28 Juli 2023

Interview mit Jan-Patrick Wiezorek Autor des Fantasyzklus Inrimi - Initius und Perfektus

Manchmal erinnere ich mich nicht mehr, wie ich auf Bücher aufmerksam wurde. Bei Selfpublisherinnen und Selfpublishern sind es die Schreibenden oft selbst, die mich über meinen Blog direkt anschreiben. Manchmal sind es auch Empfehlungen. Aber ganz egal, wie ich auf Jan-Patrick Wiezorek aufmerksam wurde, Inrimi war für mich 2021 ein absolutes Highlight. Zur überarbeiteten Neuauflage, die nun als Ebook erschienen ist, durfte ich mit dem Autor, Schriftsteller und Poeten ein Interview führen:
 
Stell Dich doch zuerst einmal den Leserinnen und Lesern vor:
Moin und Hallo,
mich vorstellen? Wenn ich ehrlich bin muss ich da aufpassen, wer darauf antwortet, denn ich arbeite mit einem  Alter Ego zusammen. Klingt verrückt? Ist es auch, aber auch ungemein praktisch. Also ich heiße Jan-Patrick Wiezorek und bin als Jannek Nogo in den "sozialen" Medien unterwegs. Wir beide leben im wunderschönen Duisburg, kommen aber aus dem noch wunderschöneren Bochum - also aus dem Ruhrpott.
Das hat vor allem berufliche und private Gründe, sonst würde ich gerne irgendwo im Nirgendwo auf dem Lande leben – sehr gerne am Meer.
 
 
Du bist ja auch nicht mehr der Jüngste, ist das dein erster Schreibversuch oder gibt es schon Veröffentlichungen von Dir?
Der Jüngste bin ich wahrlich nicht, aber das ist in der Schreiberei zumindest ja mal ein Vorteil. Nein, es gibt keine Veröffentlichungen von mir. Ich habe mal eine Jugendsünde an Roman um die Jahrtausendwende an Eichborn verschickt und die waren so begeistert, dass es sie glatt die Sprache verschlagen hat - weshalb wohl eine Antwort ausblieb...
 
 
Wie lange bist Du mit der Geschichte schwanger gegangen?
Sehr lange. In den 90ern gab es eine lose Gruppe an Rollenspielern (ja, ich weiß, das erzählt wirklich jeder im Moment) und ich war das Meisterlein. Und um die Gruppe fortwährend in Schwierigkeiten zu bringen, erfand ich das Reich Brindirion. Dann folgten Jahre, in denen ich vom Leben reichlich beschäftigt wurde, Vater wurde, verschiedene Jobs machte und in all den Jahren kehrte ich manchmal nachts vorm Schlafengehen nach Brindirion zurück.
2015 dann war es soweit. Ich hatte aus tragischen Gründen Zeit und vielleicht auch die schriftstellerische Reife die Geschichte anzufangen und musste feststellen, dass sich Brindirion inzwischen auch reichlich verändert hatte. Das Fertigstellen der Reihe dauerte dann bis 2023, und ich bin gerade dabei die Reihe ins endgültige Format zu bringen. Ich habe also 8 Jahre an den drei Büchern gearbeitet - immerhin 4 Jahre weniger als jemand anderes.
 
 
Deine Figuren besitzen eine außergewöhnliche Tiefe. Viele Figuren sind auch sehr ambivalent und nicht zu durchschauen. Waren sie zu Beginn schon so konzipiert oder sind sie während des Schreibens gewachsen?
Meine Figuren? Oh, lass sie das nicht hören. Charles zum Beispiel ist der Meinung, dass ich sein Schreiber wäre, seine Feder und er bedauert, dass ich keine weibliche Feder bin...
Die Figuren haben vielleicht deswegen Tiefe und keine eindimensionale Persönlichkeitsstruktur, weil sie mit all dem Gedanken, Gefühlen und Beobachtungen meines Schreiberlebens gefüllt sind. Ich verstehe die Reihe zum Beispiel nicht als Fantasy-Romane, sondern als - mmmmh wie soll ich sagen? Als phantastische Geschichten im Sinne einer genreübergreifenden Literatur? Klingt irgendwie hochgestochen, trifft aber die Sache mit der Tiefe. Viele Fantasybücher im Schatten der Jackson-Filme reduzieren sich auf Schlachtengemälde. Ich wollte mit dem Klischee der oberflächlichen Fantasyfigürchen brechen, keine strahlenden Helden und miesen Schurken abbilden. Außerdem lasse ich den Figuren lange Leine (oder sie mir?) und sie performen dann aus ihrer Natur heraus. Vielleicht hat Charles ja doch recht. Mmmmh
 

