Musikalische Fluchten

27 Juni 2020

Die Mördergrube - Arrowood Band 2 von Mick Finlay



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William Arrowood steht stets im Schatten des großen Ermittlers Sherlock Holmes. Während Holmes immer die lukrativen Aufträge der Mächtigen und reichen erhält, bekommt Arrowood nur die kleine Aufträge, die ihn so gerade über Wasser halten. Zwar hatte er die Hoffnung, dass er nach Abschluss seines letzten Falles etwas Ruhm ernten könnte, doch vergebens. Daher ist sein Assistent Barnett froh, als sie endlich einen neuen Fall erhalten, der seinen Chef davon abhält Trübsal zu blasen und über die Ungerechtigkeit der Welt zu lamentieren. Mister und Mistress Barclay bitten ihn nach ihrer Tochter Birdie zu sehen. Seit sie verheiratet ist hat sie sich bei ihren Eltern nicht mehr gemeldet. Auf Briefe antwortet sie nicht. Als die Barclays zu dem Hof der Familie Ockwell fahren, auf dem Birdie nun lebt, wird ihnen der Zugang zum Haus verweigert und die Familie behauptet, dass die junge Frau nicht anwesend sei. Als Arrowood und Norman während ihrer Ermittlungen ebenfalls zu den Ockwells hinaus fahren, werden sie brüsk abgewiesen, im Dorf werden sie angefeindet. Letztendlich bleibt den beiden Ermittlern nichts anderes übrig, als zwei Spione auf den Hof einzuschleusen. Diese Aufgabe übernehmen Ettie und der kleine Neddy, nichts ahnend, in was für eine Gefahr sie sich begeben.

Kommentar:
Während Sherlock Holmes ein Ermittler für die Schönen und Reichen ist und so seinen dekadenten Lebensstil finanzieren kann, muss sich William Arrowood mit den Brosamen begnügen. Sein London wirkt ehrlicher und direkter in seiner Unvollkommenheit. Er und sein Assistent Barnett begeben sich in Gefilde, die der Meisterdetektiv nie betreten würde.
Dieser Fall hat mich sehr tief berührt, denn es geht um Menschen, die sich nicht wehren können, die ausgenutzt und ausgebeutet werden. Und am Ende werden sie entsorgt wie Müll. Schon bei Anne Perry hat man einen ehrlichen Blick auf dieses viktorianische London erhalten, einen Zeit, die heute verklärt wird, die an Grausamkeit aber kaum zu überbieten ist.
Arrowood und Barnett sind keine Vorzeigehelden. Der korpulente Ermittler ist launisch, manchmal sogar peinlich und er lässt seine Launen immer wieder an seiner Schwester Ettie oder an seinem Assistenten Norman aus. Norman entstammt dem Slums von London, er hat mit seiner Mutter zeitweise im Armenhaus gelebt und er musste früh lernen, sich zu behaupten. Obwohl die beiden Männer nicht unbedingt Freunde sind, respektieren sie einander. Ettie hat lange Jahre in Afghanistan als Krankenschwester gearbeitet. Ihr fällt es schwer sich an die Rolle des Heimchens am Herd anzupassen. Als selbstbewusste Frau, die Jahre lang kranke Männer gepflegt hat, ist sie es gewohnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Als sie bei ihrem Bruder einzieht, ist der Ärger vorprogrammiert. Aber diese kleinen Dispute sind es, die in wenig Humor in die Handlung  bringen. Dies und die sich stets widerholenden Tiraden Williams gegen Sherlock Holmes. Seine Kritikpunkte kann man als Leser sogar nachvollziehen, da beide Detektive sich sehr unterschiedlicher Ermittlungsmethoden bedienen. Während Sherlock Holmes nach Spuren und Beweisen sucht und 40 verschiedene Tabaksorten am Duft erkennen kann, liest Arrowood in den Gesichtern der Menschen. Er studiert jede Regung, jedes Muskelzucken. Das erinnert an wenig an die Serie »lie to me«, in der es um diese Mikroausdrücke geht.
Dieser Fall führt den Leser in die Abgründe der Menschheit. Und leider ist es ja auch heute noch so, dass Menschen ausgenutzt und ausgebeutet werden, zusammengepfercht in Billigunterkünften leben und kaum von der Hand in den Mund leben können. Billige Arbeiter, derer man sich entledigt, wenn es zu Problemen kommt.
Ich liebe Sherlock Holmes Romane, egal, von welchem Autor. Aber Mick Finlay zeigt uns die Kehrseite von London, wie es den Menschen ergeht, die sich keine Hilfe holen können, die alleine leben und letztendlich auch alleine sterben. Deren Verbleib niemanden kümmert. Auch wenn die Barclays einen Hintergedanken haben, als sie nach Birdie suchen lassen, wird doch durch diese Suche ein ungeheuerlicher Skandal aufgedeckt, der den Leser und auch die beiden Ermittler bis ins Mark erschüttert.
Sprachlich ist an dem Buch absolut nichts auszusetzen. In diesem zweiten Band bekommen die Figuren etwas mehr Tiefe, man lernt sie besser kennen und verstehen.  Und für Arrowood, der keine Kinder hat, ist der kleine Neddy so etwas wie ein Sohn.  Der kleine Junge, der jetzt schon seine Familie ernähren muss, begibt sich für den Detektiv immer wieder in Lebensgefahr, was vor allem Ettie und Norman ärgert, die den Jungen beschützen möchten.  Die Beziehung dieser vier sehr unterschiedlichen Menschen ist der rote Faden in dieser Büchern und ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.
Fazit:
Düster, spannend, fesselnd, ein viktorianischer Krimi, der für mich zur Oberliga gehört. Während  ich bei Band eins noch etwas zögerlich war, hat mich dieser Band sehr begeistert.
Titel: Die Mördergrube
Reihe: Arrowood
Autor: Mick Finlay
Verlag: Harper Collins, TB, 478 Seiten
ISBN: 9783959672931

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