01 Januar 2020

Die Tänzerin am Abgrund von Brandon Sanderson (Sturmlicht-Chroniken Ergänzungsband)


https://www.randomhouse.de/Paperback/Die-Taenzerin-am-Abgrund/Brandon-Sanderson/Heyne/e497782.rhd
Lift rettete einst dem jungen Gwax das Leben, mittlerweile ist Gwax Herrscher über das Reich Azir. Natürlich ist es dem neu ernannten Kaiser wichtig, seine Lebensretterin an den kaiserlichen Hof zu holen. Sie soll alle Privilegien erhalten, die dem Adel vorbehalten sind. Bildung, Reichtum, Macht, sowie seine Freundschaft. Doch Lift wünscht sich nur eines: Freiheit.


Sie liebt es, sich den Wind durch die Haare wehen zu lassen, dem rascheln der Bäume zu lauschen oder das Gras unter ihren Fußsohlen zu spüren. Klammheimlich verlässt zusammen mit ihrem Sprengsel Wyndel die Stadt Taschikk. Sie hat niemandem in Azir erzählt, dass sie über eine besondere Gabe verfügt und es weiß auch kein Mensch etwas von Wyndel. Ihr Weg führt das kleine Mädchen unbewusst in die Wüstenstadt Yeddaw. Angeblich, um dort alle zehn Sorten an Pfannkuchen zu probieren, für die diese Stadt berühmt ist, wie sie Wyndel versichert. Als sie aber bei einem Streifzug durch die Stadt auf  den Assassinen Finsternis treffen, den Attentäter, der versucht hat, Gwax und sie zu töten, ahnt Wyndel, dass das Mädchen einen weitaus ernsthafteren Grunde hat, sich in der Stadt aufzuhalten. Wie der Mörder, so sucht auch sie nach Gleichgesinnten, die über eine besondere Gabe verfügen. Sie möchte verstehen lernen, um was es sich dabei handelt und was diese Fähigkeiten bewirken können.

Kommentar:

Wenn man die Geschichte verstehen will, muss man sich bewusst machen, dass Lift glaubt, wesentlich älter zu sein als ihre zehn Jahre. Und obwohl sie eine rotzfreche Göre ist, die keinerlei Respekt vor Autoritäten hat und ihre Freiheit auslebt, verfügt sie auch über Eigenschaften, sie man bei manch älterem Menschen sucht. Mitleid, Hilfsbereitschaft und den Mut, Wagnisse einzugehen. Aber alles auf eine Art, dass man als Leser laut heraus lachen muss. Ihre Respektlosigkeit zeigt sich unter anderem in folgendem Dialog auf Seite 27:


„Die Nudeln haben das allesamt als dämlich bezeichnet.“

„Die Nudeln?“

„Die Leute, die mit Gwax herumhängen, die ganze Zeit mit ihm quatschen und ihm sagen, was er zu tun hat.“
„Die Wesire von Azir? Die Hauptbeamten des Reiches und Berater des Prim!“
„Ja, lange Arme und teigige Gesichter. Nudeln halt.“
Diese Schlagfertigkeit des kleinen Mädchens und ihr Humor ziehen sich durch die 222 Seiten und machen das Buch zu einem absoluten Lesevergnügen. Obwohl das Buch als Einzelband beschrieben wird, finde ich nicht unbedingt, dass man es ohne Kenntnis der Sturmlichtchroniken lesen kann. Es fehlen Informationen zu den Sprengeln, dem Volk der Parscher, zu den Ereignissen in Roschar, zu den Bringern der Leere und zu den Wogenbinder. Alles Begriffe, die in den Sturmlichtchroniken von wesentlicher Bedeutung sind. Sicher muss man das nicht unbedingt alles kennen, um die Ereignisse in diesem Band zu verstehen aber es ist wichtig für den Gesamtüberblick. Gerade die Rückkehr der Wogenbinder ist ein gravierendes Ereignis, das zu wichtigen  Umwälzungen auf Roschar führt.


