„Was ist das Beste daran, unsterblich zu sein?“, fragte er Kit
Der Ghul dachte lange nach. „Furchtlosigkeit“, sagte er schließlich.
„Und was ist das Schlimmste?“
„Manchmal ist es etwas einsam.“
Gabriel, genannt der
goldene Gabe, Clay Cooper, Matrick Schädeltrommler, Arcandius Moog und der
Nordmann Ganelon bildeten einst die legendäre Söldnertruppe Saga. Sie waren berühmt, gefürchtet und
unbesiegbar, manche glaubten sogar, sie seien unsterblich.
Aber Helden ergeht es
genauso wie jedem normalen Menschen, sie werden alt und vergessen, nur die
Lieder über ihre Heldentaten bleiben bestehen.
Clay Cooper lebt mit
seiner Frau Ginny und seiner Tochter Tally in dem kleinen und abgelegenen Ort
Decktal. Sein Traum ist es, ein Gasthof zu eröffnen und heldenhaften Geschichten
nur noch zu lauschen, statt sie zu erleben.
Bis Gabriel vor
seiner Tür steht und seinen alten Kameraden um Hilfe bittet. Seine Tochter Rosie
ist mit ihrer Söldnertruppe in der Stadt Castia gefangen, die von einer fremden Armee
belagert wird. Clay Cooper lehnt das Ansinnen des Freundes zunächst ab. Er ist
zu müde und zu alt zum kämpfen. Ihre Truppe hat sich zerschlagen, sie haben schon Jahre keinen
Kontakt mehr. Wie sollen fünf alte Männer es schaffen, noch einmal die Welt aus
den Angeln zu heben, durch den finsteren Herzwyld zu wandern und hohe Berge zu erklimmen?
Seine Tochter Tally
ist es, die ihm fast das Herz bricht und ihn zum Umdenken zwingt. „Du würdest doch
kommen, wenn ich in Schwierigkeiten wäre, Papa, oder? Wenn ich weit weg von
bösen Leuten gefangen worden wäre? Dann würdest Du kommen und mich retten?“
Diese Sätze treiben
den ehemaligen Söldner an, das Unmögliche zu versuchen. In der ausweglosesten
Lage, der dunkelsten Stunde, sind sie seine Hoffnung, seine Parole.
Gemeinsam mit Gabe
begibt er sich auf die Suche nach den anderen Mitgliedern der Truppe, denn Gabe
weiß: Ist Clay "die langsame Hand" Cooper dabei, werden alle anderen folgen.
Ein letztes großes Abenteuer beginnt, an dessen Ende nicht nur die Rettung
einer jungen Frau steht sondern die der ganzen Welt.
Kommentar:
Was für ein blöder
Titel für dieses geniale Buch. Im Original heißt es kings of the wyld, was sich
auf den Herzwyld bezieht. Die Truppe ist weder finster, noch sind sie Könige.
Sie sind alte Männer, die an diversen Zipperlein leiden und sich jeden Moment
des Unternehmens fragen, was sie eigentlich da treiben.
Nicholas Eames nennt
als Vorbilder Guy Gavriel Kay und Joe Abercrombie. Und seine Geschichte spielt
in der gleiche Liga wie die Bücher dieser bekannten und beliebten Autoren. Und
was wirklich besonders ist: Es ist ein einzelner Band mit einem spannenden
Auftakt, einer atemberaubenden Reise und einem grandiosen Ende. Dabei hat der
Autor wirklich alle Register gezogen und seinen Roman so ziemlich alles
auftreten lassen, was es in der High Fantasy gibt. Hier einige der Wesen,
die seine Welt bevölkern: Mantikore, Zentauren, Lindwürmer, Drachen, Gargoyles,
Harpyen, Golems, Dyraden, Riesenspinnen, Aaswürmer, sprechende Wölfe, kämpfende
Bäume (Treanten), Nekromanten, Subukkus, Warge, Ixile (Menschen mit
Pferdeköpfen), Riesen, Fischmenschen, Kobolde, Gnome, Trolle Chimären. Und
natürlich Zombies und Ghule und der Unterschied wird hier sehr genau erklärt.
Nenne niemals einen Ghul einen Zombie, das macht ihn echt sauer. Zitat: „Ghul,
Zombie, wo liegt da der Unterschied?“, fragte Matrick. „Es gibt sogar einige.
Der bedeutendste ist der, dass Zombies Menschen verspeisen.“
Oft werden diese Gestalten
nur am Rande erwähnt, sie spielen keine Hauptrolle, überfrachten die Geschichte
nicht aber sie sind die Würze des Ganzen, das Salz in der Suppe. Zwei dieser
seltsamen Geschöpfe kreuzen den Weg der alten Männer, werden ihre Begleiter bei
dieser ausweglosen Mission. Kit, der Untötbare und der Arachnur Tiamax, der
eher einer Spinne als einem Mann gleicht.
Alleine die
Andeutungen der Abenteuer, welche diese Söldnertruppe in ihren besten Jahren
erlebt hat, würden Stoff für unzählige Bücher liefern. Ich hoffe, der Autor
macht etwas daraus. Denn wenn wir erleben, was diese Fünf und ihre Freunde im
Herbst ihres Lebens bewerkstelligen, müssen ihre Taten in ihren besten Jahren
unbegreiflich und gewaltig gewesen sein.
