Bevor
ich überhaupt mit der Rezension zu Herbstlande beginne, möchte ich auf die wunderbaren
Illustrationen und den *HIER* schreienden Einband des Buches eingehen. Man kann
als Leser dieses Genre unmöglich an so einem Cover vorbei gehen, ohne das Buch
in die Hand zu nehmen. Ein optischer Leckerbissen. Hat man das Buch erst einmal
angefasst und darin geblättert, ist es um einen geschehen. Warme, herbstliche
Töne zieren das Innencover, gefolgt von einer Karte der Herbstlande und einem
Gedicht von Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser, das den ersten Eindruck
vermittelt, was den Leser erwartet.
Nun
sitzt mal also gemütlich, mit der Katze (Katze???) auf dem Schoß auf der Couch,
blättert behutsam die ersten Seiten um und betritt die Herbstlande.
Scarlett
Hayden hat in Nathan die Liebe ihres Lebens gefunden. Zur Krönung ihres Glücks fehlt ihnen nur noch
ein Baby, doch dieser Wunsch wird ihnen versagt. Um Nathan nicht zu verlieren
und endlich ein Kind zu bekommen, greift die junge Frau in ihrer Naivität zu
Zauberei. Sie verbrennt einen Wunschzettel in einer Kürbisflamme. Dabei
missachtet sie aber die wichtigste Regel dieser Zauberei, denn so einen Wunsch
darf man lediglich in der Halloween-
Nacht in einer Kürbisflamme verbrennen. Eine Regel der legendären
Kürbiskönigin. Bricht man diese Regel, fordert es einen Preis und dieser Preis
ist Nathan.
Um
ihren Geliebten zu retten, muss Scarlett nun in die Herbstlande reisen und die
Königin um Vergebung bitten, in der Hoffnung, dass diese Nathan wieder freigibt.
Die
eigentliche Geschichte beginnt mit dem Eintritt in die Herbstlande. Wer die
alten Märchen der Gebrüder Grimm oder von Hans Christian Andersen liebt, wird
von diesem Buch verzaubert sein. Scarlet begegnet auf ihrer Reise durch die Herbstlande
einigen erstaunlichen Gestalten. Ein Laubdrache, der sich aus einzelnen Blätter
zusammensetzt und jedes dieser Blätter weiß eine eigene Geschichte zu erzählen.
Daher verfügt der Laubdrache über umfassende Kenntnisse der Herbstlande, obwohl
er bisher niemals seine Senke verlassen hat. Er wird der erste Freund und
Gefährte der jungen Frau, die ängstlich aber auch entschlossen eine fremdartige
und erstaunliche Welt betritt.
Beim
Lesen des ersten Kapitels ist mir das Lied Sommerregen von Jordis in den Sinn
gekommen. Der September zeigt noch eine Ahnung des Sommers, der Regen ist lau
und Scarlett unbeschwert. Doch wie die Monate düsterer werden, so verliert sich
auch die Unbeschwertheit der jungen Frau, die sich einsam und verlassen fühlt,
immer unter Zwang, den Geliebten zu retten und ihren Fehler wieder gut zu
machen.
Obwohl
sie verweilen möchte, um die erstaunlichen Orte und Wesen der Herbstlande zu bewundern und kennen zu lernen, wird sie von
ihrer Liebe und Sehnsucht weiter getrieben.
Manche
Szenen haben mich tief berührt. Die Vergangenheit, reflektiert in Pfützen eines
Sommerregens, die Begegnung mit dem kleinen Mädchen im Wald, ihre Freundschaft
mit Veridis, lichte Momente in einer zunehmend dunkleren Welt.
Ein
wunderbares Zitat: Niemand mag traurige Enden und doch ist es wichtig, dass es
sie gibt. Sie halten uns den Spiegel vor, wie wertvoll jede Sekunde ist. Das
Buch sprüht förmlich vor solch beeindruckenden, berührenden und nachdenklich
stimmenden Sätzen. Ausgesprochen oft von den wundersamsten Wesen, die man sich
vorstellen kann: Feuerfresserchen, Mitternachtsraben, Nebelelfen, Wurzelfüßchen,
Kürbisköpfchen, Wespen-Gnom Krieger, Regentropfengeister, Federfüchse.
