Manchmal erinnere ich mich nicht mehr, wie ich auf Bücher aufmerksam wurde. Bei Selfpublisherinnen und Selfpublishern sind es die Schreibenden oft selbst, die mich über meinen Blog direkt anschreiben. Manchmal sind es auch Empfehlungen. Aber ganz egal, wie ich auf Jan-Patrick Wiezorek aufmerksam wurde, Inrimi war für mich 2021 ein absolutes Highlight. Zur überarbeiteten Neuauflage, die nun als Ebook erschienen ist, durfte ich mit dem Autor, Schriftsteller und Poeten ein Interview führen:
Stell Dich doch zuerst
einmal den Leserinnen und Lesern vor:
Moin und Hallo,
mich vorstellen? Wenn ich ehrlich bin muss ich da aufpassen, wer darauf
antwortet, denn ich arbeite mit einem Alter Ego zusammen. Klingt verrückt? Ist es
auch, aber auch ungemein praktisch. Also ich heiße Jan-Patrick Wiezorek und bin
als Jannek Nogo in den "sozialen" Medien unterwegs. Wir beide leben
im wunderschönen Duisburg, kommen aber aus dem noch wunderschöneren Bochum -
also aus dem Ruhrpott.
Das hat vor allem berufliche und private Gründe, sonst würde ich gerne irgendwo
im Nirgendwo auf dem Lande leben – sehr gerne am Meer.
Du bist ja auch nicht
mehr der Jüngste, ist das dein erster Schreibversuch oder gibt es schon
Veröffentlichungen von Dir?
Der Jüngste bin ich wahrlich nicht, aber das ist
in der Schreiberei zumindest ja mal ein Vorteil. Nein, es gibt keine
Veröffentlichungen von mir. Ich habe mal eine Jugendsünde an Roman um die
Jahrtausendwende an Eichborn verschickt und die waren so begeistert, dass es
sie glatt die Sprache verschlagen hat - weshalb wohl eine Antwort ausblieb...
Wie lange bist Du mit
der Geschichte schwanger gegangen?
Sehr lange. In den 90ern gab es eine lose Gruppe
an Rollenspielern (ja, ich weiß, das erzählt wirklich jeder im Moment) und ich
war das Meisterlein. Und um die Gruppe fortwährend in Schwierigkeiten zu
bringen, erfand ich das Reich Brindirion. Dann folgten Jahre, in denen ich vom
Leben reichlich beschäftigt wurde, Vater wurde, verschiedene Jobs machte und in
all den Jahren kehrte ich manchmal nachts vorm Schlafengehen nach Brindirion
zurück.
2015 dann war es soweit. Ich hatte aus tragischen Gründen Zeit und vielleicht
auch die schriftstellerische Reife die Geschichte anzufangen und musste
feststellen, dass sich Brindirion inzwischen auch reichlich verändert hatte.
Das Fertigstellen der Reihe dauerte dann bis 2023, und ich bin gerade dabei die
Reihe ins endgültige Format zu bringen. Ich habe also 8 Jahre an den drei
Büchern gearbeitet - immerhin 4 Jahre weniger als jemand anderes.
Deine Figuren besitzen
eine außergewöhnliche Tiefe. Viele Figuren sind auch sehr ambivalent und nicht
zu durchschauen. Waren sie zu Beginn schon so konzipiert oder sind sie während
des Schreibens gewachsen?
Meine Figuren? Oh, lass sie das nicht hören.
Charles zum Beispiel ist der Meinung, dass ich sein Schreiber wäre, seine Feder
und er bedauert, dass ich keine weibliche Feder bin...
