Ende der 60er Jahre. Die Witwe Irene
Beaudoire verbringt ihren Lebensabend damit, heimatlosen und verwahrlosten
Tieren eine Heimat zu geben. Ihr Mann Frederic ist im ersten Weltkrieg
gefallen, ihre Tochter ist fortgezogen, so bleiben ihr nur ihre Katze Bavette
und ihre Erinnerungen.
Als ihr Mann nicht aus dem Krieg zurück
kam wollte Irenes Vater sie zwingen, erneut zu heiraten. Doch Irene weigerte
sich, studierte Lehramt und unterrichtete bis zu ihrer Rente Geschichte am
örtlichen Lyzeum.
Irene ist eine rationale Frau, die mit
beiden Beinen fest im Leben steht. Nur wenn der Vollmond am Himmel strahlt und
es leicht regnet, geht sie hinaus um die Mondscheinbrücke zu betrachten. Es
geht die Legende, wenn das Licht des Mondes sich in den Regentropfen spiegelt
bildet sich ein Mondbogen und es kommen Tiere aus einer anderen Welt zu
uns. Irene weiß natürlich das dies nur
eine Legende ist, bis eines Tages ein Rabe neben ihr Platz nimmt, der ein
Medaillon um den Hals trägt. Irene öffnet neugierig das Schmuckstück und damit
ändert sich ihr Leben.
Kommentar:
Ich habe dieses Buch ohne Erwartungen
entgegengenommen. Ich kenne einige Bücher von Joachim Sohn, sie sind teils
etwas verrückt, immer abenteuerlich und spannend. Dieses Buch ist anders. Es
wird sicherlich bei meinen Highlights 2023 auftauchen, denn es hat mich tief im
Innersten berührt. Ich gebe zu, ich habe Joachim eine so zarte und feinfühlige
Geschichte nicht zugetraut und ich entschuldige mich für diese Fehleinschätzung
bei ihm.
Wie schon in dem Buch »die Schatten von
Sev-Janar von Anke-Höhl Kayser« geht es in diesem Buch und Trauer und Verlust.
Das Leben, ihr Beruf und ihre Tochter haben Irene ausgefüllt doch jetzt, im
Alter und in ihrer Einsamkeit, treiben diese Gefühle wieder an die Oberfläche.
Ich habe eine 90jährige Freundin, deren Cousin im zweiten Weltkrieg gefallen
ist. Niemand weiß, wie er gestorben und wo und diese Frage treibt sie jetzt, im
Alter, wieder um. So ergeht es auch Irene. Sie hat nie erfahren, was mit ihrem
Mann passiert ist und wo und unter welchen Umständen er gefallen ist.
Der Wiederaufbau, die Erziehung ihrer
Tochter und ihr Beruf als Lehrerin ließen keinen Platz für Trauer. Wir
nachfolgenden Generationen wissen nicht zu schätzen was diese Generation
geleistet hat. Irene hat zwei Weltkriege erlebt und überlebt, ebenso wie ihr
alter Freund Gustave. Sie hat beim Wiederaufbau des Landes mitgeholfen,
Entbehrungen erlitten und ist doch ihren Weg gegangen, hat ihr Ziel, Lehrerin
zu werden, erreicht. Der Respekt und die Wertschätzung für diese Generationen
sind leider verloren gegangen. Ihre Leistungen, von denen wir nun profitieren,
werden nicht anerkannt, im Gegenteil, die Nutznießer dessen was damals alles
erreicht und erarbeitet wurde, schimpfen nur über diese Generation.
Als Irene nachts auf der Parkbank sitzt
und den Mondbogen betrachtet, ahnt sie noch nicht, dass ihre unerfüllte
Sehnsucht über diesen Bogen treibt. Und als Antwort erscheint ein Rabe. Durch diese Begegnung beginnt sie nun Fragen
zu stellen. Was ist damals im ersten Weltkrieg wirklich passiert? Wo war die
Einheit ihres Mannes stationiert? Gibt es Unterlagen dazu? Fragen, die sie
bisher nie laut gestellt hat. Ihr Freund Gustave, der damals mit Frederic im
Krieg war, hilft ihr, diese Fragen zu beantworten und er musss sich dabei
seiner eigenen Vergangenheit stellen. Mir hat fast das Herz geblutet als er
Irene von damals erzählt. Soviel Leid, Kummer und Scham, dass man überlebt hat
während die Kameraden gestorben sind. Der Rabe, den Irene Jacques Schroeder
nennt, ermöglicht es Irene, endlich Antworten zu finden.
Der Schreibstil von Joachim Sohn ist direkt
und schnörkellos ohne falsche oder übertriebene
Dramatik. oder blendende Effekte. Einfache Worte für eine einfache
Lebensgeschichte, nichtsdestotrotz wunderschön. Gerade diese Schlichtheit lässt
die Geschichte noch intensiver wirken.
Das Cover und die Illustrationen runden
das Buch perfekt ab und Worte und Bilder harmonieren wunderbar. Wenn man das
Buch durch die Finger laufen lässt (am
Schnitt schnell blättert) , sieht man
den Raben auch fliegen, ein kleines Bonbon, dass man erst entdecken muss
Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar
erhalten aber Joachim Sohn weiß, dass ich keine Gefälligkeitsrezensionen
schreiben. Eher schreibe ich keine. Meine Meinung ist subjektiv aber sie kommt
von Herzen. Danke für diese schöne Geschichte.
Fazit:
Bild und Wort gehen eine perfekte
Symbiose ein und die Geschichte berührt das Herz. Hut ab vor Joachim Sohn und
Holger Much, die zusammen etwas außergewöhnliches
geschaffen haben. Ein Buch. für alle Menschen, die noch träumen können.
Titel: Die Nacht des Mondbogens
Autor: Joachim Sohn
Illustrationen: Holger Much
Verlag: Edition Outbird, TB, 204 Seiten
ISBN: 9783948887438
Vielen Dank für diese wunderbare Rezension - und das Wahrnehmen des Illustrators🙏🏼🥰. Danke!
AntwortenLöschenSchönen guten Morgen!
AntwortenLöschenIch hab das Buch bisher noch gar nicht wahrgenommen und bin jetzt sehr froh, dass du es vorstellst! Das Cover sieht schon so wunderschön aus - und der Klappentext ist hier tatsächlich mal gelungen und macht sofort neugierig!
Auch deine Beschreibungen klingen total schön und das Buch wandert auf jeden Fall auf die Wunschliste :)
Liebste Grüße, Aleshanee
Args, jetzt sehe ich dass du für die Beschreibung einen eigenen Text geschrieben hast! Der ist ja viel viel besser als der Klappentext (der schon wieder zu viel verrät!)
LöschenDas mache ich eigentlich immer, es gibt nur seltene Ausnahmen, dann schreibe ich aber dazu das es der Klappentext ist
LöschenIch hab das irgendwann aufgegeben, weil ich eh schon so viel Zeit brauche für die Rezensionen selber...
LöschenAber deine Beschreibung ist hier wirklich total super - ganz im Gegensatz zum Klappentext ^^
Guten Morgen Petra!
AntwortenLöschenDeine schöne Rezension zu dem tollen Buch hab ich heute gerne auch in meiner Stöberrunde erwähnt :)
Ein schönes Wochenende!
Aleshanee