Lift
rettete einst dem jungen Gwax das Leben, mittlerweile ist Gwax Herrscher über
das Reich Azir. Natürlich ist es dem neu
ernannten Kaiser wichtig, seine Lebensretterin an den kaiserlichen Hof zu
holen. Sie soll alle Privilegien
erhalten, die dem Adel vorbehalten sind. Bildung, Reichtum, Macht, sowie seine
Freundschaft. Doch Lift wünscht sich nur eines: Freiheit.
Sie
liebt es, sich den Wind durch die Haare wehen zu lassen,
dem rascheln der Bäume zu lauschen oder das Gras unter ihren Fußsohlen zu
spüren. Klammheimlich verlässt
zusammen mit ihrem Sprengsel Wyndel die Stadt Taschikk. Sie hat niemandem in Azir erzählt, dass sie über
eine besondere Gabe verfügt und es weiß auch kein Mensch etwas von Wyndel. Ihr Weg führt das kleine Mädchen unbewusst
in die Wüstenstadt Yeddaw. Angeblich, um dort alle zehn Sorten an Pfannkuchen zu probieren,
für die diese Stadt berühmt ist, wie sie Wyndel versichert. Als sie aber bei einem Streifzug durch die
Stadt auf den Assassinen Finsternis
treffen, den Attentäter, der versucht hat,
Gwax und sie zu töten, ahnt Wyndel, dass das Mädchen einen weitaus
ernsthafteren Grunde hat, sich
in der Stadt aufzuhalten. Wie der Mörder, so sucht auch sie nach Gleichgesinnten,
die über eine besondere Gabe
verfügen. Sie möchte verstehen lernen, um was es sich dabei handelt und was diese Fähigkeiten bewirken können.
Kommentar:
Wenn
man die Geschichte verstehen will, muss man sich bewusst machen, dass Lift
glaubt, wesentlich älter zu sein als
ihre zehn Jahre. Und obwohl sie eine rotzfreche Göre ist, die keinerlei Respekt vor Autoritäten hat und ihre
Freiheit auslebt, verfügt sie auch über Eigenschaften, sie man bei manch älterem Menschen sucht. Mitleid,
Hilfsbereitschaft und den Mut, Wagnisse einzugehen. Aber alles auf eine Art, dass man als Leser laut
heraus lachen muss. Ihre
Respektlosigkeit zeigt sich unter anderem in folgendem Dialog auf Seite 27:
„Die
Nudeln haben das allesamt als dämlich bezeichnet.“
„Die
Nudeln?“
„Die
Leute, die mit Gwax herumhängen, die ganze Zeit mit ihm quatschen und ihm
sagen, was er zu tun hat.“
„Die
Wesire von Azir? Die Hauptbeamten des Reiches und Berater des Prim!“
„Ja,
lange Arme und teigige Gesichter. Nudeln halt.“
Diese
Schlagfertigkeit des kleinen Mädchens und ihr Humor ziehen sich durch die 222
Seiten und machen das Buch zu einem
absoluten Lesevergnügen.
Obwohl das Buch als Einzelband beschrieben wird, finde ich nicht unbedingt,
dass man es ohne Kenntnis der
Sturmlichtchroniken lesen kann. Es fehlen Informationen zu den Sprengeln, dem
Volk der Parscher, zu den
Ereignissen in Roschar, zu den Bringern der Leere und zu den Wogenbinder. Alles
Begriffe, die in den Sturmlichtchroniken von wesentlicher Bedeutung sind.
Sicher muss man das nicht unbedingt
alles kennen, um die Ereignisse in diesem Band zu verstehen aber es ist wichtig
für den Gesamtüberblick. Gerade die Rückkehr der Wogenbinder ist ein
gravierendes Ereignis, das zu wichtigen
Umwälzungen auf Roschar führt.
Die
Tänzerin im Abgrund erzählt die Geschichte einer Person, die diese Fähigkeiten
an sich bemerkt und was dies mit ihr
macht. Immerhin hat Lift schon erkannt, dass sie nicht lange an einem Ort
bleiben kann, da man sonst ihre Fähigkeiten entdeckt und beginnt, sie zu
vereinnahmen. Ihre Freiheit
ist ihr wichtiger, trotzdem erkennt sie durchaus, dass mit der Gabe auch eine
Verantwortung auf sie zukommt.
Der Sprengsel Wyndel hat sich mit ihr verbunden und versucht, ihr etwas
Vernunft einzubläuen aber
vergebens. Lift geht ihren eigenen Weg, mag dieser auch ins Unbekannte oder in
Gefahren führen. Ihr innerer
Drang ist stärker als jedes vernünftige Wort.
Was
mir an Brandon Sanderson so gut gefällt, ist, dass er seine Ausdrucksweise und
seinen Schreibstil jedem seiner Charaktere anpasst. Hier redet und erzählt Lift
persönlich. Charmant, rotzfrech, unbeschwert, respektlos, manchmal ein bisschen
traurig und immer sehr, sehr witzig, so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.
Hier eine weitere Textstelle von Seite 62:
„Kurze
Zeit später wurde die Tür des Waisenhauses geöffnet, und eine runzelige
vertrocknete Frau erschien, die einem Unkraut sehr ähnlich sah. Sie wirkte wie
das Kind aus der Verbindung eines Reisigbesens mit einem zu allem
entschlossenen Moosklumpen. Die Haut sackte von den Knochen, als hätte sie die
Fäule, und ihre spindeldürren Finger schienen
Zweige zu sein, die angeklebt worden waren, nachdem die richtigen Finger
abgefallen waren."
Diese
Art Metaphern durchziehen das ganze Buch und es ist durchaus glaubhaft, dass
sie den Gedanken eines zehnjährigen Mädchens entsprungen sind. Michael Siefener
hat es geschafft, diese Liebenswürdigkeit in unserer Sprache zu erhalten.
Das
Buch, obwohl als Taschenbuch erschienen, ist sehr schön gestaltet. Sowohl im
vorne, als auch hinten im Cover, befinden
sich bunte Karten der Welt. Eine Illustration, die Lift zusammen mit Wyndel zeigt, komplettiert diese
wunderschöne Geschichte.
Lift
ist ein liebenswertes und beeindruckendes Mädchen, das die Bürde ihrer neuen
Gabe auf sich nimmt aber auch ihren Spaß daraus zieht. Es ist schön, dass
Brandon Sanderson ihr eine eigene
Geschichte gegönnt hat.
Für
mich ein positiver Lesebeginn 2020. Danke für das Rezensionsexemplar, ich gebe
aber immer meine eigene subjektive Meinung wieder.
Titel: Die Tänzerin am Abgrund
Reihe:
Die Sturmlichtchroniken – ein Extraband
Autor:
Brandon Sanderson
Übersetzer:
Michael Siefener
Verlag:
Heyne, TB, 222 Seiten
ISBN:
9783453314697
es hat mal wieder die komplette Formatierung verhauen. Willkommen in 2020
AntwortenLöschenHallo und ein frohes Neues!
AntwortenLöschenDas Bild von Brandon Sanderson ist ja mal knuffig! Ich würde ihn gerne auch mal treffen. Er scheint so sympathisch zu sein.
Bisher habe ich dieses Buch noch nicht gelesen. Schlagfertigkeit bei meinen Protagonist*innen lobe ich mir ;) Daher merke ich es mir mal vor.
Herzliche Grüße von Carly von Daughter of Ink and Paper.
Das war auf einer Lesung in Stuttgart. Ein sehr symphatischer Mensch, völlig normal ohne irgendwelche Allüren. Und er hat sich sehr viel zeit zum signieren genommen
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