Neben der wirklich humorvollen
und unterhaltsamen Geschichte ist dieses Buch auch sprachlich ein kleines
Wunder. In einer bildgewaltigen Sprache, die voller treffender Metaphern
steckt, erzählt er die Reise der alternden Helden in einem sagenhaften Tempo,
so dass man als Leser das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Hier ein Beispiel:
"Die Worte *gar
nichts* warteten auf Clays Zunge wie ein Schauspieler, der bereit ist, die
Bühne zu betreten, doch er hielt den Vorhang geschlossen.“
Hier werden unzählige Nuancen
des Schulterzuckens beschrieben, die wie ein Film vor dem Auge des Lesers
ablaufen
Clay Cooper denkt
viel aber redet wenig, in diesem Buch ist das ein „running Gag“ der mich häufig
lauthals zum Lachen gebracht hat. Oft denken die Mitglieder der Saga an die
alten Zeiten zurück. Die Welt hat sich verändert, die heutigen Söldnertruppen
kämpfen lieber in der Arena und baden dort im Applaus der Menge, statt sich den
wahren Gefahren zu stellen. Niemand betritt mehr den Herzwyld, die Ungeheuer
werden in Gefangenschaft gezüchtet und auf den Kampf in der Arena vorbereitet.
Als die legendäre
Truppe wieder aktiv wird, ziehen sie eine Horde von Feinden hinter sich her,
wie der Rattenfänger von Hameln die Ratten. Der Beginn ihrer Mission steht
unter keinem guten Stern. Zweimal werden sie von der Brigantin Lady Jain und
ihren Seidenstrümpfen überfallen und ausgeraubt. Ein Schmach, der sich mit
nichts in ihrem bisherigen Leben vergleichen lässt. Ich habe hier sehr gelacht
und mir die Szenen bildhaft vorgestellt.
Obwohl es sich um
eine mittelalterliche Welt handelt, in der Zauberei eine große Rolle spielt,
gibt es auch Ansätze von Technik, wie etwa Luftschiffe oder eine Art von Strom.
Der Autor hat dies gut miteinander kombiniert ohne einen Bruch in der Geschichte
zu riskieren. Alles folgt nahtlos und überzeugend aufeinander, nichts wird dem
Zufall überlassen.
Ein weiterer „running
Gag“ ist der Tod der zahlreichen Barden, welche die Söldnertruppe auf ihren
Abenteuern begleitet haben. Nun haben sie einen Untoten als Barden und es
stellt sich natürlich die Frage, ob und wie letztendlich überlebt. Dem Ideenreichtum
Nicholas Eames sind hier keine Grenzen gesetzt, ich bin gespannt, was aus
seiner Feder noch folgen wird.
Am Ende des Buches
wird der Autor gefragt, welches seine Lieblingsfigur ist. Ich mag Clay Cooper
ebenfalls sehr gerne aber die Nebenfiguren wie der Ettin wachsen dem Leser ebenfalls
sehr ans Herz. Sie besitzen eine Lebendigkeit, die man nur noch selten in der Fantasy
findet.
Hier noch ein paar Szenen
aus dem Buch:
Seite 546: Er sah Matrick
zweimal an- nun ja, eigentlich zwölfmal, wenn man alle acht Augen mitzählte und
die beiden unter den Klappen davon abzog.“
Seite 555: „Leider
starb er zu jung“.
„Zu jung?“, fragte er Gabriel. „Woran ist er denn aus dem Leben
geschieden?“
Moog kratzte sich an seiner buschigen Nase. „Nun, ihr könnt sehen
wie groß er war. Anscheinend ist der durch einen Latrinensitz gebrochen und in
der Grube darunter ertrunken oder erstickt.“
Ein Scheißtod, wollte Clay gerade bemerken…"
Das ist es, was ich
an High Fantasy so mag: Trockenen, teils schwarzen oder bösen Humor, eine
rasante und innovative Geschichte, symphytische Helden mit Ecken und Kanten und
gewaltige Schlachten. Besser geht es kaum noch. Schön, dass es AutorInnen wie
Susanne Pavlovic, Col Buchanan oder jetzt Nicholas Eames gibt, die auf
unglaubwürdige, junge Charaktere und Romancy verzichten und zeigen, dass auch
ältere Menschen einen großen Wert haben.
Ein Newcomer, der
seinen Vorbildern alle Ehre macht und absolut gelungenes Debut.
Ich habe das Buch als
Rezensionsexemplar angefordert, ohne zu wissen, was mich erwartet. Was ein
Glück. Meine Meinung ist rein subjektiv und keine Werbung. Aber das Buch muss
jeder echte High Fantasy Fan einfach lesen!
Noch ein Zitat aus der Weltpresse: Eames writes like a hurricane and has a voice like no one else in this genre (Sam Sykes)
Titel: Könige der
Finsternis
Reihe: Bisher noch
keine, ich hoffe, da kommt noch was
Autor: Nicholas Eames
Verlag: Heyne, Softcover, 632 Seiten (und keine zu viel!)
ISBN: 9783453318878
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Achtung Datenschutz! Mit dem Abschicken des Kommentars nehme ich zur Kenntnis und bin einverstanden, dass meine Daten von Blogspot gespeichert und weiterverarbeitet werden!