Musikalische Fluchten

03 Oktober 2018

Archibald Leach und die Monstrositäten des Marquis de Mortemarte von Markus Cremer


https://www.artskriptphantastik.de/archibald-leach-reihe.html
Als Kinder waren Archibald Leach uns Sarah Goldberg miteinander befreundet. Die Leach' waren eine der wenigen Familien, welche die jüdischen, etwas verschrobenen Goldbergs akzeptiert haben. Dann verschwanden die Leach und sechzehn Jahre hörte Sarah nichts mehr von ihnen. Bis Archibald Leach plötzlich vor ihrer Tür steht und sie um Mithilfe bei einigen Nachforschungen bittet. Die junge Frau hat mittlerweile die Werkstatt ihres Vaters übernommen. Sie hat sein handwerkliches Geschick geerbt und kann an mechanischen Geräten fast Wunder wirken.
Sarah ist eine unabhängige, resolute und sehr emanzipierte Frau, die es schwer hat, in der bigotten, englischen Gesellschaft Fuß zu fassen. Nur zu gerne unterstützt sie ihren ehemaligen Freund aus der Jugend bei seinen Nachforschungen und begleitet ihn auf seinen Reisen.
Ihr erstes Ziel ist dieses Mal Dartmoor. Dort wurde eine Leiche gefunden, auf deren Rücken der Name Archibald Leach eingeritzt ist. Die Leiche befindet sich in einer sehr merkwürdigen Verfassung, einer Mutation zwischen Mensch und Wolf. Es handelt sich aber nicht um einen Werwolf. Der Tote ist ein verschwundener Wächter des berüchtigten Zuchthauses Dartmor, der vor einigen Tagen noch lebend gesehen wurde. 

Wie also kann es sein, dass dieser Mann wenige Tage später als Mischwesen in einem Wald auftaucht und Reisende überfällt?
Sarah und Archibald begeben sich nach Dartmor und dies ist der Beginn einer unglaublichen Ermittlung, welche die beiden Freunde rund um den Globus führt.

