20 Juli 2022

Der Klon von Jens Lubbadeh

 

Es ist das Jahr 2033, die rechtsalternative Partei »der deutsche Weg« erhält regen Zulauf, die Vergangenheit scheint vergessen.  Ihr Vorsitzender und Parteigründer Bernd Sörensen ist auf dem Vormarsch und könnte bei den nächsten Wahlen mit seiner Partei  einen haushohen Sieg einfahren. 
Diesen Weg hat er seit über 20 Jahren vorbereitet und in Arthur Hendrich sieht er einen legitimen Nachfolger Adolf Hitlers. Über Jahre hinweg hat Sörensen diesen jungen Mann auf seine Zukunft vorbereitet, die Weichen gestellt, dass dessen Lebensweg dem  Adolf Hitlers gleicht. 
Und seine Mühen und Vorbereitungen, das lange Warten scheinen sich bezahlt zu machen. Auf seinem social-media Kanal unterstützt Arthur Hendrich unwissentlich die Politik der neuen Partei, in dem er auf aktuelle Missstände hinweist, von denen er meint, dass durch diese Missstände der Jugend die Zukunft geraubt wird. 
Doch Sörensen  hat nicht mit der Journalistin Mara Erhardt gerechnet, die bei ihrer  Recherche über geklonte Kinder und nach und nach Geheimnisse aufdeckt, die lieber im Verborgen bleiben sollten.

Kommentar: 
Ich habe sehr lange an diesem Buch gelesen und es zwischendurch immer wieder unterbrochen, weil es mich erschreckt und verstört hat.Ich möchte am liebsten viele Passagen zitieren um begreiflich zu machen, dass wir durchaus schon auf dem Weg sind, den der Autor hier aufzeigt:
 
Seite 230:  
»gezielt sprach Arthur seine Generation an und bediente sich der gleichen Themen wie die „friday-for-future“ Bewegung und die Grünen. Aber er löste dem Klimawandel aus dem internationalen Kontext heraus und machte ihn zum nationalen Thema. Immer wieder sprach er von der Heimat, die es zu bewahren galt, von dem CO2, das vorwiegend aus dem Ausland kam, ausgestoßen von Chinesen, Indern und Amerikanern.  Arthur sprach von Heimatschutz, von Sicherheit und Vertrauen.« 
»Und wie nebenbei  streifte er auch die Ur-Themen der Rechten: Einwanderung, Überfremdung, Islamisierung.«

Arthur Hendrich  macht in diesem Roman Angela Merkel zum Sündenbock für die Erstarkung der Rechten, da sie mit ihrem Spruch „wir schaffen das“ angeblich der Welt Tür und Tor geöffnet hat. Diese aktuellen Bezüge, die Jens Lubbadeh herstellt, sind es, die den Leser erschrecken, denn es klingt alles zu realistisch und wahr. Es gibt unermesslich viele dieser aktuellen Bezüge in diesem Roman und das macht ihn so glaubhaft.  Es wird von aufrechten, deutschen Familien gesprochen, die unter der Zuwanderung leiden,  es wird von Begrüßungsgeld für jedes neugeborene deutsche Kind ohne Migrationshintergrund  gesprochen, es wird die Frage gestellt, wie viel Zuwanderung und Fremdheit ein Volk ertragen kann ohne seine Identität zu verlieren.

Nachdem Bernd Sörensen den Weg geebnet hat trifft Arthur Hendrich genau die Herzen seiner Generation. Und als er geoutet wird, ist der Zulauf noch radikaler, die Emotionen reichen von schierer Anbetung hin bis zu unvorstellbarem Hass. Er erscheint den einen als Heilsbringer, den anderen als das personifizierte Böse. 
 
Und hier beginnt  für mich das unfassbare Grauen. Ein junger Mann, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, der auf seinem social-media Kanals auf die Missstände aufmerksam machen und seine Altersgenossen aufrütteln möchte. Teilweise sehr radikal aber welcher junge Mensch vertritt seine Ansichten nicht energisch, meint, die Weisheit mit dem Löffel  gefressen zu haben und grundsätzlich besser Bescheid zu wissen als die verknöcherten Alten? 
Ist es deshalb rechtens, diesem jungen Mann nur auf Grund seiner Gene, den Prozess zu machen? Für etwas, das vor 100 Jahren passiert ist, als Arthur nicht einmal geboren war? 
Die Hysterie, die Jens Lubbadeh hier beschreibt, hat mich genauso verstört, wie das Interview, das Bernd Sörensen einem TV Sender gibt und in der er die parteipolitischen Ziele aufzählt. 
Ich habe sofort an den Film »minority report« denken müssen, den der Autor auch zum Ende des Buches hin erwähnt.  Darf man einen Menschen vorverurteilen?  Darf man einen Menschen für das, was er vielleicht machen könnte, zum Tode verurteilen? Sicher, die Rahmenbedingungen, denen Arthur ausgesetzt war, sind die gleichen, denen Hitler ausgesetzt war. Doch Arthur ist ein Individuum, ein eigenständiger Mensch ein einer völlig anderen Zeit. Muss seine Entwicklung unausweichlich dazu führen, dass er zu einem Massenmörder wird wenn die Voraussetzungen die gleichen sind? 
Jens Lubbadeh hat hier die Finger auf viele wunde Punkte gelegt, vieles klingt zu plausibel, als dass man das Buch einfach so auf Seite legen könnte. Sicherlich handelt es sich um eine fiktive Geschichte und Jens Lubbadeh schreibt sie wie eine erzählte und nicht wie eine erlebte Geschichte, so dass eine gewisse Distanz bleibt. Und das ist auch gut so, denn so bietet er als Autor keine persönliche Angriffsfläche. 
Für mich ein Buch, dass zum Nachdenken anregt. Das einen bittet, genauer hinzuschauen und alles zu hinterfragen. Dass einen dazu zwingt, seinen moralischen Kompass zu überprüfen und nachzudenken, bevor man Parolen und Propaganda aufgreift. 
Ich habe auch die anderen Bücher des Autors gelesen und seine aktuellen Bezüge fesseln mich stets, vor allem die Ereignisse in »Transfusion« sind auch durchaus vorstellbar. 
Vielen dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar. Meine Meinung ist rein subjektiv.
 
Fazit: 
Erschreckend  glaubhaft geschildert. Schon bei »er ist wieder da« habe ich, bei allem Humor,  teilweise fassungslos den Kopf schütteln müssen. Hier geht es mir ebenso.
 
Titel: Der Klon 
Autor: Jens Lubbadeh 
Verlag: Heyne, Softcover, 477 Seiten 
ISBN: 9783453320130

1 Kommentar:

  1. Hi Petra, das klingt gut. Ich habe "Er ist wieder da" auch gelesen, ist aber schon lange her. Das hier schau ich mir mal genauer an!
    Liebe Grüße und Gute Besserung!
    Kerstin

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