Meine Lieblingsfiguren sind Bantor, der Waldläufer Falo und Partha - vor allem wenn sie Kind sein darf, berührt sie das Herz.Hast Du eine besondere Beziehung zu einer der Figuren?
Oh je, schwieriges Terrain. Also ja, ich habe einige Lieblinge. Aber sie wechseln sich in der Runningorder eigentlich ab. Was das Herz angeht und den Charakter liebe ich Roman, er ist eine sanfte Natur und ich mag seine ansteckende Aufrichtigkeit. Charles ist mir sehr nahe. Wenn man so will ist er ein Teil meiner Persönlichkeit, der sich literarisch verselbstständigt hat. Galaptinin ist der dickste Kumpel von Jannek, eine Ruhrpottschnauze und ein Sprücheklopper. Aber er weiß zu überraschen und das habe ich ihm vielleicht beigebracht. Falo (seufz). Falo ist das Stille in mir, wenn man so will ebenfalls ein Persönlichkeitsteil - aber einer, der dann aus sich heraus weiterentwickelt wurde. Mein heimlicher Favorit indes ist Safur. Er führte meine Schreiberei in wunderbare Höhen und Tiefen, eine Achterbahnfahrt durch die Gedanken- und Geisteswelt, ich kam kaum mit dem Schreiben hinterher.
Bei den Damen habe ich keine Lieblingscharaktere. Ich mag Pelias sehr, sehr gerne - eine Randfigur, aber was für eine. Elvana ist für mich das Fünfte Element, die Quintessenz und eine unnahbar faszinierende Sphärenfigur. Carima ist mir manchmal merkwürdig fremd (sie ist ja ein Wasserwesen) und dennoch haben wir beide einen wunderbaren Weg zurückgelegt. Ich lernte viel von ihr und sie war geduldig darin mir ihren Charakter zu zeigen. Partha indes ist mir sehr nahe. Sie ist das zerbrochene Kind in mir und in der Welt. Wenn ich an die Kinder denke, denke ich an Partha...
 Die heimlichen Stars sind jedoch die tierischen und menschlichen "Nebenfiguren" (es gibt keine Nebenfiguren!); Flinka, der Graslöwe, Goldstreifen, Hergrot, Parlos und all die anderen.
 
 
Du hast ja schon etwas zu Deinen Covern geschrieben, kannst Du hier deren Bedeutung nochmals kurz umreißen?
 Nun - vorab ich gehöre zu den merkwürdigen Leuten, die die Verpackung für nicht so wichtig halten wie den Inhalt. Das heißt, ich mag sehr gerne gute Bilder und von mir aus auch Cover, würde aber nie ein Buch daraufhin auswählen. Die Cover der INRIMI-Reihe ergeben sich aus der Freundschaft zu dem Bochumer Künstler Peter Kaufung. In seinem Fundus entdeckte ich das Bild zu INRIMI und sah darin die drei aufsteigenden Figuren (Roman, Carima, Bantor). Dann habe ich Meister Kaufung die restlichen Cover machen lassen, wobei ich bei dem PERFEKTUS-Cover die Figur ins Spiel gebracht habe. Die Coverbilder korrespondieren mit dem Kernthema der Bücher und farblich gibt es ebenso Bezüge. So sind die Grundfarben verwendet und das Rot von INITIUS steht für Liebe, Eros und Hass - Elemente, die in dem Buch eine wesentliche Rolle spielen. Mein Beitrag zum Bilddesign der Cover sind die Embleme auf den Buchrücken. Sie zeigen ein Leitmotiv des jeweiligen Bandes.
 
