Sie wissen, dass ihre Ahnen vor über
tausend Jahren ihren Planeten besiedelt haben und sie wissen, dass diese Ahnen
ihnen Flügel gegeben haben, da auf dem Boden eine Gefahr droht, die sie nicht
bekämpfen können. Ihre Wohnungen sind Nester in den riesigen Bäumen, sie kennen
kein anderes Leben. Die Ahnen haben ihnen wertvolle Bücher hinterlassen,
Anweisungen und Vorschläge, die ein friedliches Leben in der Gemeinschaft
ermöglichen. Das Leben ist ein langsamer, ruhiger Fluss, niemand stellt es in
Frage. Bis eines Tages der junge Owen wissen möchte, warum man die Sterne nicht
sehen kann. Als ihm niemand eine befriedigende Antwort geben kann, nimmt sich Owen
vor, so hoch zu fliegen, wie noch niemals ein Mensch zuvor, den Himmel zu
durchstoßen und die Sterne zu sehen.
Als er am Todestag des Nestältesten Hekwen
darüber berichtet, dass er es geschafft und die Sterne gesehen hat, ruft das
die »Bruderschaft« auf den Plan, eine Geheimgesellschaft, die dafür sorgen
soll, dass alles so bleibt wie es ist. Durch Intrigen schaffen sie es, dass Owen
wie ein Lügner dasteht, weil er keine Beweise für seinen angeblichen Flug zu
den Sternen hat. Als er es erneut versucht, um allen Menschen zu beweisen, dass
es möglich ist, stürzt er ab und stirbt. An seinem Grab schwört sein Sohn Oris,
den Namen seines Vaters rein zu waschen und die Bruderschaft zu enttarnen. Er
ahnt nicht, was für eine Katastrophe er damit auslöst, ein Prozess, den sein
Vater in Gang gesetzt hat und der die Grundfesten ihrer Welt erschüttern wird.
Kommentar:
Wie soll man eine kurze Rezension zu
einem Buch schreiben, das über 1200 Seiten umfasst, ohne zu viel zu verraten
aber die zukünftigen Leser neugierig auf das Buch zu machen. Andreas Eschbach
hat hier eine paradiesische Welt erschaffen, wie es kaum vorstellbar ist. Die Ahnen fanden und besiedelten diese Welt,
weil sie in ihrer eigenen nicht mehr leben konnten und wollten. Sei es aus
politischen, wirtschaftlichen oder menschlichen Erwägungen heraus. Das Leben
entwickelte sich in eine Richtung, die sich nicht gehen wollten. Wo nur noch Macht
und Reichtum zählte und das Leben eines einzelnen nichts wert war. Sie wollten
es besser machen und in den »Büchern der Ahnen« hielten sie ihre Erfahrungen
fest und gaben ihr Wissen an ihre Nachkommen weiter. Es gab Bücher über
Landwirtschaft, Medizin, Handel, für das Bearbeiten bestimmter Materialien wie
Holz oder Erz, für die Herstellung von Kleidung und vieles mehr. Auf diese
Bücher baut sich das Leben der verschiedenen Nester auf und alles lebt in
Einklang miteinander.
Die Ahnen stellten gewisse Regeln auf,
damit die Zahl der Bewohner nicht explodierte. Eine Heirat- hier genannt
»Versprechen« durfte nicht innerhalb eines Nestes erfolgen, der Mann wechselte
stets in das Nest der Frau und die Anzahl der Kinder wurde begrenzt. Auch hier
war es ein gentechnischer Eingriff, der es den Frauen ermöglichte, zu verhüten.
Durch ihre Flügel waren sie imstande, auf dem ganzen Kontinent zu reisen, doch
sie flogen nie darüber hinaus. Und alles war erlaubt außer die Entwicklung von
Maschinen. Was man nicht aus eigener Kraft erreichen konnte, sollte man bleiben
lassen. Immer wieder gab es Menschen mit Erfindungsgeist, die die Arbeit
innerhalb des Nestes erleichtern wollten doch stets schaffte es die
Bruderschaft, diese aufkommende Entwicklung im Keim zu ersticken.
Oris setzt alles daran, den Ruf seines
Vaters wieder herzustellen. Dabei stehen ihm die «aufmerksamen Flieger« zu
Seite, eine Gruppe von waghalsigen, jungen Menschen, die das Ganze zunächst als
Abenteuer betrachten, bis daraus tödlicher ernst wird. Von der jungen Kalsul
aus dem Nest der Sul erfahren sie das erste Mal von der Bruderschaft und den
Intrigen gegen Owen. Zunächst werden sie bei ihrer Suche in die Irre geleitet
aber dann ersinnt Owen einen Plan, um die Bruderschaft aus ihrem Versteck zu
locken.
Die Welt die der Autor hier beschreibt,
ist kaum vorstellbar. Es gibt so gut wie keine Verbrechen, wird ein
Nestbewohner straffällig, wird er aus dem Nest verbannt, was jedoch sehr selten
vorkommt. Außer in den Eisenlanden gibt es kein Geld, der Handel funktioniert
durch Tausch. Alle tragen ihren Teil zur Gemeinschaft bei, helfen bei der
Ernte, dem Fischfang, der Jagd oder in der Küche. Jeder ist ein Teil eines
großen Ganzen und fügt sich ein. Der Rat der Ältesten befindet über Streitigkeiten,
alles wird stets friedlich geregelt.
