Wallace Price ist das
personifizierte Arschloch. Ein Karrieremensch, ein Workaholic, für den nur die
Arbeit wichtig ist. Als Partner einer erfolgreichen Anwaltskanzlei akzeptiert
keine Fehler, wer welche begeht, wird gefeuert.
Plötzlich und unerwartet
stirbt er an einem Herzinfarkt und findet sich als Geist auf seiner eigenen Beerdigung
wieder. Zu seinem Entsetzen sind nur fünf Leute anwesend, seine drei Partner,
seine Exfrau und eine ihm unbekannte junge Frau. Wallace muss mit anhören, wie
über ihn gelästert und gespottet wird, wie seine Exfrau alle seine Fehler
aufzählt und er merkt, dass niemand seinen Tod betrauert. Er ist empört und
entsetzt und macht seinem Ärger und seinem Verdruss lauthals Luft. Doch da er
ein Geist ist, kann ihn niemand hören. Bis auf die unbekannte junge Frau. Sie
stellt sich als Meiying vor, sie ist der Sensenmann oder in diesem Falle die
Sensenfrau, die beauftragt wurde, Wallace den Übergang zu erleichtern. Sehr widerwillig begleitet Wallace Mei zu "Charons
Fähre – Tee und Leckereien", einem Teeladen, der von Hugo Freeman geführt
wird. Es ist ein Zwischenstopp, bevor ein Geist durch die "Tür" in den ewigen
Gestaden geht.
Für Wallace beginnt ein
regelrechter Alptraum, denn er muss sich endlich mit sich selbst auseinandersetzen
und diese Reflexionen sind nicht sehr schön.
Kommentar:
Als ich das Buch begann war ich
etwas enttäuscht, denn Wallace Price ist zu Beginn wirklich ein sehr unangenehmer und unsymphatischer Zeitgenosse. Im Gegensatz zu Linus Baker, bei dem man von Anfang an ahnt, dass er im Grunde seines Herzens ein
einsamer aber liebenswerter Mann ist (immerhin hat er eine Katze), kann man
sich bei Wallace Price nicht vorstellen, dass er jemals ein Gutmensch werden
wird.
Er kann und will seinen Tod
nicht akzeptieren, er hält sich für zu wichtig und unersetzbar, die Kanzlei
wird ohne ihn definitiv den Bach heruntergehen. Er ist es, der alles am Laufen
gehalten hat, meint er. Er ist sich sicher, dass Hugo ihm einen Weg zurück
ermöglichen kann und will kann nicht glauben, dass sein Tod endgültig ist. Er
durchläuft viele Phasen: Verleugnung, Wut, Angst, Akzeptanz.
Hugo ist der Fährmann, der den
Toten helfen soll, den Tod zu akzeptieren und in das "Lich"t zu gehen. Diese
Bezeichnung kannte ich schon aus der Serie "Ghost Whisperer" und wie auch dort,
wird das Licht als etwas sehr Positives und Schönes dargestellt. Gläubige
Menschen werden dieses Buch abschreckend finden, alle anderen Lesenden werden
sicherlich genauso viel Spaß an dieser Geschichte haben wie ich. Ich habe lauthals
gelacht, als Wallace das Medium Desdemona aus dem Laden vertreibt, ich war gerührt,
als er auf die Idee kommt wie man der trauernden Nancy helfen kann und ich
hatte Tränen in den Augen, als ihm erklärt wird, dass er nur noch sieben Tage in
dem Teeladen verbringen darf.
Die Wandlung vom Saulus zum
Paulus vollzieht sich unmerklich, ich war selber überrascht, dass ich Wallace
plötzlich mochte.
Neben Hugo, einem warmherzigen
Mann, der für alle ein offenes Ohr hat, für die Lebenden und die Toten, lebt
noch sein Großvater Nelson im Teeladen. Nelson ist ebenfalls ein Geist wie
Wallace, er hat sich geschworen, seinem Enkel Hugo so lange zu Seite zu stehen,
bis er nicht mehr gebraucht wird. Und der Hund Apollo ist ebenfalls ein Geist,
ein Hund, der sein Herrchen nicht verlassen möchte und auch im Tod treu an
seiner Seite bleibt.
Nelson ist es, der für die amüsantesten
Momente sorgt. Der 87jährige nimmt kein Blatt vor den Mund, hält Wallace oft
einen Spiegel vor. Wallace muss erkennen und akzeptieren wer er war und mit der
Akzeptanz kommt die Wandlung. Er lernt etwas kennen, was ihm bisher fremd war:
Freundschaft. Menschen, die zusammenhalten und sich gegenseitig helfen. Die
Gespräche mit Hugo, erst als Fährmann, dann als Freund, berühren sein Innerstes.
Er kann sich an die schönen Momente seines Lebens erinnern, bevor er ein egoistischer
karrieregeiler Anwalt wurde.
Als ich das Nachwort gelesen
habe, dass der Autor das Buch auf Grund eines Verlustes geschrieben hat, war
ich seltsam berührt. Es ist eine wundervolle Idee, den Toten eine Zeit zu geben,
ihr Leben reflektieren zu lassen und ihnen zu versichern, dass man sich irgendwann
irgendwo widertrifft.
Jeder Charakter in diesem Buch
hat sehr schmerzliche Erfahrungen durchgemacht, hat gelitten, geliebt und
geweint. Nur durch diese Erfahrungen können Hugo und Mei den Menschen helfen.
Manchmal schaffen sie es nicht und verlieren einen Geist, manchmal ist ein
Geist so zornig, dass er fast alles zerstört, was ihnen lieb und teuer ist und
manchmal kommt ein Geist wie Wallace, der länger bleibt als geplant.
Die Entwicklung von Wallace
geht nicht Schlag auf Schlag, das wäre absolut unglaubwürdig. Oft genug
verzweifelt er oder gerät in Wut. Nelson ist es, der ihn wieder aufrichtet und
ihm zeigt, wie er mit seinem "Geist sein" umgehen kann. Natürlich gibt es
Rückschläge, vor allem bei der Kleiderwahl, aber sie sind zum brüllen komisch, diese
Rückschläge geben dem Buch eine liebenswerte Note.
Die deutsche Titel passt
leider nicht so gut, ich finde "under the whispering door" weitaus
aussagekräftiger. Denn es ist ja nicht das Leben, sondern der Tod, der hier das
Thema ist.
Fazit:
Ich habe jetzt drei Bücher des
Autors gelesen. Alle drei waren einzigartig, keine Geschichte gleicht der
anderen aber alle haben mich berührt und viele Emotionen in mir geweckt. Für
mich ist T.J. Klune ein meisterhafter Erzähler und Michael Pfingstl hat die
Seele des Buches erhalten, inklusive der Flachwitze auf Kosten der Toten. Ich
weiß, das klingt makaber, ist es aber nicht.
Beim ersten gemeinsamen Tee
bist Du ein Fremder
Beim zweiten gemeinsamen Tee
bist Du ein geehrter Gast
Beim dritten gemeinsamen Tee
gehörst Du zur Familie
(pakistanisches Sprichwort)
Titel: Das unglaubliche Leben
des Wallace Price
Autor: T.J. Klune
Verlag: Heyne, Softcover, 478
Seiten
ISBN: 9783453321465
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