13 März 2022

Der Uhrmacher in der Filigree Street von Natasha Pulley

 

Nathaniel Steepleton, kurz genannt Thaniel, ist ein ruhiger junger Mann, der für das Innenministerium in London arbeitet. Sein Traum war es, Musiker zu werden, leider fehlten ihm dazu die finanziellen Mittel. Mit seinem kargen Gehalt unterstützt er seine verwitwete Schwester und deren beiden Söhne, so dass er sich in London nur ein kleines Zimmer leisten kann.
Es ist eine Zeit des Aufruhrs, die Iren legen überall in London Bomben und Thaniel, als Telegrafist, bekommt die Auswirkungen der Attentate unmittelbar mit. So lernt er auch Superindent Dolly Williamson kennen, da Thaniel die Telegrame von Scotland Yard bearbeitet und weiterleitet. Sein Talent als Musiker hilft ihm bei diesem tristen Job, Thaniel ist der beste und schnellste Telegrafist des Innenministeriums. 
Eines Tages findet Thaniel in seinem Zimmer auf seinem Bett eine wertvolle Taschenuhr. Niemand hat gesehen, wer diese Uhr bei ihm abgelegt hat. Seine Nachforschungen führen ins Leere, verkaufen und verpfänden kann er sie nicht, da jeder in London sich weigert die Uhr zu akzeptieren. Sie führt ein seltsames Eigenleben und eines Tages rettet sie Thaniel sogar das Leben. Um mehr über diese seltsame Uhr herauszufinden bleibt Thaniel nichts anderes übrig als den Uhrmacher Keita Mori aufzusuchen, der die Uhr hergestellt hat. 
Die Begegnung mit diesem seltsamen und wunderlichen Japaner ändert Thaniels Leben von Grund auf.
 
Kommentar: 
Ich weiß nicht, was ich über das Buch schreiben soll, um der Geschichte gerecht zu werden. Ich hatte einen völlig andere Geschichte erwartet. Mehr Action, Abenteuer und Aufregung, immerhin geht es um Bombenanschläge in London und deren Aufklärung. 
Erhalten habe ich eine  wunderschöne und berührende Geschichte über eine Männerfreundschaft, bei der ich tatsächlich teilweise Tränen in den Augen hatte. Ja, meine Erwartungen wurden enttäuscht aber bekommen habe ich eine Geschichte, die  mich in eine faszinierende Welt mit wunderbaren Charakteren gezogen hat. 
Die Geschichte wirkt wie ein langsamer ruhiger Fluss, man sitzt am Ufer und träumt vor sich hin, vergisst die Wirklichkeit und ist für Momente einfach nur glücklich. ich habe die anderen Rezensionen gelesen und das Buch hat teilweise sehr schlechte Kritiken bekommen, eben, weil es anders ist als es der Klappentext und die Werbung versprechen. Man muss sich auf diese Geschichte einlassen, die Erwartungen vergessen und die Erzählung so nehmen, wie sie ist. Letztendlich geht es um zwei Männer, die unterschiedlichen Kulturen entstammen, beide einsam sind und sich langsam annähern. Ich mochte auch die Passagen aus der Vergangenheit des Uhrmachers, die in Japan spielen, ich habe einen Faible für das mittelalterliche Japan und liebe auch die Romane von Guy Gavriel Kay, die ebenfalls in einem phantastischen, mittelalterlichen Japan spielen. 
Die Uhr ist der Gegenstand, der die beiden Männer zusammenbringt. 
Parallel zu diesem Handlungsstrang gibt es einen weiteren, in der die junge Grace Carrow eine Hauptrolle spielt. Sie möchte sich den Konventionen der viktorianischen Gesellschaft nicht beugen. Ihr Wunsch ist es zu studieren und zu forschen, etwas, was die Gesellschaft nicht akzeptieren will. Frauen sollen heiraten und Nachkommen zeugen, eigenständiges Denken ist verpönt. Grace kann das Erbe ihrer Tante nur antreten, wenn sie heiratet, ein Kandidat ist nicht in Sicht. Ihr Studienfreund Matsamuto, Japaner wie Keita Mori, nennt Grace hässlich aber er hilft ihr immer wieder, sich als Mann zu verkleiden, um die Bibliothek zu besuchen oder andere Örtlichkeiten, die Frauen verboten sind. 
Die Wege der vier sehr unterschiedlichen Menschen kreuzen sich ungefähr in der Mitte des Buches und ab dann wird die Geschichte für mich sehr spannend. 
Viele schreiben, sie haben keinen Handlungsbogen erkannt, die Story wäre wirr und unverständlich und die Charaktere blass. Anscheinend habe ich ein anderes Buch gelesen, denn ich fand die Personen alle gut skizziert. Grace, die sich emanzipieren möchte, Matsamuto, der Lebemann, der beinahe das wichtigste in seinem Leben verliert, Keita Mori, der einen besonderen Blick auf die Zukunft hat und Thaniel, der sich seine Wünsche eingestehen muss. 
Mein Liebling ist natürlich Katsu, der Oktopus, der mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Eine der Kreationen des seltsamen Uhrmachers. 
Ich habe das Buch gewonnen und bedanke mich bei dem Verlag, dass er den Mut hatte, diese außergewöhnliche Geschichte zu drucken. 
 
Mein Fazit: 
Diese Geschichte ist anders und außergewöhnlich. Am ehesten fiel mir als Vergleich dazu Witchmark von C.L. Polk ein, das mich gleichermaßen berührt hat. Wem dieses Buch gefallen hat sollte es wagen, sich auf den Uhrmacher einzulassen. Für mich ein Highlight 2022. Anders aber gut.
 
Titel: Der Uhrmacher in der Filigree Street 
Autorin: Natasha Pulley 
Verlag: Hobbit Presse, Klett-Cotta, HC, 444 Seiten 
ISBN: 9783608984750

2 Kommentare:

  1. Hallo Petra,

    ich denke hier muss sich der Leser/inn einfach auf eine ungewöhnliche Geschichte/Verlauf einlassen...und alles ist gut..

    Besonders interessant/spannend für mich waren, die Einblicke in fernöstliche/japanische Denk/lebensweise und wie wenig sich der Uhrmacher letztendlich in seiner neuen Heimat anerkannt/wertgeschätzt gefühlt hat.

    Trotz seines Bemühens um Anerkennung seiner Person..auf der anderen Seite Nathaniel Steepleton, ein junger Mann festgefahren in seinem Leben...der durch die Uhr endlich einen Schups ins lebendige Leben um ihn herum bekommt und im Laufe der Zeit endlich auch voll im Leben steht ....

    Mir haben die Handlungsstränge so gefallen und es gab einige Stellen, die mich sehr berührt haben...

    Schöner Hinglucker auch das Cover

    LG...Karin..

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  2. Hi Petra!

    Ja, das Buch ist anders und speziell, das haben wahrscheinlich viele nicht so erwartet und manchmal kann man sich da wohl nicht so gut einfinden ... Ich fand es jedenfalls auch total klasse und hoffe, dass hier bald eine Fortsetzung kommt!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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