Natürlich dürfen auch Hexen, Ghoule , Fleder-Schrecken oder Werwesen nicht
fehlen.
In
der heutigen, schnelllebigen Zeit, gehen Märchen und Poesie den Weg des
Vergessens. Alles ist schrill und plakativ und buhlt um die Gunst des Menschen.
Die kleinen und leisen Tönen werden oft überhört. Welch Glück für alle, die den
Ruf der Herbstlande gehört haben: Das
Säuseln des Windes, das Rascheln der Blätter, das Wispern der Bäume, das tappen
von Pfoten, das Fallen des Regens auf
waldigen Boden und viele andere Geräusche, welche die Phantasie anregen. Obwohl
der Leser das Gefühl hat, auf viel bekanntes zu stoßen, sind die Ideen der
Autoren innovativ und fesselnd. Es ist eine Kunst, etwas Neues vertraut und
heimelig wirken zu lassen, so dass der Leser sich sofort wohl fühlt und diese
neue Welt nicht mehr verlassen möchte. Mit dem Erwachsen werden verschwinden
die Träume, der Alltag frisst einen auf. Nicht so bei den Autoren. Sie können
ihre Träume in bildgewaltige Worte fassen und uns daran teilhaben lassen.
Mittlerweile
sind wir erwachsen geworden und wissen, dass zu Licht Dunkelheit, zu Gut Böse oder
zu Freude auch Angst gehören. Die Autoren
verschonen den Leser nicht sondern zeigen auch die Kehrseite der Herbstlande,
ohne dies wäre das Buch sicherlich nicht so beeindruckend.
Ich
möchte die Perfektion des ersten Kapitels nicht dadurch schmälern, dass ich sage, alle Kapitel wären gleich. Der
Oktober ist nahe an der Perfektion doch dort schmälern einige Kleinigkeiten den
vollkommenen Genuss: Der Gebrauch der Wortkombination "als wie" und
der Wechsel zwischen Dativ und Genitiv, statt den Genitiv durchgehend zu
verwenden (Bsp.: Trotz dem Wunsch, Nathan zu retten).
Doch
dies sind nur minimale Unreinheiten, die den Genuss keineswegs schmälern. Der
November schließt sich in seiner Perfektion wieder dem September an.
Die
Herbstlande, aufgeteilt in Monate, haben mich ein wenig an die wunderbare Stundenwelt
von Clive Barker erinnert, der mit Abarat ebenfalls so ein märchenhaftes und
beeindruckendes Werk geschaffen hat, wie die Autoren hier mit Herbstlande. Ich
denke, diese vier Autoren hier brauchen so einen Vergleich nicht zu scheuen.
Ich
könnte noch wesentlich mehr schreiben, allein zur Nutzung des Wortes
"muss" aber das würde zu viel über die Geschichte verraten und den
Rahmen einer Rezension sprengen.
Ich
kann nur noch sagen: Ich (und sicher alle anderen Leser) möchte wissen, was mit
Haven passiert ist. Wann folgt also Band
zwei?
10
Sterne sind fast zu wenig
Titel:
Herbstlande
Autoren
in alphabetischer Reihenfolge:
Stephanie
Kempin
Thomas
Lohwasser
(damit
sich niemand benachteiligt fühlt)
Illustrationen: Jana Damaris Rech
(unglaublich)
Cover: Timo Kümmel
(wie
immer fabelhaft)
Verlag: TorstenLow
(der
traut sich was)
ISBN:9783940036407
Ich hab grad richtig Pipi in den Augen.
AntwortenLöschenSo als Erstillustratorin gleich so in einer Rezi zu landen.. Ich danke dir. Ich danke dir von farbschillerndem Illustratorenherzen.
Für den Mut, der zwischen den Zeilen steckt und den ich mir hinter meine Ohren schreiben werde, für die Zeiten, in denen mein eigener Mut mich im Angesicht solcher Projekte vielleicht einmal verlässt.
Danke.
JDR
Oh und.. Das Cover ist auch von mir. Nicht von Timo.
AntwortenLöschenDer hat es nur druckfreundlich gemacht und belettert.
So schön wie das Buch, so schön liest sich deine Rezension :-)
AntwortenLöschenUnd ja: 10 Sterne würde es von mir auch geben
Liebe Grüße
Tanja