Es handelt sich um eine langsame, sehr
ruhige Geschichte, die mich aber trotzdem sofort gefangen hat. Ich habe ein
paar der negativen Rezensionen gelesen und kann durchaus verstehen, was diese
Leser an dem Buch gestört hat, es ist aber gerade das, was mir so gefallen hat.
Bei den Namen hatte ich keine Probleme, hat man das System der Stämme und die
Namensgebung begriffen, konnte man als Leser schnell zuordnen, zu welchem Stamm
ein Charakter gehört. Es gibt eine Vielzahl an Charakteren aber alles dreht
sich letztendlich um Owen und seine Freunde. Der Autor wechselt mehrmals die
Perspektive. Als unter anderem Meoris und Garis die Gruppe verlassen müssen,
werden sie nicht aus der Handlung genommen, sondern Meoris bekommt ein eigenes
Kapitel, in dem ihr weiterer Weg geschildert wird. Letztendlich führen alle
Wege zusammen und es ist unglaublich, wie der Autor das auf diesen 1200 Seiten
schafft. Trotzdem wäre es schön gewesen, am Ende einen Stammbaum zu sehen,
welcher Stamm von welchen Ahnen abstammt und eine Übersicht der Bücher der
Ahnen. Sicher geht das alles nach und nach aus der Geschichte hervor aber ich
mag Glossare. Auf der Karte kann man die Reise der jungen Leute aber gut
verfolgen und es wird durch sie auch ersichtlich, warum die Stämme teilweise so
unterschiedlich sind.
Für mich Andreas Eschbach ein Meister der
deutschen Sprache und viele Sätze haben mich wirklich berührt.
Seite 1174: »Mit den Versprechen, die
wir halten, halten wir die Welt zusammen.«
Seite1074: ..wenn man alles für selbstverständlich
nimmt, bringt man das schöne im Leben zum Verschwinden.«
Ich könnte seitenweise solche Sätze
zitieren, die einfach wunderbar
ausdrücken, was die Charaktere fühlen und wie sie miteinander agieren. Obwohl
auch ich an einigen Stellen durchaus dachte, dass man etwas hätte kürzen
können, ist dieses Buch für mich ein erstaunliches und wunderbares Leseerlebnis
gewesen. Die Vorstellung, dass wir Menschen Flügel bekommen und mit den Vögeln
um die Wette fliegen können, wer träumt nicht davon? Auch wenn es hier aus
Notwendigkeit geschieht und durch einen gentechnischen Eingriff, ist es doch
eine wunderbare Vorstellung.
Die ganze Welt zu beschreiben und auf
die einzelnen Charaktere einzugehen ist unmöglich. Zusammenfassend kann man
sagen, dass Owen etwas anstößt was Auswirkungen auf die gesamte Zukunft der
Menschen hat. Wie alles ineinandergreift und ein großes Ganzes ergibt, ist
faszinierend. Nichts ist unlogisch, alles baut aufeinander auf, ein Ereignis
führt zum nächsten. Oft wechselt der Autor in den spannendsten Momenten die
Perspektive, lässt einen anderen Charakter zu Wort kommen aber am Ende findet
sich alles logisch zusammen. Mir hat es besonders gefallen, dass auch die als
negativ empfundenen Charaktere zu Wort kommen und ihr Handeln dadurch verständlicher
wird.
Nur in einem Punkt stimme ich den Kritikern
zu. Auch ich hätte gerne mehr über das Wesen des »Margor« erfahren, ein nicht
näher beschriebenes Etwas, das jeden lautlos verschlingt, der den Boden betritt
und warum es Flächen gibt, wo diesen Wesen nicht zuschlägt. Das bleibt alles im
Unklaren und irritiert etwas.
Fazit:
Ein unglaublich faszinierendes Buch,
eine Geschichte, die mich tief berührt und in ihren Bann gezogen hat. Ich hatte
mir das Buch extra für einen Urlaub aufgehoben, denn mir war klar, dass man es
besser an einem Stück, ohne längere Pausen liest. Wer Eschbach liebt wird auch
dieses Buch lieben und kommt auf über 1200 Seiten voll auf seine Kosten. Einen
Lob an Lübbe, wo man sich nicht gescheut hat, die Geschichte in einem Buch zu
veröffentlichen, statt sie zu teilen, wie das ja oft üblich ist.
Wer lieber hopplahopp Geschichten mag,
der sollte die Finger davon lassen.
Ist es Science Fiction, ist es Fantasy,
ist es eine Utopie? Findet es selbst heraus.
Titel: Eines Menschen Flügel
Autor: Andreas Eschbach
Verlag: Bastei Lübbe, Hardcover, 1257
Seiten
ISBN: 9783785727027
Hi Petra!
AntwortenLöschenFreut mich wirklich sehr dass es dich auch so begeistern konnte. Ich liebe diese Geschichte!!!!
Der "Margor" oder was auch immer der Boden ist, bleibt eben ein Mysterium. Nicht alles muss man wissen, sonst verschwindet die "Magie" aus der Welt ;) Ich denke, deshalb hat er das offengelassen. Nicht alles kann man wissenschaftlich erklären...
Liebste Grüße, Aleshanee
ich fand es sogar besser als NSA weil mir bei NSA der Abschluss nicht gefallen hat
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