Inspector Ian Frey ist einer der
angesehensten Ermittler von Scotland Yard. Als sein Förderer, Sir Charles
Warren in den Ruhestand gezwungen wird, stürzt auch Frey. Das er in der Mordsache
Jack the Ripper bisher keine Erfolge erzielen konnte, macht es seinen Gegner
leicht, ihn zu Fall zu bringen. Seine arrogante und unnahbare Art hat ihm im
Yard keine Freunde geschaffen.
Um im Polizeidienst zu bleiben bleibt
Ian Frey nur ein Ausweg. Er muss in das verhasste Schottland reisen und dort
einer neuen Kommission beitreten. "Die Kommission zur Aufklärung
ungelöster Fälle mit mutmaßlichen Bezug zu sonderbarem und geisterhaftem",
wie sie genannt wird, wirkt auf den steifen Londoner etwas obskur. Auch sein
neuer Vorgesetzter, Adolphus McGray, genannt "ninefinger nails",
wirkt auf er ersten Blick wie das personifizierte Vorurteil, das Frey gegenüber
den Schotten hegt. Können die beiden unterschiedlichen Ermittler die Mordserie
lösen, in der der Täter immer spurlos vom Tatort verschwindet und nur entsetzliche
Leichen zurück lässt, deren Innerstes nach außen gekehrt wurde?
Kommentar:
Hier handelt es sich um den ersten Fall
des Ermittlerduos. Frey und McGray und ich hoffe, es bleibt nicht ihr letzter.
Von der ersten bis zur letzten Seite hat mich die Geschichte gefangen. Ich habe
gelacht, geschmunzelt, mich gegruselt und mit McGray mitgelitten, der viel
Schreckliches erlebt hat.
Hier ein schönes Zitat aus dem Buch,
welches die Stimmung Freys widerspiegelt, als ihm der neue Job angetragen wird: "Lassen Sie mich meine Situation bewerten. Ich muss mit Schimpf und
Schande in das von Schotten wimmelnde Edinburgh fahren, dort vorgeben, Mitglied
einer erbärmlichen Sonderabteilung zu sein, die von einem behämmerten Kerl
geleitet wird, der an Elfen glaubt."
Zwei Kulturen prallen aufeinander, denn
Ninefinger Nails entspricht genau den Erwartungen des Neuankömmlings. Er
verfügt über einen rauen Schottencharme, er spricht die Sprache des einfachen
Volkes und die Menschen vertrauen ihm. Er nennt Ian Frey "Londoner
Mädel" weil er sich über dessen dandyhafte Art lustig macht und sein Getue
lachhaft findet. Der Unterschied zwischen den beiden Männern wird immer wieder
sehr unterhaltsam in Szene gesetzt, der Autor schafft es aber, beiden Männern den
gleichen Anteil in der Geschichte zu geben. Als Leser mag man ebenfalls beide
Figuren, obwohl ich persönlich McGray etwas bevorzuge.
Mit der Zeit akzeptieren beide Ermittler
die Fähigkeiten des Anderen. Sie arbeiten sehr verschieden aber beide Wege
führen zum Ziel, zusammen wären sie unschlagbar, könnten sie ihre Differenzen
überwinden. Die gegenseitigen Beleidigungen zu Beginn sind durchaus ernst
gemeint und sollen den anderen verletzen, sie zeigen, wie sehr jeder die
Lebensweise des anderen verachtet. Es ist spannend zu lesen, wie sich der Dandy
und das Raubein langsam annähern, ihre Abneigung scheint lächerlich im Angesicht der Grausamkeit der Morde.
Hier noch ein schönes Zitat aus dem Buch,
das Freys Ansicht über die Welt widergibt. McGray sagt es zu ihm: "Aye,
für euch Engländer ist der Franzose ein stinkender Clown, der Schotte ein
wilder Hund, der Spanier ein riesiger Narr, der Italiener ein Bandit. Aye, nur
Engländer sind der Gipfel der Vollkommenheit." "Aber natürlich! Warum
sonst würde Gott die Engländer ein Weltreich regieren lassen, in dem die Sonne
nie untergeht?" fragte Frey. Der Schlagabtausch zwischen Frey und McGray
ist die Würze dieses etwas schaurigen Krimis.
Wer viktorianische Krimis liebt und die
Serie Ripper Street mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Ein unschlagbares
Team, das einige Hürden überwinden muss, bis sie merken, dass man Vorurteile
durchaus abbauen kann. Auch die Nebencharaktere sind sehr ausgefeilt, allen
voran der jüngere Bruder des dandyhaften Ermittlers.
Peter Beyer hat eine wunderbare
Übersetzung abgeliefert und das Cover macht neugierig, verrät aber nicht zu
viel. Es ist in schlichtem schwarz weiß gehalten und beweist: Weniger ist oft
mehr. Ich freue mich auf weitere Fälle der beiden Charaktere und spreche eine
absolute Leseempfehlung aus.
Titel: Die Schatten von Edinburgh
Reihe: Ein Fall für Frey & McGray (Band
1)
Autor: Oscar de Muriel
Übersetzung: Peter Beyer
Verlag: Goldmann, TB, 480 Seiten
ISBN: 9783448485055
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