Musikalische Fluchten

21 Mai 2020

Zeit des Feuers (Blut und Knochen Band 2) vom John Gwynne


https://www.randomhouse.de/Paperback/Die-Zeit-des-Feuers-Blut-und-Knochen-2/John-Gwynne/Blanvalet/e551247.rhd
Die Geschichte ist wieder auf vier Personen aufgeteilt:
Drem
Der junge Mann lebte bisher alleine mit seinem Vater im in der Ödnis, weitab der Zivilisation. Erst vor kurzem hat ihm sein Vater etwas über seine Herkunft erzählt. Drem ist ein ruhiger, besonnener Mann, den das einsame Leben stark geprägt hat. Zu seinem Leidwesen wird er in den Krieg zwischen den Kadoshim und den Ben-Elim mit hineingezogen, denn die Kadoshim haben damit begonnen, im Norden ein Heer auszuheben. Ein Heer, das nicht aus Menschen besteht. Drem schickt eine Nachricht nach Dun Seren, dem Wohnsitz der Giganten, um den »Orden des strahlenden Sterns« über die bevorstehende Gefahr zu warnen und setzt damit die Ereignisse in Gang.

Riv
Rivs Traum ist es, endlich ihre Prüfung zu bestehen und damit zu den Weißschwingen zu gehören. Eine Elitetruppe, die den Ben-Elim in absoluter Treue und Gehorsam dient. Als sich aber ihr wahres Wesen offenbart und sie erfährt, wer ihr Vater ist, bricht für sie eine Welt zusammen. Kol, der neue Anführer der Ben-Elim, nimmt die junge Frau mit nach Dun Seren, wo all ihre Glaubensgrundsätze in Frage gestellt werden. Die Ben-Elim scheinen nicht die allmächtigen Wesen zu sein, wie es ihr bisher erzählt wurde. Die einfache, klare Struktur des »Ordens des Strahlenden Sterns« spricht sie an und sie fühlt sich in Dun Seren sehr wohl.


Bleda
Der junge Krieger wurde als kleines Kind von den Ben-Elim als Geisel genommen und in der Tradition der Weißschwingen und der Ben-Elim erzogen. Niemals jedoch vergisst er seine wahre Herkunft und sein wahres Selbst. Nach außen hin trägt er eine Maske der Gleichmut, doch innerlich brodelt es ihm. Als Uldin, der Anführer der Cheren und Erdene, seine Mutter beschließen, dass er mit Jin verbunden werden soll, sieht er es als seine Pflicht an, zu gehorchen, um Frieden zwischen den Pferdeclans zu bringen. Auch wenn sein Herz schon lange jemand anderem gehört.

Fritha
Fritha wurde ebenfalls in Drassil ausgebildet. Als sie von einem Ben-Elim ein Kind erwartet, soll sie dieses Kind töten. Fritha weigert sich und flieht aus Drassil, doch die Ben-Elim kennen keine Gnade und dulden keine Mißgeburten. Sie verfolgen Fritah und töten alles was ihr lieb und teuer ist.
Der Hass der jungen Frau ist unermesslich und so wendet sie sich an die Feinde der Ben-Elim. Als Hohepriesterin der Kadoshim verfügt sie über Erdmagie und ist in der Lage, Wildlinge zu erschaffen. Mörderische Kreaturen, denen ein Mensch kaum gewachsen ist.

Der stetige Wechsel zwischen diesen vier Charakteren sorgt für einen hohen Spannungsbogen. Der Leser erfährt, warum einige Protagonisten so handeln, gerade bei Fritha bringen wir dadurch ein bisschen Verständnis auf, auch wenn ihre Taten nicht zu rechtfertigen sind. Mich hat es gewundert, dass Cullen keine eigenen Kapitel bekommen hat, denn als direkter Nachfahre von Corben spielt er eine wichtige Rolle.
Das Bindeglied zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart stellen die Giganten dar, ein immerwährendes Ärgernis in den Augen der Ben-Elim, denn die Giganten kennen den wahren Ablauf des damaligen Krieges, bei denen die Ben-Elim nicht so gut wegkommen, wie in ihren eigenen Erzählungen.
Drem, Cullen und Keld gelingt es, Dun Seren zu erreichen und den »Orden des Strahlenden Sterns« vor der Mobilmachung der Kadoshim zu warnen. Nur ein vereintes Heer aus Weißschwingen, Ben-Elim. Giganten, Menschen und den Pferdeclans könnte die Feinde bezwingen. Doch die ehemaligen Verbündeten sind untereinander zerstritten, es fehlt das Vertrauen und jeder möchte eigene Wege gehen. So ebnen sie dem Feind den Weg, bis es zu spät ist.
Sprachlich ist das Buch wieder auf hohem Niveau und ich habe mir wieder viele schöne Sätze notiert.
Zitat von Seite 41, ein Gedanke von Riv: »Folgen und Gehorchen ist viel einfacher als zu entscheiden, was richtig ist«.
Oder auf Seite 129: » Es liegt eine Welt zwischen Worten und Wirklichkeit«, murmelte Vald.
Die Personen sind nicht eindimensional sondern sie denken über ihr Handeln nach, hinterfragen sich und treffen unbequeme und auch unpopuläre Entscheidungen. Teils aus Liebe, teils aus Hass oder Machtgier. Einige Figuren, wie Fritha oder auch Kol, sind sehr ambivalent. Auch wenn hinter Kols Handlungen stets der eigene Vorteil steht.

Dieser zweite Zyklus ist keinesfalls ein Abklatsch der ersten vier Bände, die in dieser Welt spielen. Es ist eine eigenständige Geschichte, die über hundert Jahre nach den Ereignissen des Krieges spielt. Die Welt hat sich verändert, doch die Herzen der Menschen sind stets gleich. Wie schon bei »die Getreuen und die Gefallenen« finde ich das junge Alter der Protagonisten teilweise erschreckend. Riv ist gerade 17 Jahre alt, Bleda, Drem, Fritha  und Cullen nicht wesentlich älter. Doch in ihrem jungen Leben haben sie schon sehr viel Leid erfahren, was sie stark geprägt hat.
Cullen bringt etwas Humor in die Erzählung, durch seine stürmische, teils leichtsinnige und freche Art, fordert er das Schicksal geradezu heraus. Und mit seinem Charme wickelt er immer wieder alle um den kleinen Finger. Er und Drem werden gute Freunde, auch wenn er Drem immer »Jungchen« nennt, ebenso wie Balur Einauge. Während Drem das von einem Jahrhunderte alten Giganten durchaus akzeptieren kann, kommt es zwischen ihm und Cullen dadurch oft zu kleinen Wettkämpfen,
Wenn ich eine Lieblingsfigur wählen müsste, wäre es wohl Hammer, die alte Bärin von Sig oder auch Keld, der Waldläufer.
Obwohl dies mittlerweile der sechste Band von John Gwynne ist, kommt keinen Moment Langeweile auf, an einer Stelle hatte ich sogar Tränen in den Augen, so sehr schafft es die Geschichte, mich einzufangen. Wolfgang Thon bleibt seinem Niveau ebenfalls treu und präsentiert eine gelungene Übersetzung.
Das Buch verfügt wieder über Kartenmaterial und ein Glossar, was ich persönlich immer sehr hilfreich finde.
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Titel: Die Zeit des Feuers
Autor: John Gwynne
Verlag: Blanvalet, Softcover, 569 Seiten
ISBN: 9783734161957

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