Die Figuren haben vielleicht deswegen Tiefe und keine eindimensionale
Persönlichkeitsstruktur, weil sie mit all dem Gedanken, Gefühlen und
Beobachtungen meines Schreiberlebens gefüllt sind. Ich verstehe die Reihe zum
Beispiel nicht als Fantasy-Romane, sondern als - mmmmh wie soll ich sagen? Als
phantastische Geschichten im Sinne einer genreübergreifenden Literatur? Klingt
irgendwie hochgestochen, trifft aber die Sache mit der Tiefe. Viele
Fantasybücher im Schatten der Jackson-Filme reduzieren sich auf
Schlachtengemälde. Ich wollte mit dem Klischee der oberflächlichen Fantasyfigürchen
brechen, keine strahlenden Helden und miesen Schurken abbilden. Außerdem lasse
ich den Figuren lange Leine (oder sie mir?) und sie performen dann aus ihrer
Natur heraus. Vielleicht hat Charles ja doch recht. Mmmmh
Meine Lieblingsfiguren
sind Bantor, der Waldläufer Falo und Partha - vor allem wenn sie Kind sein
darf, berührt sie das Herz.Hast Du eine besondere Beziehung zu einer der Figuren?
Oh je, schwieriges Terrain. Also ja, ich habe
einige Lieblinge. Aber sie wechseln sich in der Runningorder eigentlich ab. Was
das Herz angeht und den Charakter liebe ich Roman, er ist eine sanfte Natur und
ich mag seine ansteckende Aufrichtigkeit. Charles ist mir sehr nahe. Wenn man
so will ist er ein Teil meiner Persönlichkeit, der sich literarisch verselbstständigt
hat. Galaptinin ist der dickste Kumpel von Jannek, eine Ruhrpottschnauze und ein
Sprücheklopper. Aber er weiß zu überraschen und das habe ich ihm vielleicht
beigebracht. Falo (seufz). Falo ist das Stille in mir, wenn man so will
ebenfalls ein Persönlichkeitsteil - aber einer, der dann aus sich heraus
weiterentwickelt wurde. Mein heimlicher Favorit indes ist Safur. Er führte
meine Schreiberei in wunderbare Höhen und Tiefen, eine Achterbahnfahrt durch
die Gedanken- und Geisteswelt, ich kam kaum mit dem Schreiben hinterher.
Bei den Damen habe ich keine Lieblingscharaktere. Ich mag Pelias sehr, sehr
gerne - eine Randfigur, aber was für eine. Elvana ist für mich das Fünfte
Element, die Quintessenz und eine unnahbar faszinierende Sphärenfigur. Carima
ist mir manchmal merkwürdig fremd (sie ist ja ein Wasserwesen) und dennoch
haben wir beide einen wunderbaren Weg zurückgelegt. Ich lernte viel von ihr und
sie war geduldig darin mir ihren Charakter zu zeigen. Partha indes ist mir sehr
nahe. Sie ist das zerbrochene Kind in mir und in der Welt. Wenn ich an die
Kinder denke, denke ich an Partha...
Die heimlichen Stars sind jedoch die tierischen und menschlichen
"Nebenfiguren" (es gibt keine Nebenfiguren!); Flinka, der Graslöwe,
Goldstreifen, Hergrot, Parlos und all die anderen.
Du hast ja schon etwas
zu Deinen Covern geschrieben, kannst Du hier deren Bedeutung nochmals kurz
umreißen?
Nun - vorab ich gehöre zu den merkwürdigen
Leuten, die die Verpackung für nicht so wichtig halten wie den Inhalt. Das
heißt, ich mag sehr gerne gute Bilder und von mir aus auch Cover, würde aber
nie ein Buch daraufhin auswählen. Die Cover der INRIMI-Reihe ergeben sich aus
der Freundschaft zu dem Bochumer Künstler Peter Kaufung. In seinem Fundus
entdeckte ich das Bild zu INRIMI und sah darin die drei aufsteigenden Figuren
(Roman, Carima, Bantor). Dann habe ich Meister Kaufung die restlichen Cover
machen lassen, wobei ich bei dem PERFEKTUS-Cover die Figur ins Spiel gebracht
habe. Die Coverbilder korrespondieren mit dem Kernthema der Bücher und farblich
gibt es ebenso Bezüge. So sind die Grundfarben verwendet und das Rot von
INITIUS steht für Liebe, Eros und Hass - Elemente, die in dem Buch eine
wesentliche Rolle spielen. Mein Beitrag zum Bilddesign der Cover sind die
Embleme auf den Buchrücken. Sie zeigen ein Leitmotiv des jeweiligen Bandes.
