Musikalische Fluchten

02 September 2023

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte von T.J Klune - mein Tipp

Linus Baker ist der personifizierte, klassische Bürokrat. Seine Aufgabe ist es, Waisenhäuser zu kontrollieren, um zu sehen, ob die dort untergebrachten, magisch begabten Kinder gut behandelt werden. Er kann die „Vorgaben und Verordnungen“ seiner Behörde fast auswendig und er hält sich strikt an dieses Regelwerk. Emotionen oder eine persönliche Meinung verbietet er sich. Lässt er ein Waisenhaus schließen, kümmert er sich nicht um die Konsequenzen für die Bewohner, denn das betrifft seinen Aufgabenbereich nicht mehr.
Eines Tages wird er zum „Allerhöchsten Management“ gerufen. Seine Korrektheit, seine Objektivität und Neutralität machen ihn zu dem geeigneten Prüfer für ein abgelegenes Waisenhaus auf einer einsamen Insel. Linus Baker soll sich dort vier Wochen einquartieren und wöchentlich über die dortigen Abläufe Bericht erstatten, um dann zu entscheiden, ob das Haus geschlossen werden soll.
Linus muss seine Komfortzone verlassen und in die Welt hinaus. Er ist sehr unglücklich über die Entscheidung, ihn an das Ende der Welt zu schicken aber er ist sich sicher, seine Arbeit auch dort korrekt und unparteiisch verrichten zu können. Doch was ein 40jähriger, der seinen Wohnort nie verlassen hat, schon von der großen, weiten Welt?
 