 
Hattest Du ein Vorbild oder eine Inspiration, der/die Dich zur Fantasy geführt hat oder liebst Du das Genre allgemein?
Ich war als Kind eher introvertiert und das, was man einen Träumer nennen könnte. Dann schlug der Film von Ralph Bakshi (Der Herr der Ringe - Zeichentrick) in das kindliche Gemüt ein wie eine Bombe und seitdem lese und sehe ich sehr gerne Fantasy und Phantastik. Vorbilder sind für mich dabei eigentlich die großen Drei der Fantasyliteratur: Tolkien, Martin und Sapkowski. Insbesondere Martin und Sapkowski haben mich literarisch beeindruckt. Die Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur, den Abgründen des Strebens nach Macht, die perfide Interessensdynamik der Figuren usw. Ich könnte da jetzt sehr lange schwärmen, aber Autor'innen, die in ihren Texten viele Themen verarbeiten und dabei emotionale Berührungen schaffen prägen mich - egal in welchem Genre sie unterwegs sind.
 
 
Was liest Du privat?
Da gibt es im Moment eigentlich zwei Lektüren: Einmal das „Kollegenlesen“, bei dem ich sympathische und kollegiale Kolleg*innen ausprobiere und sie in meinem bescheidenen Kreis kurz vorstelle. Das ist meistens Stoff aus den Genres: Fantasy, SF und manchmal Horror. 
Die zweite Art an Lesestoff zu kommen ist durch Bruder Zufall: Ich stöbere in den hiesigen Buchkästen, bekomme hier und da mal ein Buch geschenkt oder lasse mich (eher selten) vom Angebot in der kleinen Stadtteilbuchhandlung verführen. Dabei spielt das Genre gar keine Rolle, denn gute Literatur kann viele Kleider tragen, ihre Schönheit und Klugheit versteckt sie dahinter…
 
 
Hast Du Musik, die Dich während des Schreibens begleitet? Ich lese oft von „Schreibmucke“ muss aber zugeben, dass mich Musik beim lesen und schreiben ablenkt. Ich brauche absolute Ruhe. Wie ist das bei Dir?
Nein, wenn ich schreibe, schreibe ich und wenn ich lese, lese ich. Und wenn ich Musik höre, höre ich Musik …
 

 
 
Was erwartest Du selber von Büchern? Was ist für Dich besonders wichtig?
Schön, dass du das fragst. Das ist eines meiner Lieblingsthemen. Bücher können wunderbare Verbindungen herstellen und zwar zwischen den Geschichten von denen sie handeln, den Gedanken und Gefühlen, die sie übermitteln und dem Inneren der Leser*innen. Zum Beispiel habe ich bei so manchem Ende Tränen geweint oder geschrien vor Wut, gelacht mit verweinten Augen und manchen Fluch gesprochen – kurz ich habe den Text mit Leib, Geist und Seele erfahren. Das erwarte ich von Büchern und das liefern auch einige Texte.
Tragischerweise ist das ihre letzte Kunst, denn Bücher werden hart von elektronischen Geschichtenformaten wie Filmen, Serien oder Games bedrängt. Doch solche Seelenberührungen kriegen die genannten Formate nicht so gut hin – es sei denn, sie wurden literarisch geprägt (Dramen, filmische Meisterwerke…). Ansonsten sehe ich mit einiger Traurigkeit dem Sterben des Mediums zu (die Tiktokisierung des Medienkonsums schreitet ja voran).
 
