Er
hob die Hand und deutete mit deutete mit
einem ausgesprochen schmutzigen Fingernagel auf mich. "Du", sagte er,
"Man wird Dir Deine Erinnerungen nehmen. Man wird sie Dir heraussaugen,
alles, was Dich ausmacht. Sie werden für immer verschwunden sein. Du wirst in
einen Park flüchten, und dort im Regen wird jemand Neues die Augen aufschlagen,
die einmal Dir gehört haben. Dieser Jemand wird Deine Augen öffnen, Deine
blutunterlaufenen Augen, und überall um sich herum Leichen sehen. Leichen, die
Handschuhe trage."
Als "Du" aufwacht, in einem
Park, umgeben von Leichen, die alle Latex Handschuhe tragen, ist sie verwirrt
und desorientiert. Sie besitzt keinerlei Erinnerungen an ihr Leben oder
irgendwelche Ereignisse. Allerdings
findet sie in der Innentasche ihres Mantels zwei Briefe. Auf dem ersten steht:
Für Dich, auf dem zweiten die Ziffer 2. Also liest "Du" den ersten
Brief, der kurz umschreibt, wie sie in diese Lage gekommen ist und der sie vor
zwei Alternativen stellt.
Schreiberin dieser Briefe ist Myfanwy
Thomas, die vorherige Besitzerin des Körpers. Auf Grund einer Weissagung erfährt
diese, was mit ihr passieren wird und sie trifft Vorkehrungen und
Sicherheitsmaßnahmen, damit "Du" in ihre Rolle schlüpfen und ihren
Widersacher aufspüren kann.
Kommentar:
Eine Zusammenfassung zu schrieben ist
etwas verwirrend, dafür wird mein Kommentar sicher wieder unendlich lang. Das
Buch hat mir großartig gefallen. "Ich" die Briefeschreiberin und
"Du" die Empfängerin sind eigentlich die gleiche Person.
"Ich" hat "Du" Kreditkarten, ein Bankschließfach und
unzählige Anweisungen und Instruktionen hinterlassen. Ebenso eine Mappe mit
Informationen über ihre Kollegen und Mitarbeiter, so dass sie sich einen
Überblick über die Organisation machen kann, für die sie tätig ist. Myfanwy weiß,
dass sie den schweren Weg wählt , als sie sich entschließt, das Leben von Myfanwy
zu übernehmen aber ihr Trotz und ihre Neugier zwingen sie dazu, herauszufinden,
wer die Briefeschreiberin auslöschen wollte.
Die Checquy-Group ist ein Zusammenschluss
von Wesen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die im geheimen operiert und Groß Britannien
vor allen Feinden, Menschen und anderen Wesen, schützt. Die Mitglieder dienen
ausschließlich dem Land und haben so die Zeiten überdauert, egal welchem
Glauben oder welchem Haus der Herrscher angehört hat. Es besteht eine
lebenslange Mitgliedschaft, die nur durch den Tod beendet werden kann.
Zitat Seite 54
Die Hierarchie
der Checquy Gruppe ist außerordentlich kompliziert. Das ist ein Resultat von Jahrhunderten von
Tradition und Anführern, die einen Mangel an Veränderung als kulturelles
Durchhaltevermögen ansehen. Um es so einfach wie möglich zu machen: Wer eine
Gabe hat und nicht im Court sitzt, ist ein Pawn. Ohne Gabe kommt man niemals in
den Court, sondern ist ein Bediensteter.
"Du" stellt fest, dass sie eine
sehr hohe Position innerhalb des Court inne hat. Was sie allerdings noch
feststellt und was ihr so gar nicht passt: "Ich" war ein graues
Mäuschen.
Zitat Seite 112:
Gestalt?"
Sie drehte sich zu dem Körper neben sich herum. "Was ist das?"
"Aber Myfanwy!" rief er. "Du hast doch immer eine Papiertüte
dabei. Du weißt genau, wie oft Dir bei diesen Anhörungen schlecht wird."
Seine Worte mochten tröstend gemeint sein, aber sie fand seinen Tonfall
ziemlich herablassend.
Sie kennt sich nicht, ist sich fremd,
sie fühlt sich überrumpelt und überfordert. Aber eines weiß sie, sie ist kein
Angsthase und keine graue Maus. Sie lernt "Ich" kennen aber auch ihre
eigenen Fähigkeiten. Während "ich" verängstigt war und ihre Gabe nie
einsetzen wollte, erkennt "Du" sofort das Potenzial ihrer Kräfte. Sie
ist selbstbewusst, fast bis zur Grenze zur Arroganz und sich ihrer Position
innerhalb der Organisation bewusst. Sie zeigt keine Anzeichen von Unsicherheit
und Schwäche mehr und verblüfft ihre Kollegen mit ihrem Imagewechsel und ihrer
neu eingesetzten Autorität.
