Fall zu bringen. Seine arrogante und unnahbare Art hat ihm im Yard keine Freunde geschaffen.
Um im Polizeidienst zu bleiben bleibt Ian Frey nur ein Ausweg. Er muss in das verhasste Schottland reisen und dort einer neuen Kommission beitreten. "Die Kommission zur Aufklärung ungelöster Fälle mit mutmaßlichen Bezug zu sonderbarem und geisterhaftem", wie sie genannt wird, wirkt auf den steifen Londoner etwas obskur. Auch sein neuer Vorgesetzter, Adolphus McGray, genannt "ninefinger nails", wirkt auf er ersten Blick wie das personifizierte Vorurteil, das Frey gegenüber den Schotten hegt. Können die beiden unterschiedlichen Ermittler die Mordserie lösen, in der der Täter immer spurlos vom Tatort verschwindet und nur entsetzliche Leichen zurück lässt, deren Innerstes nach außen gekehrt wurde? 


Kommentar:
Hier handelt es sich um den ersten Fall des Ermittlerduos. Frey und McGray und ich hoffe, es bleibt nicht ihr letzter. Von der ersten bis zur letzten Seite hat mich die Geschichte gefangen. Ich habe gelacht, geschmunzelt, mich gegruselt und mit McGray mitgelitten, der viel Schreckliches erlebt hat.
Hier ein schönes Zitat aus dem Buch, welches die Stimmung Freys widerspiegelt, als ihm der neue Job angetragen wird:  "Lassen Sie mich meine Situation bewerten. Ich muss mit Schimpf und Schande in das von Schotten wimmelnde Edinburgh fahren, dort vorgeben, Mitglied einer erbärmlichen Sonderabteilung zu sein, die von einem behämmerten Kerl geleitet wird, der an Elfen glaubt."
Zwei Kulturen prallen aufeinander, denn Ninefinger Nails entspricht genau den Erwartungen des Neuankömmlings. Er verfügt über einen rauen Schottencharme, er spricht die Sprache des einfachen Volkes und die Menschen vertrauen ihm. Er nennt Ian Frey "Londoner Mädel" weil er sich über dessen dandyhafte Art lustig macht und sein Getue lachhaft findet. Der Unterschied zwischen den beiden Männern wird immer wieder sehr unterhaltsam in Szene gesetzt, der Autor schafft es aber, beiden Männern den gleichen Anteil in der Geschichte zu geben. Als Leser mag man ebenfalls beide Figuren, obwohl ich persönlich McGray etwas bevorzuge.
Mit der Zeit akzeptieren beide Ermittler die Fähigkeiten des Anderen. Sie arbeiten sehr verschieden aber beide Wege führen zum Ziel, zusammen wären sie unschlagbar, könnten sie ihre Differenzen überwinden. Die gegenseitigen Beleidigungen zu Beginn sind durchaus ernst gemeint und sollen den anderen verletzen, sie zeigen, wie sehr jeder die Lebensweise des anderen verachtet. Es ist spannend zu lesen, wie sich der Dandy und das Raubein langsam annähern, ihre Abneigung scheint lächerlich im Angesicht der  Grausamkeit der Morde.
Hier noch ein schönes Zitat aus dem Buch, das Freys Ansicht über die Welt widergibt. McGray sagt es zu ihm: "Aye, für euch Engländer ist der Franzose ein stinkender Clown, der Schotte ein wilder Hund, der Spanier ein riesiger Narr, der Italiener ein Bandit. Aye, nur Engländer sind der Gipfel der Vollkommenheit." "Aber natürlich! Warum sonst würde Gott die Engländer ein Weltreich regieren lassen, in dem die Sonne nie untergeht?" fragte Frey. Der Schlagabtausch zwischen Frey und McGray ist die Würze dieses etwas schaurigen Krimis.
Wer viktorianische Krimis liebt und die Serie Ripper Street mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Ein unschlagbares Team, das einige Hürden überwinden muss, bis sie merken, dass man Vorurteile durchaus abbauen kann. Auch die Nebencharaktere sind sehr ausgefeilt, allen voran der jüngere Bruder des dandyhaften Ermittlers.
Peter Beyer hat eine wunderbare Übersetzung abgeliefert und das Cover macht neugierig, verrät aber nicht zu viel. Es ist in schlichtem schwarz weiß gehalten und beweist: Weniger ist oft mehr. Ich freue mich auf weitere Fälle der beiden Charaktere und spreche eine absolute Leseempfehlung aus.
Titel: Die Schatten von Edinburgh
Reihe: Ein Fall für Frey & McGray (Band 1)
Autor: Oscar de Muriel
Übersetzung: Peter Beyer
Verlag: Goldmann, TB, 480 Seiten
ISBN: 9783448485055

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