 
Hast Du zukünftige Projekte?
Eigentlich nur noch eins, denn ich habe vieles mit der INRIMI-Reihe gesagt, was ich so zu sagen hatte. Doch ein Projekt steht noch an. Es ergibt sich aus einem Erzählstrang von PERFEKTUS. Genaueres werde ich natürlich nicht erzählen, außer vielleicht, dass es mit dem Göttermal zu tun hat…
 
Wenn Du Dich selbst in einem Satz beschreiben müsstest, wie würde er lauten?
Man sagt ich sei ein Narr – und ich bin es gern gewesen…
 
Wenn Du gefragt wirst: „Warum sollte ich Deine Bücher lesen?“ Was antwortest Du?
Weil du Herzmomente haben wirst, Momente, in denen alles in dir zerbricht oder aufschreit, Leseerlebnisse haben wirst, die tief sind und in dir nachhallen. Vielleicht auch, weil du auflachen wirst und dir heiter ums Herz wird, weil du Spaß an den Eskapaden haben wirst und weil das Buch dich nicht leer hinterlassen wird. (Meine Anmerkung: stimmt alles!)
 
 
Welche Frage wolltest Du schon immer beantworten, es hat sie nur noch niemand gestellt?
Es gibt kein Morgen und kein Gestern – es gibt nur das Jetzt. (Auf die Frage, warum ich dies und das nicht so plane…)
 
Hattest du schon mal den Wunsch alles hinzuschmeißen und das Schreiben aufzugeben und was hat dich motiviert weiterzumachen?
Oh, ich schmeiß vieles hin. Bisweilen ist es gefährlich in meiner Nähe zu sein. Das Schreiben hingegen schmeiß ich nicht hin oder durch die Gegend. Nein, es ist meine Privatangelegenheit, die Kunst aus den sinnlosen Episoden des Lebens die eigene Geschichte zu dichten. Warum sollte ich das wegschmeißen?

 
Was macht Jan-Patrick Wiezorek, wenn er nicht schreibt?
Nichts. Ich bin ein Großmeister des Nichtses – das habe ich in den Jahren als Hippie-Jan, als Kung-Fu-Jan, als Rockschlagzeuger-Jan, als Patienten-Jan, Meditations-Jan usw. gelernt. Und wenn ich nicht nichts mache, verbinde ich mich mit den Dingen, gehe viel spazieren, träume mir irgendeinen Unfug zusammen, laber Bullshit, - kurz ich lebe recht intensiv im Moment. Davon ab, sammle ich ein wenig Kunst, mache gerne Musik und komme mit Freunden dann und wann an einem Lagerfeuer zusammen. Außerdem gibt’s noch eine Familie, aber das ist privat…
 
 
Ähnelt Dir eine Figur Deiner Trilogie und wenn ja, welche? Bzw. mit welcher würdest Du Dich am ehesten identifizieren?
Ich bin sehr viel Safur, einiges an Charles und etwas von Falo. Ich bin gerne Partha (Dinge fliegen durch die Gegend, Blumen werden bestaunt), etwas Elvana, manchmal Chelandros – oft Parlos und ganz selten Elena und überhaupt nicht Roman.
Jannek bittet mich noch zu erwähnen, dass er feste, feste Galaptinin ist, reichlich Garban und einiges an Isul. Manchmal ist er Hergrot, doch am meisten ist er: Bantor…

Danke für dein Interesse und das schöne Interview.

 

Tief in der Erde ist ein Licht,
doch was dort ist,
das weiß man nicht..
.

1 Kommentar:

  1. Schönen guten Morgen!

    Die Reihe hab ich ja jetzt schon länger auf meiner Wunschliste - du hattest mich sehr neugierig darauf gemacht, aber ich bin bisher einfach noch nicht dazu gekommen!
    Ein schönes Interview habt ihr da zusammengestellt, ich hab es heute gerne in meiner Stöberrunde verlinkt :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

    AntwortenLöschen

Achtung Datenschutz! Mit dem Abschicken des Kommentars nehme ich zur Kenntnis und bin einverstanden, dass meine Daten von Blogspot gespeichert und weiterverarbeitet werden!