Olivia Prior lebt in einem Heim für gefallene
Mädchen, in dem man ihr beibringt, eine stille, gehorsame und fleißige
Bedienstete zu werden. Sie ist stumm und kann sich gegen die Schikanen der
anderen Mädchen nicht zu Wehr setzen. Da sie ihren Schmerz nicht artikulieren
kann, fordert ihre Stummheit die Mitbewohnerinnen zu immer größeren
Misshandlungen heraus, bis Olivia irgendwann platzt und sich handgreiflich zur Wehr
setzt.
Olivia weiß nichts über ihre Herkunft oder über
ihre Eltern. Sie besitzt lediglich ein Tagebuch ihrer Mutter, aus dem
hervorgeht, dass die Frau zum Ende hin immer verstörter wurde. Das erkennt
Olivia an der wirren Schrift und den seltsamen Einträgen.
Der letzte Satz lautet: Du bist in Sicherheit,
so lange Du Dich fernhältst von Gallant.“
Olivia weiß nicht, was sich hinter dem Begriff
Gallant verbirgt, bis eines Tages ein Brief das Waisenhaus erreicht, in dem steht: „Du bist
gewollt. Du wirst gebraucht. Du gehörst zu uns. Komm nach Hause, liebe Nichte.
Komm nach Gallant."
Und trotz der Warnungen ihrer Mutter begibt
sich Olivia nach Gallant, um mehr über ihre Herkunft und die Ursachen ihrer
Stummheit herauszufinden.
Olivia ist ein einsames und trauriges Mädchen.
Sie hat niemanden auf der Welt, ihr Leben besteht aus Schikane und Schmerz.
Innerlich kocht sie, tobt vor Wut, doch sie kann dieser Wut keinen Ausdruck verleihen, sie nicht hinausschreien in eine ungerechte Welt. Und wie es bei Kindern
so ist, wird sie, auf Grund ihrer Andersartigkeit, tyrannisiert. Keine der
Schwestern im Heim hat Verständnis für das Mädchen, sie fist ür alle nur eine Last.
Doch Olivia ist clever. Sie hat ihre geheimen Ecken im Heim und sie hat sich
einen Dietrich gebastelt, mit dem sie in die Zimmer der Schwestern kann. So
kennt sie deren Laster kennen und nutzt das Wissen für sich aus.
Als der Brief aus Gallant das Heim erreicht ist
Olivia bereit zu gehen. Überall kann es nur besser sein als im Heim. Sie hat im
Waisenhaus so viel erlebt, sie ist sich sicher gegen alles gewappnet zu sein,
was sie auf Gallant erwartet. Doch das
ist sie nicht. Ihr Cousin Matthew begegnet ihr vom ersten Moment an mit Hass
und verlangt, dass sie sofort wieder abreist. Er ist sich sicher, dass sein
Vater diesen Brief niemals geschrieben haben kann, dass er eine Fälschung ist
und Olivia nicht nach Gallant gehört. Zum Glück gibt es den Butler Edgar und
die Köchin Hannah, die schon seit ihrer Jugend in dem Haus leben und dem
Mädchen helfen sich einzuleben. Das Auto, dass sie wieder abholen soll,
erscheint nie und so langsam lebt sich
Olivia in Gallant ein.
Es fällt mir etwas schwer, diesen Roman
einzuordnen. Er hat etwas von „die Frau in Weiß“ oder auch „Rebecca“. Es ist
ein moderner Schauerroman mit einer dichten Atmosphäre und wunderbaren
Wortspielen. Sprachlich auf höchstem Niveau, wie alle Romane der Autorin.
Gallant ist ein alter Herrensitz voller düsterer Geheimnisse und Gespenster,
die hier Ghule genannt werden. Die Geschichte ist teilweise verstörend und auch
beängstigend aber Olivia stellt sich den Herausforderungen um endlich mehr über
ihre Familie zu erfahren.
Das Buch ist optisch ein Highlight. Die merkwürdigen
Zeichnungen aus dem Tagebuch, die Tagebucheinträge, die zum Ende hin immer
verworrener werden, die Gedanken des dunklen Mannes, alles ist anders geschrieben
und markiert und machen die Geschichte zu etwas besonderem. Fischer Tor hat sich hier sehr viel Mühe
gegeben, das Buch zu gestalten.
Die Geschichte ist etwas düster und völlig
anders als erwartet. Die Autorin geht hier nicht auf die Hoffnungen und Wünsche
der Leserinnen ein, sondern geht ihren eigenen Weg, was der Erzählung Authentizität
verleiht, sie glaubhaft macht, trotz ihrer Andersartigkeit. Das hat mir bei
Addie LaRue schon sehr gut gefallen, hier ist es einfach perfekt.
Das Buch hat 346 Seiten und ist damit relativ
dünn. Ich hätte mir hier vielleicht etwas mehr Tiefe der Figuren gewünscht Vor
allem Matthew bleibt etwas blass und über die Mitglieder der Familie Prior und
ihren Kampf erfahren wir meines Erachtens auch zu wenig und auch der
Zusammenhang zwischen den Häusern bliebt etwas unklar.
Fazit:
Nichtsdestotrotz eine wunderbare berührende Geschichte
eines einsamen, verlorenen Mädchens auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, nach
einem Ort wo sie hingehört, nach einer Familie.
Titel: Gallant
Autorin: V.E. Schwab
Verlag: Fischer TOR, HC, 348 Seiten
ISBN: 9783596707423
Hi Petra!
AntwortenLöschenSchön dass es dir so gut gefallen hat! Ja, der Fokus lag jetzt nicht unbedingt so sehr auf den Personen, also vor allem halt auf Olivia, aber mich hat das eigentlich gar nicht gestört. Ich hab mich hier total mitreißen lassen können und die Geschichte total genossen :)
Liebste Grüße, Aleshanee