Musikalische Fluchten

01 Mai 2022

Das finstere Tal von Thomas Willmann

 

Ein einsames, völlig isoliertes Tal in den Bergen. Erreichbar nur durch einen Spalt im Gebirge. Die Einwohner leben völlig für sich, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Wissen um neue Errungenschaften und neue Technik. Was man zu Leben braucht, wird dem Boden abgetrotzt. Nur ein Mal im Jahr reist der Krämer in die Außenwelt, um Sachen zu besorgen, die man im Tal nicht selbst herstellen kann.
 
Die Bewohner dieses Tals mögen keine Fremden und so wird »der Greider«, als er im Tal ankommt, argwöhnisch betrachtet und man gibt ihm klar zu verstehen, dass er wieder abreisen soll. Doch der ruhige junge Mann gibt nicht nach. Er ersucht um ein Quartier und als Begründung für seine Ankunft gibt er an, dass er die Landschaft malen möchte. Als er einen Beutel Gold zückt, genug, um ein Quartier für ein ganzes Jahr zu bezahlen, bekommt er ein Zimmer bei der Witwe Gader und ihrer Tochter Luzie. 
Zuerst misstrauisch beäugt verhält er  sich so ruhig und unauffällig, dass man seine Anwesenheit nach und nach vergisst.
 
Kommentar: 
Dieses Buch habe ich auf dem Blog von »Weltenwanderer« gesehen und es hat mich direkt angesprochen. Auf dem Cover wird es beschrieben als »eine Mischung aus Ludwig Ganghofer und Sergio Leone« und das trifft es auf den Punkt. 
Die wenigen Dialoge sind sehr kurz gehalten und im Alpendialekt geschrieben. Dieser Menschenschlag redet nicht viel. Um den harten Winter zu überstehen, muss das restliche Jahr über hart gearbeitet werden, es bleibt keine Zeit für Überflüssiges. 
»Der Greider« passt sich den Einwohner des Dorfes an. Zu Beginn wandert er viel und erkundet die Landschaft, sucht sich Plätze, die er malen kann. Die Bewohner gehen ihm aus dem Weg, niemand redet mit ihm und die Söhne »des Brenner«, der Mann, der in diesem Ort das sagen hat, beobachten ihn mit Argusaugen. Doch »der Greider« verhält sich so still und unauffällig, dass man seine Anwesenheit fast vergisst. Nur zu Luzie und ihrer Mutter hat er Kontakt, hilft ihnen im Haus und zeigt ihnen seine Zeichnungen. Bald kommt Lukas zu dieser kleinen Gemeinschaft dazu. Ein junger Mann, in den sich Luzie verliebt hat und den sie heiraten möchte. Zuerst steht auch Lukas dem Gast misstrauisch gegenüber doch als dieser ihm eine Zeichnung seiner zukünftigen Braut schenkt, ist das Eis gebrochen. 
Das Buch weist stellenweise einige Längen auf, trotzdem konnte ich es nicht aus der Hand legen. Man ahnt als Leser, dass etwas passieren wird und je weiter der Autor das hinauszögert, desto beklemmender wird die ganze Atmosphäre. Es ist kein Actionroman, kein Abenteuerroman, eher ein ruhiges »road movie« a la »Paris, Texas«, ruhig, intensiv, fesselnd, teilweise verstörend aber immer spannend. 
Mitte in der Geschichte gibt es einen Bruch und das Szenario ändert sich. Eine Witwe ist mit ihrem Sohn unterwegs im Wilden Westen, um dort eine Stelle als Lehrerin anzunehmen. Die Reise quer durch die Staaten ist mühselig, die Mitreisenden sind nicht immer angenehm aber die Hoffnung auf eine bessere Zukunft lässt sie dies alles ertragen. 
Zuerst ahnt man die Zusammenhänge der Geschichte nicht. Auch dieser Teil wird sehr langsam und ruhig geschildert, der Autor lullt den Leser förmlich ein, um ihn dann mit einem Paukenschlag zu wecken. Und hier beginnt der Part, der Sergio Leone gewidmet ist. 
 
Zitat:» Die Gestalt auf der Brücke schien mit nichts anderem beschäftigt als mit warten. Sie lehnte an dem Gelände trotz der Kälte gemütlich und scheinbar gedankenverloren wie einer, der in der Mittagspause die erste kräftige Frühlingssonne genießt. Aufsteigender, sich zugweise zu Wölkchen verdichtender Qualm verriet, dass er dabei eine Zigarette rauchte. Der Mann trug einen knöchellangen Mantel und einen breitkrempigen Hut.« 
 
Dieses Szenario erinnert an die unzähligen Westernfilme, kurz vor dem Showdown. Wenn Clint Eastwood, mit der Kippe im Mund, die Straße betritt und sich seinen Gegner stellt. Oder James Stewart sich bereit macht, einer Überzahl gegenüber zu treten. Der breitkrempige Hut und der Staubmantel sind für mich das klassische Stilmittel eines Westerns und Ludwig Ganghofer zieht sich ab da zurück. 
Ich finde es erstaunlich. wie sehr der Autor mit Nichtigkeiten die Spannung bis zu diesem Punkt ins unermessliche gesteigert hat. Der Leser ist erleichtert, dass endlich etwas passiert und seine Qualen beendet werden. Und das ausharren hat sich gelohnt. Jede langweilige Predigt »des Brenner« ist vergessen ( die habe ich überblättert) und man saugt sich an dem Showdown regelrecht fest. Und Thomas Willmann scheut sich nicht, hier in die Details zu gehen, den Leser zu schockieren. Wie ein Film läuft die Handlung vor deren Augen ab, reißt sie mit in ein fulminantes Ende. 
Der Roman wurde verfilmt und ich bin sehr neugierig, wie das Buch umgesetzt wurde, die Kritiken sind sehr gut. 
 
Fazit: 
Das finstere Tal ist eine Art von Roman, den ich normalerweise nicht lese. Ich hätte etwas verpasst und bin froh, dass Weltenwanderer dieses Buch erwähnt hat. Nichts für Leser, die eine schnelle Handlungsabfolge schätzen sondern für Genießer, die sich in einer bildgewaltigen Sprache verlieren können. Für mich ein Highlight 2022.
 
Titel: Das finstere Tal 
Autor: Thomas Willmann 
Verlag: Ullstein, Taschenbuch, 334 Seiten 
ISBN: 9783548286402

2 Kommentare:

  1. Hi Petra!

    Na da freue ich mich jetzt aber sehr! Das hast du super beschrieben :)
    Der Film ist auch klasse, auch wenn der Dialekt für mich manchmal etwas schwer zu verstehen war... ich hoffe, er gefällt dir auch so gut!

    Liebste Grüße, Aleshanee

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  2. Guten Morgen, zum Glück waren es ja wenige Dialoge. Ich hätte gerne noch gewusst, wie er in den USA gelebt hat und an das Geld gekommen ist aber letztendlich ging es ja um die Rache, also hat es gepasst. Ich bin gespannt auf den Film, bei Prime gibt es ihn, vielleicht schaue ich ihn Samstag

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