Hattest Du ein Vorbild
oder eine Inspiration, der/die Dich zur Fantasy geführt hat oder liebst Du das
Genre allgemein?
Ich war als Kind eher introvertiert und das, was
man einen Träumer nennen könnte. Dann schlug der Film von Ralph Bakshi (Der
Herr der Ringe - Zeichentrick) in das kindliche Gemüt ein wie eine Bombe und
seitdem lese und sehe ich sehr gerne Fantasy und Phantastik. Vorbilder sind für
mich dabei eigentlich die großen Drei der Fantasyliteratur: Tolkien, Martin und
Sapkowski. Insbesondere Martin und Sapkowski haben mich literarisch
beeindruckt. Die Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur, den Abgründen
des Strebens nach Macht, die perfide Interessensdynamik der Figuren usw. Ich
könnte da jetzt sehr lange schwärmen, aber Autor'innen, die in ihren Texten
viele Themen verarbeiten und dabei emotionale Berührungen schaffen prägen mich
- egal in welchem Genre sie unterwegs sind.
Was liest Du privat?
Da gibt es im
Moment eigentlich zwei Lektüren: Einmal das „Kollegenlesen“, bei dem ich sympathische
und kollegiale Kolleg*innen ausprobiere und sie in meinem bescheidenen Kreis
kurz vorstelle. Das ist meistens Stoff aus den Genres: Fantasy, SF und manchmal
Horror.
Die zweite Art an Lesestoff zu kommen ist durch Bruder Zufall: Ich stöbere in
den hiesigen Buchkästen, bekomme hier und da mal ein Buch geschenkt oder lasse
mich (eher selten) vom Angebot in der kleinen Stadtteilbuchhandlung verführen.
Dabei spielt das Genre gar keine Rolle, denn gute Literatur kann viele Kleider
tragen, ihre Schönheit und Klugheit versteckt sie dahinter…
Hast Du Musik, die Dich
während des Schreibens begleitet? Ich lese oft von „Schreibmucke“ muss aber
zugeben, dass mich Musik beim lesen und schreiben ablenkt. Ich brauche absolute
Ruhe. Wie ist das bei Dir?
Nein, wenn ich
schreibe, schreibe ich und wenn ich lese, lese ich. Und wenn ich Musik höre,
höre ich Musik …
Was erwartest Du selber
von Büchern? Was ist für Dich besonders wichtig?
Schön, dass du das
fragst. Das ist eines meiner Lieblingsthemen. Bücher können wunderbare
Verbindungen herstellen und zwar zwischen den Geschichten von denen sie
handeln, den Gedanken und Gefühlen, die sie übermitteln und dem Inneren der
Leser*innen. Zum Beispiel habe ich bei so manchem Ende Tränen geweint oder
geschrien vor Wut, gelacht mit verweinten Augen und manchen Fluch gesprochen –
kurz ich habe den Text mit Leib, Geist und Seele erfahren. Das erwarte ich von
Büchern und das liefern auch einige Texte.
Tragischerweise ist das ihre letzte Kunst, denn Bücher werden hart von
elektronischen Geschichtenformaten wie Filmen, Serien oder Games bedrängt. Doch
solche Seelenberührungen kriegen die genannten Formate nicht so gut hin – es
sei denn, sie wurden literarisch geprägt (Dramen, filmische Meisterwerke…).
Ansonsten sehe ich mit einiger Traurigkeit dem Sterben des Mediums zu (die
Tiktokisierung des Medienkonsums schreitet ja voran).
