Musikalische Fluchten

15 Mai 2021

Mente Alienari von Monika Grasl -ein historischer Krimi

 

1683, die zweite Wiener Belagerung durch die Osmanen. Die Bewohner der kleinen Dörfer rund um Wien sind in Panik. Jeder, der es sich leisten kann, rafft sein Hab und Gut zusammen und flüchtet hinter die Mauern der großen Stadt. 
Inmitten dieses Chaos und der Bedrohung durch die Osmanen, geschieht in dem Örtchen Hernals ein grausamer Mord. Der junge Toni Steiner wird erstochen in einer Gasse aufgefunden. Toni war ein Draufgänger, Frauenheld und Falschspieler und dementsprechend sehr unbeliebt in dem kleinen Dorf. Hauptmann Florentinus Moser, der neu in sein Amt berufen wurde, um eine Verteidigung gegen einfallende Osmanenhorden zu koordinieren, lässt den Leichnam durch den Bader Alois Wolf obduzieren. Ein Frevel in der damaligen Zeit. Alois, der aus der Zunft der Bader ausgeschlossen wurde, weil er jungen Frauen bei der Abtreibung half, stellt fest, dass der Messerstich nicht die einzige Übeltat ist, die an Toni Steiner begangen wurde. 
Bald darauf wird eine zweite Leiche entdeckt und Florentinus Moser muss feststellen, dass der Mörder vor nichts zurückschreckt, um der Entdeckung zu entgehen. 
 
Kommentar: 
Die Kulisse alleine ist schon sehr spannend geschildert. Ein kleines Dorf, dessen Bewohner in ständiger Angst vor einem Überfall der Osmanen und dann ein schauriger Mord. Alles ist so spannend, wie es der erste Eindruck vermittelt. Das Buch hat 228 Seiten, Monika Grasl hat kein Wort verschwendet und erhöht die Spannung von Seite zu Seite bis zum Finale. 
Die Atmosphäre der damaligen Zeit fängt sie hervorragend ein. Kirchenmänner und hohe Würdenträger, die sich an Dienstmädchen vergehen und diese verstoßen, sollten sie schwanger werden. Abtreibungen sind verboten, den jungen Frauen bleibt nur die Flucht in die Prostitution, wollen sie überleben. Alois Wolf nimmt sich dieser Frauen an, doch als er einen Tages einen der Kirchenmänner öffentlich anprangert, wird ihm dies zum Verhängnis. Aus der Zunft ausgeschlossen, dem Alkohol verfallen, verlässt er Wien und lässt sich in Hernals nieder. Jeder weiß, dass der Mann nicht mehr als Bader arbeiten darf aber es stört sich niemand daran. Ärzte kann sich keiner leisten und auf die Verschwiegenheit von Alois ist Verlass. Zu Beginn hält auch der Leser den heruntergekommen Mann lediglich für einen Säufer und Nichtskönner aber von Seite zu Seite gewinnt er mehr an Respekt und es wird klar, dass hinter dieser Fassade ein Mann steckt, der in seinem Leben zu viel Elend gesehen hat. Elend, dass oft durch die Kirche verursacht wurde, die doch den Armen helfen soll. 
Florentinus Moser ist bei der Garde und bewacht die Stadtmauern Wiens. Doch als die Bedrohung durch die Osmanen immer näher rückt, wird er in sein Heimatdorf versetzt, um dort für Ordnung zu sorgen. Auch er kann der Kirche nicht viel abgewinnen, etwas, was ihn mit Alois Moser verbindet. Obwohl er vom Gemeinderat strikte Anweisung erhält, den Leichnam nicht zu öffnen, lässt er ihn obduzieren. Und das ist gut so, denn Alois stellt bei der Untersuchung des Leichnams einige Ungereimtheiten fest . Hauptmann Moser ist ein sehr ruhiger Mensch, der seinen Weg geht, ohne auf Politik und Kirche Rücksicht zu nehmen, Er ist integer und gibt nicht auf, egal, in welche Schwierigkeiten ihn seine Unbeugsamkeit bringt. 
Mich haben diese beiden Charaktere an »Edmund Reed« und »Captain Homer Jackson« aus der Serie »Ripper  Street« erinnert. Verbunden durch gemeinsame Ermittlung werden sie, trotz sehr unterschiedlicher Ansichten, langsam zu Freunden. 
Auch die Nebenfiguren sind gut charakterisiert. Der Gemeinderat David Brandl, der seine Nase in die Ermittlungen steckt, ebenso wie Pfarrer Lukas, die beide verhindern möchten, dass etwas "in Ihren Augen" unanständiges oder anstößiges passiert. Dass der Pfarrer ein Techtelmechtel mit einer jungen Frau aus dem Ort hat, wird geduldet, doch dass man eine Leiche untersucht, ist gegen Gottes Gebot. Diese Bigotterie ist auch heute noch in vielen Ortschaften zu finden und was in den Medien bezüglich der Kirche auch heute noch zu lesen ist, lässt einen an der Institution zweifeln. Heute haben wir die Freiheit dazu aber im 17. Jahrhundert werden beide Männer dafür stark verurteilt. 
Christl Steiner, die Mutter des ersten Opfers, hat kurz zuvor erst ihren Mann verloren. Sie führt das Wirtshaus des Ortes und kennt daher so ziemlich jeden Bewohner Hernals und dessen Sünden. Während sie alles versucht, das Wirtshaus nach dem Tod ihres Mannes zu halten, verprasst ihr Sohn das mühsam verdiente Geld beim spielen. Die Witwe und trauernde Mutter ist etwas verschroben und sie spricht mit den Geistern der Verstorbenen. Ein sehr guter Trick, um dem Leser das Opfer etwas näher zu bringen.
Florentinus kämpft sich durch den Sumpf dieser Seilschaften, Verwicklungen, Vorurteilen und der Angst und kommt dem Mörder immer näher. Diese Spannung auf nur 228 Seiten kontinuierlich aufzubauen und zu halten finde ich absolut gelungen. Ich konnte die Geschichte nicht mehr aus der Hand legen und hatte das Buch an einem Tag durchgesuchtet. Da die Autorin aus Österreich stammt, fand ich die kleinen sprachlichen Eigenheiten sehr charmant, sie verleihen der Geschichte eine Authentizität, wie man sie selten findet. 
Das Cover passt schön zu diesem Roman, auch die Auswahl der Farbe ist perfekt. Eine kleine, ruhige, nichtsdestotrotz spannende Geschichte über zwei Männer, die nichts als die Wahrheit suchen. Auch wenn Alois zu Beginn meint, diese im am Boden einer Falsche zu finden. Zwei Männer, die ihren Weg gehen, egal, wohin er führt. 
Ich mochte schon die »Die Reise der Weisen« von Monika Grasl sehr. Auch diese Buch wird dieses Jahr zu meinen Highlights zählen.
 
Fazit: 
Ein historischer Krimi, der auf knapp 300 Seiten mehr zu bieten hat, als manches 1000 Seiten Buch. 
 
Titel: Mente Alienari (Ich habe gegoogelt, es bedeutet dem Wahnsinn verfallen) 
Autorin: Monika Grasl 
Verlag: Puput Books 
ISBN: 9783948540111

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