Kommentar:
Was für ein zauberhaftes und berührendes Buch. Ich war zuerst etwas skeptisch, ob es ein Harry Potter Abklatsch wird. Aber weit gefehlt. Es erinnert ein bisschen an "die Insel der besonderen Kinder" aber auch nur, weil dieses Waisenhaus auf einer Insel steht.
Linus Baker ist ein einsamer Mann, der Zeit seines Lebens in einer grauen Welt lebt und seit siebzehn Jahren  den gleichen Job erledigt. Der abends nach Hause kommt, seine Schallplatten hört und niemandem im Leben hat außer seiner Katze. Und diese hat sich ihm aufgezwungen. Das bequeme und bekannte Nest zu verlassen ängstigt ihn, er verabscheut es, aus der Routine geholt zu werden.
Ab und zu denkt er, dass es doch noch etwas mehr im Leben geben muss als tristes Grau aber diese Gedanken schiebt er gleich wieder von sich. Nur auf seinem Mousepad ist ein Bild von einem blauen Ozean mit dem Spruch: „Wärst Du nicht gerne hier?“
Als er auf der Insel ankommt, eröffnet sich ihm eine völlig neue Welt. Natürlich hat er durch die Überprüfung anderer Waisenhäuser schon viele magisch begabte Kinder gesehen und er weiß, dass deren Talente sehr vielfältig sind. Aber die Kinder auf der Insel sind mehr als außergewöhnlich. Sie ängstigen den introvertierten Mann zuerst aber je mehr er sie kennenlernt, desto mehr lernt er sie schätzen.
Mr. Parnassus, der Leiter des Heims versucht, Linus davon zu überzeugen, dass die Kinder auf der Insel glücklich sind und sich um ihr geistiges und leibliches Wohl bestens gekümmert wird. Allerdings versteht nicht jeder das Gleiche unter den Begriffen und Linus ist oftmals sehr irritiert über die Verhaltensweise der Erwachsenen und Kinder. Seine Katze fühlt sich allerdings ab der ersten Minute mehr als wohl auf der Insel und heißt es nicht „Katzen haben einen sechsten Sinn für so etwas.“
Linus sieht das erste Mal in seinem Leben den Ozean, spürt die Sonne auf seiner Haut, erlebt Freundschaft, Vertrauen  und Liebe und seine Schale bricht langsam auf. Auf Seite 230 hatte ich das erste Mal Tränen in den Augen, als er Phee von seinen Sonnenblumen erzählt.
„Sie bringen etwas Farbe in die graue Welt aus Stahl und Regen“ In diesem Gespräch erkennt Linus vielleicht zum ersten Mal selbst, wie zutiefst unglücklich und einsam er eigentlich war und es bricht einem fast das Herz wie Phee reagiert. Eine wunderschöne Stelle in dem Buch, dass nur aus so schönen Gesprächen besteht.
Nicht nur Linus lernt, auf der Insel aus seinem Kokon herauszukommen, auch Arthur Parnassus muss erkennen, dass er die Kinder vor der Welt nicht verstecken kann. Sie werden irgendwann erwachsen sein und müssen sich dann den Herausforderungen, die an sie gestellt werden, gewachsen zeigen. 
Sowohl Linus als auch die Kinder und Arthur Parnassus müssen sich dem Leben stellen. Es geht um Vorurteile, Toleranz, Offenheit, Freundschaft, Vertrauen, Mut, Angst, Liebe. Ein Buch mit einer wunderbaren Geschichte, die uns viel lehrt. Dass vorgefasste Meinungen geändert werden können. Dass man die Augen für kleine Wundern offenhalten soll. Dass man mutig ausgetreten Pfade verlassen soll um etwas Neues zu wagen. Dass man sein Herz für Freundschaften öffnen soll…..wie Linus sagt: „Die Blase, in der man lebt, platzen lassen.“
Sprachlich ist an dem Buch absolut nichts auszusetzen. Der Autor hastet nicht durch die Geschichte, sondern lässt dem Leser Zeit, die Kinder kennenzulernen. Zu Beginn schildert er  Linus grauen Alltag um den Kontrast zur Insel zu verdeutlichen. Damit wir verstehen, warum Linus zu Beginn alles ängstigt und er sich gegen alles wehrt, was ihm zu Nahe kommt. Auch die Kinder bekommen genug Raum sich zu entfalten. Sie sind sehr unterschiedlich aber sie sind eine Familie und halten zusammen. Sie wissen, dass diese Insel und dieses Heim ihre letzte Chance sind, ein Zuhause zu finden. Einige haben schon eine wahre Odyssee hinter sich, bevor sie zu Arthur Parnassuss kamen, sind verstört und verängstigt und sehen in Linus zuerst eine Bedrohung.
Ich möchte auf die Eigenheiten der Kinder nicht näher eingehen aber ich bin sicher, jeder wird Lucy, Phee, Talia, Sal, Chauncey und Theodore genauso ins Herz schließen wie ich.
Das Cover ist sehr bunt gehalten. Allerdings in dezenten Pastelltönen, nicht aufdringlich, sondern sehr passend zu den außergewöhnlichen Charakteren.
 
Fazit:
Eine wundervolle und herzergreifende Geschichte über Außenseiter, die sich der Welt stellen müssen. Ich habe schon das nächste Buch des Autors bestellt. 
 
Titel: Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte
Autor: T.J. Klune
Verlag: Heyne, Softcover, 476 Seiten
ISBN: 9783453321366

3 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Freut mich dass du das Buch endlich gelesen hast und es dich auch so begeistern konnte! :)
    Das nächste ist dann Wallace Price, das du lesen wirst? Das ist ja schon ganz anders, aber ich fand es ebenfalls total klasse - ich bin gespannt, was du dazu sagen wirst!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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  2. Hallo Aleshanee, nein, ich habe mir das neue Buch mit Farbschnitt bestellt. Das klang einfach zu gut. Meine Nichte hat die anderen beiden Bücher von T.J. Klune und ich werde sie mir dann ausliehen. Mal sehen, ob das auch so schön ist. Und der neue Pulley kommt ja auch zur FBM heraus, also zwei Bücher, auf die ich mich sehr freuen kann. LG Petra

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