Nur widerwillig begleitet die 14jährige Judith
Gundlach ihren Vater auf eine Geschäftsreise nach China und Dubai. Das junge
Mädchen wurde vorzeitig von der Schule genommen, da sie durch ihre rabiate und
unflätige Art dort nicht mehr geduldet wurde. Der Verlust ihrer Mutter vor über
einem Jahr hat Judith schwer getroffen und auch Besuche bei einer Psychologin
können nicht bewirken, dass das Mädchen ihre Aggressionen gegenüber der Welt
abbaut.
Mit der Reise nach China möchte Dirk Gundlach das
zerrüttete Verhältnis zu seiner Tochter kitten und sie auf andere Gedanken
bringen. Da er in China jedoch wichtige geschäftliche Termine wahrzunehmen hat,
bleibt nicht viel Zeit für Judith. So bekommt sie eine chinesische Frau
zugewiesen, die mit ihr ein Touristenprogramm absolvieren soll. Obwohl sich Mai
Lin Song, die perfekt deutsch spricht, sich sehr viel Mühe gibt das bockige
Mädchen zu unterhalten und ihr die chinesische Kultur näher zu bringen, stoßen
ihre Bemühungen auf absolutes Desinteresse.
Erst als die beiden jungen Frauen einen Ausflug in die
historische Stadt Suzhou unternehmen ändert sich die Situation schlagartig. Im
Schaufenster eines Antiquitätengeschäfts entdeckt Judith, die nur Dschu genannt
werden möchte, ein kleines Amulett aus Jade in Form eines Drachen. Und dieser
Drache scheint sie direkt anzuschauen. Wie unter einem Bann betritt sie das
Geschäft, um das Schmuckstück zu erwerben.
Von diesem Moment an ändert sich das Leben der beiden
sehr unterschiedlichen Frauen auf überraschende Art und Weise und ist von nun
an miteinander verknüpft.
Kommentar:
Eine zickige, pubertierende, unausstehliche, pummelige
und verwöhnte deutsche Tochter und eine wohlerzogene, höfliche junge Asiatin.
Größer könnte der Kontrast zwischen Mai Lin und Dschu nicht sein.
Die grün gefärbten Haare und der Schlabberlook machen Judith nicht unbedingt
attraktiver und ihre ganze Haltung strahlt unterschwellige Aggressivität aus.
Höflichkeit gilt bei den Chinesen als Tugend, ebenso Respekt vor älteren
Personen. Mai Lin fällt es schwer, angesichts der Frechheiten des jungen
Mädchens ihre Fassung zu bewahren. Auch der Chauffeur, der die beiden begleitet
bewundert die junge Chinesin für ihre Geduld.
Als Dschu das Amulett im Schaufenster des Ladens
entdeckt, hat sie eine Art Vision. Sie sieht, wie der Drache sich aufrichtet
und sie direkt anschaut. Sekunden später ist der Spuk wieder vorbei und der
Drache ist lediglich wieder ein Schmuckstück. Das junge Mädchen fühlt eine
seltsame Faszination und als sie das Amulett in den Händen hält, weiß
sie, dass es tatsächlich einen Drachen beherbergt. Dieser verbindet sich mit
ihrem Innersten und schlagartig geht eine Wandlung mit Dschu vor, ihr ganzes
Wesen ändert sich und sie erkennt, wie unfair sie gegenüber Mai Lin war.
Warum der Drache ausgerechnet eine Ausländerin zur Amuletträgerin
erkoren hat und dazu ausgerechnet eine
14jährige Göre, lest bitte selbst.
Die Geschichte beginnt in einem langsamen, ruhigen
Tempo. Wir lernen Judith und ihren Vater kennen. Er ist unsicher, wie er mit
seiner Tochter umgehen soll oder wie er ihr helfen kann, den Verlust der Mutter
besser zu verarbeiten. Er hofft, dass der Tapetenwechsel ihr hilft und sie
wieder zueinander finden. Judith zieht sich in sich selbst zurück und hat
gegenüber der Welt eine reine Abwehrhaltung. Vor allem junge Leser werden ihre
Haltung sicherlich verstehen, die Welt hat ihr Schmerz zugefügt, den sie nicht
verarbeiten kann. Zhulong öffnet im wahrsten Sinne des Wortes ihr Innerstes für
die Wunder der Welt und des Lebens. Mir persönlich ging diese Veränderung zu
schnell. Man muss bedenken, dass sich alles innerhalb von Tagen abspielt. Erst
als ich folgende Satz gelesen habe (Zitat Seite 246) : "Es gab unendlich
viele Fragen und Dschu grübelte, ob sie das alles jemals verstehen würde. Dann
sagte sie sich, dass das Verstehen vielleicht auch gar nicht so wichtig war.
Sie musste einfach akzeptieren was geschah und sich damit arrangieren."
Also hinterfragte auch ich die zeitliche Abfolge nicht
mehr und akzeptierte diese außergewöhnliche und phantastische Geschichte, wie
sie ist. Da ich selber schon in Shanghai und Dubai war, konnte ich die
Faszination dieser zwei Städte nachvollziehen. Beide haben etwas phantastisches
und überwältigendes und sie als Kulisse für diese schöne Geschichte zu nehmen,
machte diese umso glaubhafter. Beide Städte verbinden Altes und Modernes auf
einzigartige Art und Weise, wie es auch die Verbindung von Zhulong und Dschu
ist. In Dubai ist es vielleicht das Alte sondern eher die Weite und Einsamkeit
der Wüste, diese so unglaublich anders anmutende Welt, die uns bewusst macht,
wie klein wir eigentlich sind.
Ich habe bei Amazon einen Satz gelesen: "Als ich
das Cover sah, musste ich das Buch haben." Auch mir ging es so, als
Drachen Fan kommt man an diesem Cover nicht vorbei. Die Farben sind wunderbar
warm und harmonieren sehr schön. Sie sind dezent aber nichtsdestotrotz
beeindruckend. Die Symbiose von Mensch und Drache, dazu die Hände, gefüllt mit
Wüstensand, nichts könnte einen besseren oder treffenderen Eindruck vermitteln.
Auch innen ist das Buch schön gestaltet, die Überschriften sind in einer
asiatisch wirkenden Schrift gehalten, passend zu der Erzählung.
Es sind die kleinen Verlage, die immer wieder mutig
abseits des Mainstream solche kleinen Perlen entdecken und dem Leser
präsentieren. Danke dafür. Und Danke, dass ich das Buch lesen durfte. Auch wenn
es ein Rezensionsexemplar ist, schreibe ich stets meine subjektive, ehrliche
Meinung dazu und betriebe keine Werbung.
Eine schöne Geschichte in kleidsamen Gewand geeignet
für jung und alt. Mit 333 Seiten ist das Buch nicht zu dick und stellt die
Geduld der Leser nicht auf die Probe. Der Autor erzählt seine Geschichte
direkt, ohne langatmige Abschweifungen, in einem schönen, flüssigen Stil.
Titel: Zhulong, ein Drache erwacht
Autor: Dieter R. Fuchs
Verlag: Schwarzer Drachen Verlag, TB, 333 Seiten
ISBN:9783964080189
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