Die Tänzerin im Abgrund erzählt die Geschichte einer Person, die diese Fähigkeiten an sich bemerkt und was dies mit ihr macht. Immerhin hat Lift schon erkannt, dass sie nicht lange an einem Ort bleiben kann, da man sonst ihre Fähigkeiten entdeckt und beginnt, sie zu vereinnahmen. Ihre Freiheit ist ihr wichtiger, trotzdem erkennt sie durchaus, dass mit der Gabe auch eine Verantwortung auf sie zukommt. Der Sprengsel Wyndel hat sich mit ihr verbunden und versucht, ihr etwas Vernunft einzubläuen aber vergebens. Lift geht ihren eigenen Weg, mag dieser auch ins Unbekannte oder in Gefahren führen. Ihr innerer Drang ist stärker als jedes vernünftige Wort.


Was mir an Brandon Sanderson so gut gefällt, ist, dass er seine Ausdrucksweise und seinen Schreibstil jedem seiner Charaktere anpasst. Hier redet und erzählt Lift persönlich. Charmant, rotzfrech, unbeschwert, respektlos, manchmal ein bisschen traurig und immer sehr, sehr witzig, so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Hier eine weitere Textstelle von Seite 62:

„Kurze Zeit später wurde die Tür des Waisenhauses geöffnet, und eine runzelige vertrocknete Frau erschien, die einem Unkraut sehr ähnlich sah. Sie wirkte wie das Kind aus der Verbindung eines Reisigbesens mit einem zu allem entschlossenen Moosklumpen. Die Haut sackte von den Knochen, als hätte sie die Fäule, und ihre spindeldürren Finger schienen  Zweige zu sein, die angeklebt worden waren, nachdem die richtigen Finger abgefallen waren."
Diese Art Metaphern durchziehen das ganze Buch und es ist durchaus glaubhaft, dass sie den Gedanken eines zehnjährigen Mädchens entsprungen sind. Michael Siefener hat es geschafft, diese Liebenswürdigkeit in unserer Sprache zu erhalten.
Das Buch, obwohl als Taschenbuch erschienen, ist sehr schön gestaltet. Sowohl im vorne, als auch hinten im Cover, befinden sich bunte Karten der Welt. Eine Illustration, die Lift zusammen mit Wyndel zeigt, komplettiert diese wunderschöne Geschichte.
Lift ist ein liebenswertes und beeindruckendes Mädchen, das die Bürde ihrer neuen Gabe auf sich nimmt aber auch ihren Spaß daraus zieht. Es ist schön, dass Brandon Sanderson ihr  eine eigene Geschichte gegönnt hat.
Für mich ein positiver Lesebeginn 2020. Danke für das Rezensionsexemplar, ich gebe aber immer meine eigene subjektive Meinung wieder.



Titel: Die Tänzerin am Abgrund

Reihe: Die Sturmlichtchroniken – ein Extraband

Autor: Brandon Sanderson

Übersetzer: Michael Siefener

Verlag: Heyne, TB, 222 Seiten

ISBN: 9783453314697

3 Kommentare:

  1. es hat mal wieder die komplette Formatierung verhauen. Willkommen in 2020

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  2. Hallo und ein frohes Neues!
    Das Bild von Brandon Sanderson ist ja mal knuffig! Ich würde ihn gerne auch mal treffen. Er scheint so sympathisch zu sein.

    Bisher habe ich dieses Buch noch nicht gelesen. Schlagfertigkeit bei meinen Protagonist*innen lobe ich mir ;) Daher merke ich es mir mal vor.

    Herzliche Grüße von Carly von Daughter of Ink and Paper.

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  3. Das war auf einer Lesung in Stuttgart. Ein sehr symphatischer Mensch, völlig normal ohne irgendwelche Allüren. Und er hat sich sehr viel zeit zum signieren genommen

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