Vier Kinder befinden sich auf dem Schulweg, als
sie von einer Gruppe Jugendlicher schikaniert und drangsalieret werden. Sie
sollen ihr Taschengeld herausrücken, sonst würden sich die Angreifer mit dem
Mädchen vergnügen. Die Kinder sind völlig verschreckt, panisch und hilflos angesichts
der Situation und wissen sich nicht zu wehren. Da erscheint ein helfender und
aufmerksamer Mann, der den Kindern zur Seite steht und die Jugendlichen
vertreibt, der aber kurze Zeit später von diesen gestellt und zu Tode geprügelt
wird. Niemand steht ihm und den Kindern zur Seite und dieses traumatische
Ereignis prägt das Leben der Vier.
Kommentar:
Fünfzehn Jahre später haben die Vier keinen
Kontakt mehr zueinander. Als ein sogenannter Todesengel erscheint und wehrlosen
Menschen zur Seite steht, die brutal überfallen und verprügelt werden,
wünschten sich nur alle, dass es damals schon so einen Engel gegeben hätte, der
ihnen geholfen hätte. Der Journalist Ing Praise stürzt sich auf den
Fall des Todesengels und bekommt sogar eine eigene Sendung im TV, in der den
Opfern eine Plattform gegeben wird. Zu oft werden diese vergessen oder
tatsächlich bestraft, wenn sie sich zur Wehr setzen. <<Unverhältnismäßig>>
heißt hier das Wort. Wehrt man sich zu heftig und der Täter erleidet
körperliche Schäden, muss das Opfer Schmerzensgeld zahlen oder kommt selber in
Haft. Für die Täter werden als Entschuldigung Argumente herangezogen, die sich auf
Ihre Kindheit, auf ihre Erziehung und auf das Umfeld beziehen.. Die Todesangst
der Opfer wird als Argument nicht zugelassen. Ingo Praise wird immer mehr zum
Sprecher der Opfer, auch er polarisiert und hetzt die Zuschauer auf. Je
erfolgreicher seine Sendung wird, desto unverblümter rät er zur Selbstjustiz.
Der Stern des bisher recht erfolglosen Journalisten steigt, er lernt Evelyn
Sassback, die Tochter eines der Opfer kennen und freundet sich sogar mit ihrem
Sohn Kevin an.
Der Todesengel bleibt lange eine Figur im
Schatten. Man erfährt wenig über ihn, sein Eingreifen ist stets kompromisslos
und brutal. Die Angreifer werden gnadenlos hingerichtet, ohne Emotionen. Der
Todesengel erscheint, exekutiert und verschwindet wieder. Wie er immer genau
zur rechten Zeit am Ort des Geschehens sein kann bleibt unbegreiflich.
Staatsanwalt Lorenz Ortheil fordert schnelle
Aufklärung und ist nur zu bereit, einen Täter zu präsentieren, auch wenn der
ermittelnde Kriminalhauptkommissar Justus Ambeck nicht von dessen Schuld
überzeugt ist. Mit Ambeck hat der Autor eine Figur geschaffen, mit der man sich
als Leser am besten identifizieren kann. Er ist ein ambivalenter Mann, der
zwischen seinen Gefühlen hin und hergerissen ist. Er versteht die Menschen, die
in dem Todesengel einen Rächer sehen, als Polizist kann er dessen Taten aber
nicht gutheißen.
Andreas Eschbach polarisiert mit dem Buch, er
spricht die niedersten Instinkte eines Menschen an und auch ich habe mich oft
dabei erwischt, dass ich auf der Seite des Todesengels war. Der Autor hat hier
sehr viel und gut recherchiert, er führt aktuelle Statistiken an und zerpflückt
sie gleich darauf wieder. Er legt die Hand auf eine Wunde im Rechtssystem, in
dem Opfer zu Tätern degradiert werden und alles unternommen wird um die Täter
zu resozialisieren. Doch ist die Lage wirklich so, wie der Autor sie schildert?
Er spielt mit unseren Emotionen und lässt und über ein Thema nachdenken, das
wir nur zu gerne verdrängen. Wie würden wir uns entscheiden, wenn wir ein
hilfloses Opfer sehen, das am Boden liegt und getreten wird. Weglaufen oder
handeln? Zivilcourage ist oft eine gefährliche Angelegenheit und nicht selten
liest man tatsächlich in den Nachrichten von Menschen, die helfen wollten und
selbst zum Opfer wurden.
Mein Bruder beschäftigt sich schon seit Jahren
mit dem Thema. Er ist Experte für den Fachbereich Flucht, Migration und
transkulturelle Deeskalation
· Autorisierter Lehrtrainer und freier Dozent seit 2010 sowie Diplomsozialpädagoge,
Antigewalttrainer, Deeskalationstrainer…
Ich nenne hier die Website https://kast-sh.de/udo-gerigk/, wenn
Interesse an einer AGT Gruppenschulung besteht (Bahn, Bank, Polizei, Sanitäter,
Lehrer etc.) kann man dort in Kontakt treten, die Schulungen finden in ganz
Deutschland statt.
Fazit:
Todesengel ist ein spannender Thriller, dessen
Thema mich auch nach Tagen noch sehr beschäftigt. Das Buch ist von 2015 aber
das Thema ist aktueller denn je. Zum Ende hin fällt es, wie seltsamerweise fast
alle Bücher von Eschbach, etwas ab, aber das hindert mich nie daran, seine
Bücher zu lesen, denn insgesamt sind sie immer spannend und gut geschrieben.
Das Buch hat eine Empfehlung ab 16 Jahre und die ist notwendig, denn die
beschriebenen Taten sind alles andere als leichte Kost.
Autor: Andreas Eschbach
Titel: Der Todesengel
Verlag: Bastei Lübbe, TB, 514 Seiten
978-3404172382
Hi Petra,
AntwortenLöschenfreut mich dass dich das Buch auch so mitgenommen hat - ich empfand es auch als extrem spannend und Eschbach greift einfach auch immer wieder sehr aktuelle und bewegende Themen auf.
Liebste Grüße, Aleshanee