Eigentlich nur noch eins, denn ich
habe vieles mit der INRIMI-Reihe gesagt, was ich so zu sagen hatte. Doch ein
Projekt steht noch an. Es ergibt sich aus einem Erzählstrang von PERFEKTUS.
Genaueres werde ich natürlich nicht erzählen, außer vielleicht, dass es mit dem
Göttermal zu tun hat…
Wenn Du Dich selbst in
einem Satz beschreiben müsstest, wie würde er lauten?
Man sagt ich sei
ein Narr – und ich bin es gern gewesen…
Wenn Du gefragt wirst: „Warum sollte ich Deine
Bücher lesen?“ Was antwortest Du?
Weil du Herzmomente haben wirst, Momente, in denen
alles in dir zerbricht oder aufschreit, Leseerlebnisse haben wirst, die tief
sind und in dir nachhallen. Vielleicht auch, weil du auflachen wirst und dir
heiter ums Herz wird, weil du Spaß an den Eskapaden haben wirst und weil das
Buch dich nicht leer hinterlassen wird. (Meine Anmerkung: stimmt alles!)
Es gibt kein Morgen
und kein Gestern – es gibt nur das Jetzt. (Auf die Frage, warum ich dies und
das nicht so plane…)
Hattest du schon mal
den Wunsch alles hinzuschmeißen und das Schreiben aufzugeben und was hat dich
motiviert weiterzumachen?
Oh, ich schmeiß
vieles hin. Bisweilen ist es gefährlich in meiner Nähe zu sein. Das Schreiben
hingegen schmeiß ich nicht hin oder durch die Gegend. Nein, es ist meine
Privatangelegenheit, die Kunst aus den sinnlosen Episoden des Lebens die eigene
Geschichte zu dichten. Warum sollte ich das wegschmeißen?
Was macht Jan-Patrick
Wiezorek, wenn er nicht schreibt?
Nichts. Ich bin ein
Großmeister des Nichtses – das habe ich in den Jahren als Hippie-Jan, als
Kung-Fu-Jan, als Rockschlagzeuger-Jan, als Patienten-Jan, Meditations-Jan usw.
gelernt. Und wenn ich nicht nichts mache, verbinde ich mich mit den Dingen,
gehe viel spazieren, träume mir irgendeinen Unfug zusammen, laber Bullshit, -
kurz ich lebe recht intensiv im Moment. Davon ab, sammle ich ein wenig Kunst,
mache gerne Musik und komme mit Freunden dann und wann an einem Lagerfeuer zusammen.
Außerdem gibt’s noch eine Familie, aber das ist privat…
Ähnelt Dir eine Figur
Deiner Trilogie und wenn ja, welche? Bzw. mit welcher würdest Du Dich am
ehesten identifizieren?
Ich bin sehr viel Safur, einiges an
Charles und etwas von Falo. Ich bin gerne Partha (Dinge fliegen durch die
Gegend, Blumen werden bestaunt), etwas Elvana, manchmal Chelandros – oft Parlos
und ganz selten Elena und überhaupt nicht Roman.
Jannek bittet mich noch zu erwähnen, dass er feste, feste Galaptinin ist, reichlich
Garban und einiges an Isul. Manchmal ist er Hergrot, doch am meisten ist er:
Bantor…
Danke für dein Interesse und das schöne Interview.
Tief in der Erde ist ein Licht,
doch was dort ist,
das weiß man nicht...
Schönen guten Morgen!
AntwortenLöschenDie Reihe hab ich ja jetzt schon länger auf meiner Wunschliste - du hattest mich sehr neugierig darauf gemacht, aber ich bin bisher einfach noch nicht dazu gekommen!
Ein schönes Interview habt ihr da zusammengestellt, ich hab es heute gerne in meiner Stöberrunde verlinkt :)
Liebste Grüße, Aleshanee