Der Marquis Lazare Ogier de Mortematre, ein Erzschurke, möchte nichts anderes, als die Weltherrschaft an sich reißen. In Dartmor beginnt er mit seinen grausamen Experimenten an Menschen und der Tote diente lediglich als Lockvogel für Archibald Leach. Mortemarte möchte dem jungen Mann seinen "horriblen Unschärfekompass des relativen Bösen" entwenden. Mit diesem Kompass kann man die Aetherkraft von toten Wesen sammeln und beeinflussen und gewinnt unermessliche Macht.
Mortemarte entkommt mit dem Kompass und hinterlässt einen Berg von Leichen und mutierten Wesen, so dass es Archibald Leach und Sarah Goldberg nicht schwer fällt seiner Spur zu folgen. Sie müssen verhindern, dass der Marquis die uralten und mächtigsten Wesen der Welt tötet und deren Aetherkraft sammelt, denn mit jedem toten Wesen wird seine Macht größer.
Kommentar:
Wo beginnen? Die Verlegerin ist an mich herangetreten und fragte, ob ich nicht eines der Bücher aus dem Verlagsprogramm rezensieren möchte. Ich habe mich für Archibald Leach entschieden, weil ich das Cover sehr interessant und ansprechend fand und Steampunk mag. Und mit dieser Wahl habe ich ein Buch herausgesucht, dass eines meiner Highligts 2018 ist. Nun haben Books & Braun starke Konkurrenz bekommen denn Leach und Goldberg stehen dem anderen Duo in nichts nach.
Die Geschichte verfügt genau über die Art Humor, den ich mag. Schräg, beißend, böse und unterhaltsam. Hier ein Zitat von Seite 154:
" Diese Agentin von B.O.O.K ist eine klasse Frau, nicht wahr?", schwärmte Archibald Leach.
"Sie hat ein Holzbein", erwiderte Sarah.
"Das zeigt ihren besonderen Einsatzeifer."
"Sie hat Läuse!"
"Trotzdem hat sie sich nicht einmal gekratzt! Dies nenne ich Selbstbeherrschung."
Die Dialoge der beiden sind herrlich amüsant, stets mit einer kleinen Frotzelei. Sarahs Gedanken, die in kursiv gedruckt sind, tragen ihr übriges dazu bei, dass der Leser aus dem schmunzeln gar nicht mehr heraus kommt.
Archibalds Vergangenheit bleibt im Dunkeln. Im Laufe des Romans erfährt immer wieder kleine Einzelheiten aus den sechzehn Jahren und häppchenweise bildet sich ein Gesamtbild.  Während Archibald verschwunden war, musste Sarah sich in das Leben der englischen Gesellschaft einfügen. Das gelang ihr nicht besonders gut. Hier ein Zitat, welches ihre Situation sehr gut beschreibt:
"Es gibt Zeiten, in denen man über seinen Schatten springen muss. Jahrelang habe ich mich bemüht, mich den strengen Maßstäben der britischen Oberschicht anzupassen. Das Korsett der gesellschaftlichen Normen schnürte mir nicht nur im übertragenen Sinn die Luft ab"
Diese Zitat stammt aus einem Vorwort der burschikosen Frau. Diese Vorworte von Sarah Goldberg sind das Salz in der Suppe dieses Romans und geben einen Einblick in das Wesen der symphytischen und resoluten Frau. Sie ist eine Frau der Tat, die es versteht, mit Waffen umzugehen, während Archibald Leach eher der Träumer und Phantast ist und die Realität oft etwas aus dem Auge verliert. In einer Geschichte voller Schauer, Mystik, Magie, Voodoo und Geister ist es nötig, eine Partnerin zu haben, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht.  In den Jahren seiner Abwesenheit muss Archibald Leach sehr viel auf Reisen gewesen sein, denn bei ihrer Suche nach dem Marquis bekommt das ungleiche Paar Hilfe von sehr merkwürdigen Verbündeten aus aller Welt. Seien es Piraten, Schurken oder legändere Abenteurer, die auch dem Leser aus anderen Geschichten bekannt sind. Irre, was sich Markus Cremer da ausgedacht hat, da blieb mir vor Staunen fast der Mund offen stehen.  
Die Verfolgungsjagd führt Leach und Goldberg von London zu den Teufelsinseln, weiter nach New Orleans, in die Karibik und nach Afrika, bis sie in Indien endet. Eine atemberaubende Reise in Zeppelinen, Schiffen, zu Pferd oder auf Kamelen. Immer wieder durchsetzt mit dem charmanten Wortwitz von Sarah Goldberg.
Der Autor verfügt über bildgewaltige Sprache, er meidet Wiederholungen und schafft es, den Leser auf 581 in Staunen zu versetzen. Immer wenn man meint, dass eine Idee nicht mehr zu toppen ist, kommt er mit dem nächsten außergewöhnlichen Einfall daher. Es wirkt aber nichts abstrus und unglaubhaft, sondern Markus Cremer verfügt über eine Überzeugungskraft und ein Erzähltalent, dass den Leser mitreißt.
Wie gesagt, ich habe das Buch als Rezensionsexemplar bekommen. Dies ist keine Werbung, sondern einfach meine Meinung über ein Buch, das mich absolut begeistert hat. Ich kann durchaus auch kritische Rezensionen schreiben, das war hier aber nicht nötig. Im Gegenteil, ich denke, die Rezension kann diesem außergewöhnlichen Roman nicht gerecht werden. Sarah Goldberg ist die Amalie Peabodey des Steampunk und wer die Bände Books&Brown mochte, wird dieses Buch einfach lieben.
Eine absolute Leseempfehlung!
Titel: Archibald Leach und die Monstrositäten des Marquis de Mortemarte
Reihe: Archibald Leach
Autor: Markus Cremer
Verlag: Art Skript Phantastik Verlag, Softcover, 581 Seiten
ISBN: 9783945045091

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für die schmeichelhafte Bewertung. Da zieht der gute Archibald Leach gerne seinen (vakuumierbaren) Hut und Sarah Goldberg winkt mit ihrer Handprothese :)

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