Die siebzehnjährige Vesper Gold ist ein
einsames Mädchen. Ihr Vater ist ein bekannter Filmregisseur, ihre Mutter eine
weltweit gefeierte Konzertpianistin. Als Vespers Schwester noch lebte, war sie
nie alleine. Auch wenn ihre Eltern mal wieder keine Zeit für ihre Töchter
hatten, die Mädchen hielten zusammen und Vesper vergötterte ihre ältere
Schwester. Bis diese Selbstmord beging. Als sich auch noch ihre Eltern scheiden
lassen, ist für Vesper nichts mehr, wie es mal war. Nach einem Skandal an ihrer Schule zieht
Vesper von Berlin fort zu ihrer Mutter nach Hamburg. Beide hoffen auf einen
erfolgreichen Neuanfang. Der jedoch kläglich scheitert. Immerhin finanziert
Vespers Mutter ihr eine eigene Wohnung.
In letzter Zeit fühlt sich Vesper
verfolgt. Ein dunkelgekleideter Mann mit
einem Affen auf der Schulter kreuzt immer wieder ihren Weg. Alpträume plagen
sie, dann stirbt plötzlich ihr Vater in Berlin unter mysteriösen Umständen.
Ihre Mutter bricht ihre Tournee ab und kehrt nach Hamburg zurück, nur, um kurz
darauf ebenfalls unter merkwürdigen Umständen zu Tode zu kommen.
Für die Polizei ist es naheliegend, Vesper zu
verdächtigen. Eine verzogene und aufmüpfige Göre, die unentwegt Streit mit
ihrer Mutter hat und nun, nach dem plötzlichen Tod beider Elternteile, ein großes
Vermögen erbt.
Trost sucht die junge Frau im Museum, wo sie
sich das Lieblingsbild ihres Vaters von Caspar David Friedrich anschaut. Dort
trifft sie auf den Studenten Leander, der sie mit seinem altmodischen Charme
komplett entwaffnet. Schon bald stellt sich heraus, dass Leanders und Vespers
Schicksale auf seltsame Weise miteinander verbunden sind. Auch Leander hat
seine Eltern verloren und sein Bruder ist auf geheimnisvolle Art und Weise verschwunden. Beide jungen
Menschen erhalten von ihren verstorbenen Vätern einen mysteriösen Brief der
einen besonderen Gegenstand enthält und die Bitte, einen alten Mann
aufzusuchen, der in den Randbezirken von Hamburg lebt.
Und damit gerät die Welt der beiden jungen
Leute völlig aus den Fugen. Denn, wie Vespers Schwester zum Abschied schrieb:
„Alles ist wahr!“
Ich persönlich war schon immer der Meinung,
dass Märchen grausam und brutal sind. Kinder, die von einer Hexe eingesperrt
werden, Eltern, die ihre Kinder durch einen Rattenfänger verlieren,
Prinzessinnen, die in einem jahrhundertelangen Schlaf gefangen sind. Kleine
Mädchen, deren Familien so arm sind, dass sie Zündhölzer verkaufen müssen und
und und. Natürlich habe ich als Kind Märchen geliebt und ihnen faszinierend
gelauscht, sobald ich konnte, auch selber gelesen.
Christoph Marzi erweckt alle Kinderängste zu
neuem Leben. Er nimmt die Märchen der großen deutschen Dichter und zeigt ihre
Grausamkeit auf. Und auch die Gebrüder Grimm kommen hier nicht sonderlich gut
weg. Sind sie doch beteiligt an einem Komplott, die Märchenwesen aus der Welt
verschwinden zu lassen. Denn nur, wenn man an etwas glaubt, kann es existieren.
Und wer glaubt schon an Märchen?
Ich möchte nicht viel über das Buch schreiben.
Marzi ist ein Autor, den man entweder liebt oder hasst. Viele kommen mit seiner
Schreibweise und seiner Art, Dinge zu beschreiben, nicht klar. Ich mag seine
Art und auch seine phantastischen Ideen, auch wenn er kein gutes Haar an den
Märchenautoren lässt, die ich in meiner Kindheit geliebt habe. Die Geschichte ist
phantastisch, märchenhaft aber durchaus nicht unglaubwürdig. Wie immer, lässt
sich Marzi viel Zeit für seine Figuren. Wir lernen ein junges Mädchen kennen,
die ihre Schwester schmerzlich vermisst und die zu ihren Eltern keine Beziehung
aufbauen kann. Schule ist ihr zuwider, nicht, weil sie dumm ist, sondern weil sie
zu intelligent für den 08/15 Unterricht ist und
sie mit den anderen Mädchen nichts anfangen kann, deren Welt nur aus
Partys, Jungens und den richtigen Klamotten besteht. Sie ist eine Einzelgängerin,
hat aber eine beste Freundin, die in einem Theater arbeitet und dort für die
Kostüme zuständig ist. Dieses Theater ist Vespers Flucht vor der Welt und ihre
Freundin ein Ersatz für ihre Schwester.
Sowohl sie auch Leander haben schon viel
schlimmes erlebt, es ist schön zu lesen wie sich diese beiden jungen Menschen
kennen lernen. einander vertrauen und akzeptieren. Doch nicht nur sie haben
viel durchlitten, auch die sogenannten Bösewichter in diesem Roman haben
schmerzliche Verluste, Hass und Anfeindungen erfahren. Teilweise kann ich daher
ihre Handlungen verstehen, man ist, wie auch Vesper, hin und hergerissen.
Fazit:
Dieses Buch macht besonders viel Spaß, wenn man
die alten, deutschen Hausmärchen kennt. Einige bezeichnen dieses Buch als
Wirrwarr aber ich habe jedes Märchen erkannt und fand die Ideen, die Christoph
Marzi hier anbringt, wirklich gelungen und durchaus vorstellbar. Ein Buch für
Menschen, die Märchen lieben und schon immer wissen wollten, was *danach*
passiert. „Und sie lebten glücklich“ ist nicht sehr glaubhaft und hier werden
wir aller Illusionen beraubt.
Titel: Grimm
Autor: Christoph Marzi
Verlag: Heyne, Hardcover, 559 Seiten
ISBN: 9783453266612
Hi Petra!
AntwortenLöschenSchön dass es dir gefallen hat! Ich glaube, das ist das einzige Buch des Autors, das ich bisher kenne und es ist bei mir auch schon eine zeitlang her... aber ich mochte es sehr gerne!
Immerhin sind bei mir schon die ersten beiden Bände der Uralten Metropole eingezogen, die Reihe möchte ich nächstes Jahr endlich anfangen. Ich freu mich schon sehr drauf!
Ich wünsch dir noch einen schönen Feiertag heute!
Liebste Grüße, Aleshanee