Carl Kolhoff ist ein alter
Mann, festgefahren in seiner täglichen Routine. Veränderungen sind ihm ein
Gräuel, der Fortschritt ist an ihm vorbeigelaufen. Er ist ein ehemaliger
Buchhändler, Bücher sind seine Liebe und seine Leidenschaft, mit ihnen hat er
sein ganzes Leben verbracht.
Jetzt, im Alter, bringt er den
Kunden der Buchhandlung „am Stadttor“ bestellte Bücher nach Hause. Auf dem
täglich selben Weg, in der stets gleichen Reihenfolge besucht er diese teils
seltsamen Kunden, denen er passende Namen von Charakteren aus seinen
Lieblingsbücher gegeben hat. Da gibt es einen Mr. Darcy, der in einem protzigen
Haus einsam vor sich hinlebt, da gibt es eine Frau Langstrumpf, die sich
tägliche seltsame Zitate für ihn einfallen lässt oder eine Effie Briest, die
eine unglückliche Ehe führt.
Dann geschah es! Zitat von
Seite 36: Plötzlich spazierte ein kleines Mädchen mit dunklen Locken an Carls
Seite und passte die Schritte an seine an.
Mit dem Auftauchen der
nervtötend plappernden neunjährigen Sascha verändert sich Carls Leben und das
seiner Kunden von Grund auf.
Kommentar:
Was soll man zu so einem Buch
sagen? Es handelt von Büchern, von der Liebe zu Büchern und von Menschen, die Bücher lieben. Ich
könnte so viele wunderbare Zitate aus diesem Buch hier in die Rezension
einfügen aber dann müsste ich das das
halbe Buch zitieren.
Carsten Henn ist hier etwas
herzerwärmendes und Wunderschönes gelungen: Ein Buch, eine Geschichte, in der
man sich komplett verlieren kann. Man ist traurig, wenn das Buch zu Ende ist
und möchte so gerne noch mehr von Mr.Darcy, Herkules, Schwester Hildegard (die Carl
Amaryllis nennt) oder Dr. Faustus und all die anderen Buchempfänger erfahren.
Carl ist ein ewig gestriger,
mit der neuen und modernen Zeit kann er nicht viel anfangen. Die Anzahl seiner
Kunden, die er beliefert, nimmt immer mehr ab und er weiß, dass seine Tage als
„Buchspazierer“ gezählt sind. So nennt die kleine Sascha ihn, die sich wie eine
Klette an seine Fersen heftet. Und sie stiehlt nicht nur ihm ganz unauffällig
sein Herz, auch seine Kunden schließen das Mädchen in ihr Herz und sie öffnen
sich ihr. Menschen, die bisher sehr einsam vor sich hingelebt haben, beginnen
sich zu öffnen, wie Blumen, die sich der Sonne entgegenstrecken.
Es ist eine langsame, sehr
berührende Geschichte, die nie kitschig oder übertrieben wirkt. Da, wo Carl
langsam ist, gibt Sascha das Tempo vor, sie ist neugierig auf die Welt, er ist
ihrer eher überdrüssig, er weiß, dass er ein Faktotum ist.
Hier einer der schönsten
Dialoge in diesem Buch. Bildgewaltig und herzzerreißend:
Sascha
zu Karl:
"Du siehst anders aus."
"Ich bin aber derselbe."
"Du hast andere Augen."
"Ich habe nur das eine Paar und das kann man nicht wechseln."
"Hast
du geweint?"
"Nein."
"Hast du vielleicht innen drin geweint? Also nicht mit
Tränen in den Augen, sondern so mit dem Herzen?"
"Mit Tränen im Herzen?"
"Wenn das geht, dann ja."
"Warum sollten dann meine Augen anders aussehen?"
"Die schämen sich, weil sie ja eigentlich das Weinen
übernehmen müssten."
Diese
kindliche Unbefangenheit, Direktheit und Naivität ist es, die bei Carl und seinen Kunden
die Mauern einreißen.
Doch
das Buch hat auch traurige Momente, die ebenso zum Leben gehören wie die
Freude. Sie haben mir teilweise die Tränen in die Augen getrieben, ich habe so
heftig mitgelitten wie bei kaum einem anderen Buch.
Jede
Zeile, jede Seite ist perfekt. Das Buch hat nur 223 Seiten, kein Wort ist
überflüssig, sie fließen zusammen wie Sahne und Kaffee in perfekter Harmonie.
Manchmal entscjeidet das Schicksal, dass sich zwei Menschen treffen.
Fazit:
Wie
ich oben schon schrieb: Ein berührendes Buch über Menschen, die Bücher lieben
für Menschen, die Bücher lieben. Eine absolute Leseempfehlung.
Titel:
Der Buchspazierer
Autor:
Carsten Henn
Verlag:
Pendo/Piber, HC, 223 Seiten
ISBN:9783866124776
Ein Genre, das man selten bei dir findet! =) Umso mehr freut es mich, dass dir das Buch so gut gefallen hat! Ich mochte es ebenfalls sehr!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Martina
Hallo Martina, ja das stimmt und hätte ich es bei den Top ten thursday nicht gesehen, wäre es garnicht in meinen Aufmerksamkeitsradius gerutscht. Aber es war wirklich herzerwämend. Manchmal muss man über den Tellerrand schauen. Liebe Grüße und einen schönen Sonntag. Petra
AntwortenLöschenEine schöne und tolle Geschichte. Carl hat seinen Job und das Austragen geliebt...
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