William Arrowood steht stets im Schatten
des großen Ermittlers Sherlock Holmes. Während Holmes immer die lukrativen
Aufträge der Mächtigen und reichen erhält, bekommt Arrowood nur die kleine
Aufträge, die ihn so gerade über Wasser halten. Zwar hatte er die Hoffnung,
dass er nach Abschluss seines letzten Falles etwas Ruhm ernten könnte, doch
vergebens. Daher ist sein Assistent Barnett froh, als sie endlich einen neuen
Fall erhalten, der seinen Chef davon abhält Trübsal zu blasen und über die
Ungerechtigkeit der Welt zu lamentieren. Mister und Mistress Barclay bitten ihn
nach ihrer Tochter Birdie zu sehen. Seit sie verheiratet ist hat sie sich bei
ihren Eltern nicht mehr gemeldet. Auf Briefe antwortet sie nicht. Als die
Barclays zu dem Hof der Familie Ockwell fahren, auf dem Birdie nun lebt, wird
ihnen der Zugang zum Haus verweigert und die Familie behauptet, dass die junge
Frau nicht anwesend sei. Als Arrowood und Norman während ihrer Ermittlungen
ebenfalls zu den Ockwells hinaus fahren, werden sie brüsk abgewiesen, im Dorf
werden sie angefeindet. Letztendlich bleibt den beiden Ermittlern nichts
anderes übrig, als zwei Spione auf den Hof einzuschleusen. Diese Aufgabe
übernehmen Ettie und der kleine Neddy, nichts ahnend, in was für eine Gefahr
sie sich begeben.
Kommentar:
Während Sherlock Holmes ein Ermittler
für die Schönen und Reichen ist und so seinen dekadenten Lebensstil finanzieren
kann, muss sich William Arrowood mit den Brosamen begnügen. Sein London wirkt
ehrlicher und direkter in seiner Unvollkommenheit. Er und sein Assistent
Barnett begeben sich in Gefilde, die der Meisterdetektiv nie betreten würde.
Dieser Fall hat mich sehr tief berührt,
denn es geht um Menschen, die sich nicht wehren können, die ausgenutzt und
ausgebeutet werden. Und am Ende werden sie entsorgt wie Müll. Schon bei Anne
Perry hat man einen ehrlichen Blick auf dieses viktorianische London erhalten,
einen Zeit, die heute verklärt wird, die an Grausamkeit aber kaum zu überbieten
ist.
Arrowood und Barnett sind keine
Vorzeigehelden. Der korpulente Ermittler ist launisch, manchmal sogar peinlich
und er lässt seine Launen immer wieder an seiner Schwester Ettie oder an seinem
Assistenten Norman aus. Norman entstammt dem Slums von London, er hat mit
seiner Mutter zeitweise im Armenhaus gelebt und er musste früh lernen, sich zu
behaupten. Obwohl die beiden Männer nicht unbedingt Freunde sind, respektieren
sie einander. Ettie hat lange Jahre in Afghanistan als Krankenschwester
gearbeitet. Ihr fällt es schwer sich an die Rolle des Heimchens am Herd anzupassen.
Als selbstbewusste Frau, die Jahre lang kranke Männer gepflegt hat, ist sie es gewohnt,
ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Als sie bei ihrem Bruder einzieht, ist
der Ärger vorprogrammiert. Aber diese kleinen Dispute sind es, die in wenig
Humor in die Handlung bringen. Dies und
die sich stets widerholenden Tiraden Williams gegen Sherlock Holmes. Seine
Kritikpunkte kann man als Leser sogar nachvollziehen, da beide Detektive sich
sehr unterschiedlicher Ermittlungsmethoden bedienen. Während Sherlock Holmes
nach Spuren und Beweisen sucht und 40 verschiedene Tabaksorten am Duft erkennen
kann, liest Arrowood in den Gesichtern der Menschen. Er studiert jede Regung,
jedes Muskelzucken. Das erinnert an wenig an die Serie »lie to me«, in der es um
diese Mikroausdrücke geht.
Dieser Fall führt den Leser in die
Abgründe der Menschheit. Und leider ist es ja auch heute noch so, dass Menschen
ausgenutzt und ausgebeutet werden, zusammengepfercht in Billigunterkünften leben
und kaum von der Hand in den Mund leben können. Billige Arbeiter, derer man
sich entledigt, wenn es zu Problemen kommt.
Ich liebe Sherlock Holmes Romane, egal,
von welchem Autor. Aber Mick Finlay zeigt uns die Kehrseite von London, wie es
den Menschen ergeht, die sich keine Hilfe holen können, die alleine leben und
letztendlich auch alleine sterben. Deren Verbleib niemanden kümmert. Auch wenn
die Barclays einen Hintergedanken haben, als sie nach Birdie suchen lassen,
wird doch durch diese Suche ein ungeheuerlicher Skandal aufgedeckt, der den Leser
und auch die beiden Ermittler bis ins Mark erschüttert.
Sprachlich ist an dem Buch absolut
nichts auszusetzen. In diesem zweiten Band bekommen die Figuren etwas mehr
Tiefe, man lernt sie besser kennen und verstehen. Und für Arrowood, der keine Kinder hat, ist
der kleine Neddy so etwas wie ein Sohn.
Der kleine Junge, der jetzt schon seine Familie ernähren muss, begibt
sich für den Detektiv immer wieder in Lebensgefahr, was vor allem Ettie und
Norman ärgert, die den Jungen beschützen möchten. Die Beziehung dieser vier sehr
unterschiedlichen Menschen ist der rote Faden in dieser Büchern und ich bin
sehr gespannt, wie es weiter geht.
Fazit:
Düster, spannend, fesselnd, ein viktorianischer
Krimi, der für mich zur Oberliga gehört. Während ich bei Band eins noch etwas zögerlich war,
hat mich dieser Band sehr begeistert.
Titel: Die Mördergrube
Reihe: Arrowood
Autor: Mick Finlay
Verlag: Harper Collins, TB, 478 Seiten
ISBN: 9783959672931
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