Das Buch ist in zwei Erzählformen
aufgeteilt. Der Leser erfährt genauso viel wie "Du" und so breitet
sich die Geschichte nach und nach vor uns und der Protagonistin aus. Wir
fiebern mit ihr und sind genauso neugierig, was ihr noch offenbart werden wird.
Die Gedanken, die sich "Du" während des Lesens über "Ich"
und ihre Informationen macht sind herrlich amüsant und unterhaltsam. Sie
verfügt über einen ausgesprochen trockenen und teilweise schwarzen Humors, so
dass ich während des Lesens oft schallend gelacht habe. Ich könnte hier das
ganze Buch zitieren, der Autor hat eine Gabe, sich wirklich treffend
auszudrücken.
Hier noch ein paar Zitate:
Seite 423:
"Ja",
seufzte Myfanwy. "Das dürfte ein nettes kleines Verhör werden. ich brauche
nur meine Furcht einflößende Miene aufzusetzen." "Sie haben eine
Furcht einflößende Miene?" Ingrid klang skeptisch. "Allerdings,"
erwiderte Myfanwy beleidigt. Ich kann eine sehr Furcht einflößende Miene
aufsetzen." Ingrid betrachte sie einen Moment. "Dann sollten sie
vielleicht die Jacke ausziehen, Rook Thomas", riet sie taktvoll. "Die
Blumenstickereien auf den Taschen könnten von ihrem bedrohlichen
Gesichtsausdruck ablenken."
Seite 452:
"Würde
es Ihnen etwas ausmachen, mir zu verraten, warum all diese Schusswaffen hier herumliegen?
Haben Sie Angst, dass der Papierkram sich gegen Sie erhebt?"
Seite 465
"Und,
Alrich, was machen Sie hier?", fragte Myfanwy
"Ich
hatte Lust auszugehen", erwiderte er unbekümmert. "Und ich habe sie
gerochen." "Sie haben mich gerochen?", fragte sie erschüttert.
Sie widerstand dem Impuls, den Arm zu heben und an ihren Achselhöhlen zu
schnuppern.
"...und
was tragen Sie da?" Sie warf einen Blick auf die enge Lederhose und das
Netzshirt. "Sie sehen aus wie Sex in Stiefeln."
Seite
571
"Sollen
wir ihn umbringen?", schlug Eckhart vor. "Das wäre vielleicht das
Beste", überlegte Ferrier laut."Bishop Alrich, möchten Sie
vielleicht...?""Ich habe gerade erst zu Abend getrunken",
murmelte Alrich. "Wir erwägen ihn umzubringen, nicht ihn auszulutschen",
erklärte Eckhart
Das Buch ist 700 Seiten dick und ich
habe mich keine Seite gelangweilt. Ich war ebenso wie "Du" begierig
darauf zu erfahren, wie "Du" ihr Leben gelebt hat und was sie in
diese Lage gebracht hat. Immer wieder wechseln aktuelle Ereignisse und die
Briefe ab, was die Spannung wirklich ins unerträgliche steigert. Ich kann mir
dieses Buch absolut als Film vorstellen, voller skurriler Gestalten und
witziger Szenen. Die Fähigkeiten der Court
Mitglieder sind sehr unterschiedlich, natürlich erinnert es etwas an die X-Men,
das Geschichte ist nichtsdestotrotz eigen und viel unterhaltsamer als das
steife Marvel Universum.
Ein Überraschungshit des Jahres 2018,
ich hoffe, noch mehr von diesem Autor zu lesen. Immerhin könnten Rook Thomas,
Ingrid und Alrich ( der meinen Glauben an Vampire wieder hergestellt hat) noch
mehr Abenteuer erleben. Wolfgang Thon ist es erneut gelungen, den Esprit einer Geschichte
zu erhalten und die sehr schön ins Deutsche zu übertragen.
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar. Diese rezension spiegelt meine eigene, subjektive Meinung wieder und ist keine Werbung.
Titel: Codename Rook
Reihe: Die übernatürlichen Fälle der
Agentin Thomas
Autor: Daniel O'Malley
Übersetzer: Wolfgang Thon
Verlag: Blanvalet, TB, 700 Seiten
ISBN:9783734161810
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